Bochum. Am Harpener Feld ist der Krieg ganz nah. 240 Geflüchtete haben bisher die zentrale Anlaufstelle in Bochum aufgesucht. Auffällig: die Stille.

Bochum nimmt immer mehr Geflüchtete aus der Ukraine auf. Bis Dienstag haben 240 Menschen die zentrale Anlaufstelle der Stadt am Harpener Feld aufgesucht. „Wir gehen von einer Vielzahl weiterer Flüchtlinge aus, die in Privatwohnungen untergekommen sind, ohne sich registrieren zu lassen“, sagt Sozialdezernentin Britta Anger.

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In der tristen Gewerbehalle im Bochumer Norden ist der Krieg, dessen Schreckensbilder seit 13 Tagen die Nachrichten dominieren, ganz nah. Mehr als 30 Menschen warten am Dienstagmittag an Tischen darauf, in eines der provisorischen Büros gerufen zu werden. Rucksäcke sind das einzige Gepäck. Für Wasser, für die Kleinsten auch für Babynahrung, ist gesorgt. „Erste Orientierung“ nennt die Stadt ihr kurzfristig geschaffenes Angebot. Das Ausländer- und Sozialamt, das Integrationszentrum und weitere Fachstellen beantworten Fragen u.a. zu Wohnungsangeboten, Impfmöglichkeiten und zur Krankenversicherung.

Anlaufstelle für Flüchtlinge: Die Blicke der Frauen sind leer

Die Blicke der meist jungen Frauen sind leer, zeugen von Erschöpfung, Angst, unsagbarer Traurigkeit. Die WAZ kommt der Bitte der Stadt nach, auf Interviews aus Rücksicht auf den psychischen Zustand der Geflüchteten zu verzichten. Kinder schlafen oder malen in einer Spielecke. Hier wird mitunter gelacht. Sonst herrscht: bedrückende Stille. Wortlos, manchmal flüsternd starren viele Frauen auf ihr Handy, versuchen verzweifelt, den Kontakt zu ihren Männern und Vätern zu halten, die im Krieg zurückgeblieben sind.

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„Manche waren vier, fünf Tage unterwegs, mit Säuglingen und Kleinkindern. Sie sind dankbar, endlich irgendwo angekommen zu sein“, sagt Mitarbeiter Peter Rettmann. Über private Kontakte, per Zufall, aber auch über die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) am Gersteinring, die für die NRW-weite Verteilung zuständig ist, sind sie in Bochum gestrandet. Am Harpener Feld erfahren sie, was ihnen dank einer vorläufigen Aufenthaltserlaubnis zusteht: Leistungen nach dem Asylrecht ebenso wie eine Krankenversicherung und die Möglichkeit zu arbeiten. Als ehrenamtliche Dolmetscher fungieren u.a. Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, die vielfach aus Russland stammen. „Bemerkenswert“, findet Britta Anger.

Das Kommunale Krisenmanagement der Stadt Bochum hat die zentrale Anlaufstelle binnen Tagen am Harpener Feld eingerichtet. Die Geflüchteten finden hier alle wichtigen Informationen, allerdings keine Schlafstellen.
Das Kommunale Krisenmanagement der Stadt Bochum hat die zentrale Anlaufstelle binnen Tagen am Harpener Feld eingerichtet. Die Geflüchteten finden hier alle wichtigen Informationen, allerdings keine Schlafstellen. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Im Hotel sind noch 38 Zimmer für Geflüchtete frei

Anfangs das Wichtigste: ein Dach über dem Kopf. Dafür sorgen zahlreiche private Unterstützer und Landsleute (in Bochum leben 1271 Ukrainer). Aber auch die Stadt. Mehr als 100 Wohnungen, bereitgestellt u.a. von den Wohnungsgesellschaften, stehen aktuell zur Verfügung. „Wir vermitteln nicht ,auf die Couch’“, betont Britta Anger und meint Zimmer, die vielfach über die Ehrenamtsagentur angeboten werden. Stattdessen wird auch ein Hotel in der Innenstadt genutzt. 38 Zimmer sind noch frei.

Restaurant lädt Geflüchtete zum Essen ein

Zahlreich sind die Hilfsangebote für die ukrainischen Flüchtlinge. Daran will sich auch Werner Boxbücher beteiligen.

Der Inhaber des spanischen Restaurants „La Mesa“ an der Bessemerstraße 30 lädt an jedem Donnerstag von 12 bis 14 Uhr bis zu 50 Geflüchtete zu einem kostenlosen Paella-Essen ein.

„Die Aktion läuft zunächst bis Ende März, bei Bedarf auch länger“, sagt Boxbücher und bittet um Anmeldungen unter 0234 45 93 05 72.

Sie werden gebraucht. Denn die Stadt rechnet in den nächsten Tagen und Wochen, womöglich Monaten mit einer Vielzahl weiterer Flüchtlinge und verspricht: „Allen, die in Bochum ihre erste Unterkunft in Deutschland haben, wird geholfen.“ Polizeibeamte, die Bahnhofsmission und weitere Helfer sind mit einer Notfallnummer versorgt. Um auf die Anlaufstelle aufmerksam zu machen, sollen in Kürze auch Werbetafeln in ukrainischer Sprache genutzt werden.

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Bitte der Stadt: Keine Sachspenden am Harpener Feld abgeben

Beeindruckt zeigen sich Britta Anger und der Leiter des Kommunalen Krisenmanagements, Mario Reuther, von der immensen Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. Für Sachspenden sei das Harpener Feld aber die falsche Adresse. Die können u.a. bei der Gesellschaft Bochum-Donezk an der Herner Straße 148 abgegeben werden.

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