Bochum-Weitmar. Um Kindern aus Bad Münstereifel schöne Ferien zu bieten, lud die Evangelische Kirche sie nach Bochum ein. Große Teile ihrer Heimat sind zerstört.

Eigentlich waren die Ferien von Marina (13) anders geplant: "Es sollte nach Holland gehen, vielleicht auch für einen Kurztrip nach Berlin", sagt das Mädchen aus Bad Münstereifel. Doch die Pläne haben sich geändert. Schuld daran: Die verheerende Hochwasserkatastrophe, die im Juli große Teile NRWs heimsuchte. 

Die Gebiete rund ums Ahrtal wurden dabei besonders heftig getroffen, Häuser vollständig zerstört, Autos weggeschwemmt, Existenzen zerstört. Wiederaufbauarbeiten dauern noch an, einige Schulen sind noch immer geschlossen. Auf Ferien verzichten müssen 24 Jugendliche aus den Flutgebieten trotzdem nicht: Die evangelische Kirchengemeinde aus Weitmar hat sie zu einer einwöchigen Ferienfreizeit nach Bochum eingeladen. 

Feldbetten vom DRK

"Uns war direkt klar, dass wir helfen wollen", erinnert sich Presbyterin Marlies Ulrich, die im Juli den Kontakt zur Kirchengemeinde in Bad Münstereifel aufbaute. "Wir haben zunächst eine einzelne Familie mit Bettwäsche und Heizungen unterstützt, irgendwann ergab sich die Idee einer Ferienfreizeit", so Ulrich. 

Zugegeben: Von Bochum haben Jette (13), Len (13) und Luca (14) vorher noch nicht besonders viel gehört. Auf ihrer Liste der Top-Ferienziele stand die rund 150 Kilometer entfernte Ruhrgebietsstadt vermutlich auch nicht. "Starlight verbinde ich aber mit Bochum", sagt Marina (13). Der erste Eindruck von Bochum stimmte dann trotzdem: Bei selbstgemachten Burgern und dem Aufbau von Feldbetten des Deutschen Roten Kreuzes im Matthäushaus in Weitmar gelang der Auftakt. 

Sightseeing in Bochum

"Ich freue mich besonders auf den Besuch der Innenstadt", sagt Luca (14). Es sei geplant, Lasertag spielen zu gehen. Noch mehr steht auf dem Programm: "Wir besuchen das Schlosscafé, dort gibt es Kuchen. Außerdem steht ein Besuch der Sternwarte und im Moviepark auf dem Plan", kündigt Ulrich an. Die Bochumer Attraktionen seien für die Jugendlichen meist umsonst. "Die Ferienfreizeit wird insgesamt durch Spenden finanziert", sagt Ulrich. 

Am Kicker des Jugendtreffs "OT Weitmar", vor dem Fernseher oder bei einer Runde Gesellschaftsspiele ist die Stimmung ausgelassen. Erzieherin Janine Fries, die die Jugendlichen begleitet, weiß jedoch: "Die Bilder der Flutkatastrophe haben die Kinder ganz schön mitgenommen."

Gesehenes verarbeiten

Die Elternhäuser von drei Kindern seien komplett zerstört worden. "Die Videos von weggeschwemmten Menschen haben viele gesehen und schlimme Geschichten gehört", sagt Fries. Die Jugendlichen - auf der Ferienfreizeit zwischen 11 und 16 Jahren - seien inzwischen alt genug, um das Geschehene zu begreifen. "Ein Gymnasium in Bad Münstereifel konnte noch immer nicht wieder öffnen", sagt Fries.

Die Ferienwoche helfe durch die Ablenkung, das Geschehene zu verarbeiten.Neben Begleitern aus Bad Münstereifel betreuen drei Mitarbeiter mit sozialpädagogischem Hintergrund aus Weitmar die Ferienwoche. "Die Kinder kennen sich untereinander nicht alle, die Gemeinde in Bad Münstereifel hat eine Ausschreibung für die Freizeit gemacht", erklärt Ulrich.

Wachsende Partnerschaft

"Wir waren gerade in Frankreich, als das Hochwasser kam", erinnert sich Len. Bei der Rückkehr habe man den ganzen Keller mit Wasser vorgefunden. "Wir haben unseren Sommerurlaub verschoben, damit meine Eltern im Nachbardorf helfen können", sagt Jette. Die Innenstadt in Bad Münstereifel sehe nun ganz anders aus. "Deshalb ist es schön, mal wieder etwas anderes zu sehen", freuen sich die Jugendlichen. Es fühle sich ein bisschen wie auf einer Klassenfahrt an. 

Presbyterin Ulrich hofft, dass sich aus dem nun entstandenen Kontakt in Zukunft mehr ergibt. "Es wäre schön, wenn zum Beispiel auch die Bochumer die Gemeinde in Bad Münstereifel einmal besuchen könnten", sagt sie. Ein Wiedersehen ist bereits geplant: "Weil wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Karten mehr für das Musical Starlight Express bekommen konnten, haben wir die Jugendlichen noch einmal nach Ostern eingeladen", kündigt Ulrich an - Backstageführung inklusive. 

48 Tote in NRW

Bei dem Hochwasser im Juli sind viele Teile Nordrhein-Westfalens verwüstet worden. Die Flut forderte 48 Menschenleben in NRW, es starben vier Retter der Feuerwehr.

Bis zum 16. Juli haben laut Innenministerium rund 19.000 Einsatzkräfte 30.000 Einsätze im Zusammenhang mit dem Hochwasser bewältigt, die Polizei zählte 3200 Einsätze.

In Bochum war der Stadtteil Dahlhausen besonders stark betroffen.