Bochum. Das 56 Jahre alte Bürohaus am Südring war sehr heruntergekommen. Nach der Modernisierung hat es als Coworking-Space nun wieder eine Zukunft.
Ein bekanntes Gebäude in Bochum ist das Bürohaus an der Viktoriastraße, Ecke Südring. Der Zweckbau aus den 1960er Jahren, in dem neben Büros einst im Erdgeschoss das Lampenfachgeschäft Licht hoch 3 und im seitlichen Obergeschoss die unvergessene Pizzeria Gallo heimisch war, hat sich in jüngster Zeit sehr verändert, um nicht zu sagen: radikal verjüngt. „Der Umbau zeigt, was auch eine Altimmobilie leisten kann“, sagt Thomas Stark vom gleichnamigen Planungsbüro.
Von der Außenfassade bis zum Abstellraum wurde alles umgebaut
Stark und seine Mitarbeiterin Friederike Herkt haben das Bürogebäude für dessen Besitzer, die Bochumer Wohnungsbaugesellschaft Häusser Bau, komplett überplant und umgestaltet. Wo früher dunkle und enge Bürofluchten das Bild bestimmten, präsentiert sich das Innere nunmehr frisch, luftig und jugendlich. „Seit März 2019 wurde alles vom Keller bis zum Dach, von der Außenfassade bis zum letzten Abstellraum revitalisiert“, sagt Stark. Mit dem Ziel, der Dortmunder Firma Work Inn einen ansprechenden Rahmen für ihre Aktivitäten zu bieten.
Büroraum in Form eines Coworking Space wird immer beliebter
Das Geschäftsmodell der 2013 von Dörte und Tim Schabsky gegründeten Firma Work Inn heißt „Coworking Spaces“. Damit gemeint sind Arbeitsplätze, die den Kunden zeitlich flexibel zur Verfügung gestellt werden. Die Nachfrage nach solch‘ vergleichsweise günstigen Büroflächen, die kurzfristig und mitunter auch nur für kurze Zeit angemietet werden, wächst ständig: bei Start-Ups und Freiberuflern sind sie ebenso beliebt wie zunehmend auch bei großen Unternehmen. Die Expansion von Work Inn belegt das. „Wir unterhalten aktuell neun Coworking-Spaces in Dortmund, Bochum, Essen, Mülheim, Oberhausen und Hamm. Weitere sollen folgen“, sagt Geschäftsführerin Schabsky.
Für die in Bochum ins Auge gefasste Klientel musste ein Gebäude her, das auch äußerlich den zeitgemäßen Touch dieser neuen Arbeitswelten verkörperte. Schwer vorstellbar eigentlich, dass dies am Ende ausgerechnet die 1965 im Zeitgeist der Nachkriegsmoderne errichtet Immobilie am Südring wurde, die abgewohnt und deren Keramikfassaden in die Jahre gekommen war. „Wir mussten so gesehen auch das Gesicht des Gebäudes neu gestalten“, so Thomas Stark.
Fassade wurde umgebaut und zu einem Hingucker
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Und das ging so: Drei Fenster mit asymmetrischer Rahmenverkleidung lassen das Gebäude aus dem braven Kontext der Nachbarn heraustreten; ein Hingucker am Rande des Bochumer Bermudadreiecks. Die Fenster wurden bodentief vergrößert, das Haus öffnet sich nun zur belebten Straßenkreuzung mit täglich 30.000 Pkw. Nebenbei wurde die Fassade des Nachbarhauses Südring 25 einbezogen und die ganze Ecke aufgepeppt, wodurch sie ohne Frage städtebaulich gewonnen hat. Eine neue Außenbeleuchtung, umlaufend um das Sockelgeschoß, rundet das Gesamtbild der veränderten Architektursprache ab.
Über fünf Etagen bietet Work Inn auf 1200 qm Fläche Büros in unterschiedlichen Zuschnitten, mal als geschlossene, mal als offene Arbeitsbereiche. Bereit gestellt werden Schreibtische und Internet-Anschluss, mehr nicht. Aber das stimmt nur bedingt, denn tatsächlich bietet die Firma Mehrwert über die Infrastruktur hinaus. Es gibt Begegnungsecken und Küchen auf den Etagen, und sogar eine Dusche. Eine Flachdach nach hinten raus wurde begrünt und dient als Sonnenterrasse. Die Wände wurden in ansprechenden Farben gestrichen, geschmackvolle, moderne Bilder mit maritimen Motiven setzen Akzente.
Die Nachfrage nach Büroplätzen im Work Inn ist groß
Alle Stockwerke und die ehemalige Gallo-Gastronomie im 1. Obergeschoss sind so zu zeitgemäßen Arbeitsplätzen geworden; auch dies ein Stück Strukturwandel im Ruhrgebiet, wenn man so will. Die Nachfrage ist groß. Das Haus ist voll vermietet, im Erdgeschoß wird in Bälde auf 450 qm der Start-Up-Lieferdienst Gorillas einziehen.
Kitzelig bei der Planung war der Einbau der Haustechnik, etwa der Leitungen und Anschlüsse für die Server, aber auch der Einbau von Steckdosen „an jeder Ecke“. Die Infrastruktur der 60er Jahre gab das nicht her, es mussten originelle Lösungen her. So ist an den Decken reichlich „Kabelsalat“ zu sehen, aber solche Notwendigkeiten hat das Stark-Team als Aufforderung verstanden, sie gestalterisch anzugehen. So strahlt das Gebäude, das natürlich auch energetisch auf dem neuesten Stand ist, eine sympathische Unfertigkeit aus, die die Kreativität der Mieterinnen und Mieter befeuert. Je nach Größe und Zuschnitt werden für die Coworking-Places 99 bis 588 Euro im Monat fällig. Das Haus steht Tag und Nacht für die Mieter/Nutzer offen; ein elektronisches Sicherungssystem sorgt für Ein- und Auslass.
Für die Revitalisierung des Gebäude-Oldies hat Häusser Bau rund 3 Millionen Euro in die Hand genommen. Das Ensemble an der Viktoriastraße 39, Ecke Südring bezeugt, dass durch eine gelungene Revitalisierung sogar ein 56 Jahre altes Gebäude zum neuen Hotspot im Stadtbild von Bochum werden kann.