Dortmund/Oberhausen. . An Coworking-Plätzen arbeiten Freiberufler, Gründer und Angestellte. Sie bilden eine Gemeinschaft. Ist Coworking was Neues oder ein Modebegriff?
Der offene Arbeitsbereich mit Einzelarbeitsplätzen an einem großen und zwei kleineren Holztischen ist was für Naturliebhaber: Ein Birkenwald, darüber hellblauer Himmel mit weißen Wolken spenden Ruhe von der Wandtapete. Freiberuflerin Marie Sist, sie sitzt auf einem Einzelplatz, bereitet Termine mit ihren Coaching-Kunden an ihrem Laptop vor. „Coworkerin bin ich seit über einem Jahr. Toll ist hier die Vernetzung. Die bringt mir Inspiration“, sagt Marie Sist.
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Im gleichen Raum überlegt der Angestellte Lukas Rein, wie eine Webseite bequemer zu nutzen ist. Und ein paar Türen weiter entwickelt die Firma 7pKonzepte IT- und Marketing-Konzepte. So sieht der Coworking-Standort Hohe Straße der Firma „Work Inn“ in Dortmund aus. Coworking ist Englisch für: zusammen arbeiten. Auf 400 Quadratmetern — offener Arbeitsbereich, einzelne Büros, in Seminarräumen — arbeiten Freiberufler, Angestellte und neu gegründete Firmen. „Work Inn“ baut derzeit eine Filiale in Oberhausen auf dem ehemaligen Babcock-Gelände auf.
Büros stundenweise mieten
Welche Typen arbeiten in einem Coworking Space? Ist das ein Modebegriff für Bürogemeinschaft? Anders als die Bürogemeinschaft ist Coworking ein Geschäftsmodell: Ein Unternehmen baut eine Bürofläche und vermietet Räume und Einzelarbeitsplätze — tag- oder gar stundenweise. Eine Bürogemeinschaft hingegen ist nicht auf Profit, sondern den Bestand seiner Mitglieder ausgerichtet.
Lukas Rein hat einen festen Einzelsitzplatz. Seinen Beruf beschreibt der Angestellte eines Mittelständlers aus Bergkamen so: „Ich komme immer dann ins Spiel, wenn Menschen mit Maschinen zusammenkommen. Ich vereinfache die Nutzung.“
Freiberufler, Gründer, Angestellte
Rein ist UX-Engineer, zu deutsch Ingenieur für Erfahrung. „Dortmund bot sich als Standort für mich an, weil wir hier viele Kunden haben.“ Damit gehört er laut der aktuellen deutschlandweiten Studie des Coworking-Magazins Deskmag zu den 19 Prozent Angestellten, die in Deutschland in solchen Räumen arbeiten. Rein schätzt am „Work Inn“ den Austausch mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Branchen und dass er dadurch „in Arbeitsmodus“ kommt. Der Arbeitgeber zahlt seinen Arbeitsplatz. Mit seinem Vorgesetzten verständigt sich Rein online oder per Telefon.„Ich könnte auch auf den Bahamas am Strand liegen, solange ich meinen Job mache“, sagt der 26-Jährige.
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Im Gemeinschaftsraum — auf der Wand eine sattgrüne Wiese mit hellblauem Himmel und schneeweißen Wolken — steht ein Obstkorb mit Kiwis und Bananen. Ein Mal die Woche gibt es Yoga-Unterricht. Beides haben sich die Coworker an der Hohe Straße ausgesucht: „Jeder Standort hat ein monatliches Budget, mit dem er machen kann, was er will“, sagt Tim Schabsky, der mit seiner Frau Dörte „Work Inn“ vor drei Jahren gegründet hat. Die Idee brachte das Paar aus London mit. Die Schabskys betreiben vier Standorte in Dortmund und planen weitere im Ruhrgebiet.
Der Markt boomt
Der Coworking-Markt boomt in Deutschland. 44 Prozent der Anbieter auf dem deutschen Markt wollen expandieren, also weitere Standorte bauen. Das förderte ebenfalls die Deskmag-Studie zutage. Ein Wachstumsmarkt: Deutsche Anbieter rechnen mit mehr Kunden, wollen mehr Veranstaltungen organisieren, weitere Filialen eröffnen.
Im Büroraum von 7pKonzepte klebt eine Bergfelsen-Tapete wandhoch. Daniel Timmermann, der als Werkstudent die Facebook-Seite von Borussia Dortmund aufbaute, macht das Marketing, sein Geschäftspartner Matthäus Schmedding die IT. Die im Januar 2017 gegründete Firma wächst rasant. „Aktuell sind wir zu acht mit unserem Entwickler Alex, unserer Auszubildenden Maya und den Werkstudenten“, sagt der 29-jährige Timmermann. Das Team arbeite „am größten Wurf der kurzen Firmengeschichte“, einer Plattform. „Im Work Inn kann man sich austauschen, auch in Ruhe arbeiten“, sagt der Marketing-Experte. 19 Prozent der Coworker sind Gründer laut der Deskmag-Erhebung.
Viele schätzen die Gemeinschaft
Derweil trinkt Marie Sist im Gemeinschaftsraum einen Tee. Seit 20 Jahren ist die Französin, die in Dortmund lebt, Coach, vor allem für Gründerinnen. „Dass man miteinander spricht, sich auch gegenseitig unterstützt, motiviert mich“, sagt die 41-Jährige.
Das Durchschnittsalter der Coworker liegt bundesweit bei 38 Jahren. 70 Prozent entscheiden sich für einen solchen Arbeitsort, weil sie die Gemeinschaft schätzen. Das ergab eine weltweite Umfrage im Jahr 2017.
Marie Sists Augen lächeln hinter der schwarzen Brille. „Weil jeder hier sitzt und arbeitet, bleibe ich auch im Fluss“, erklärt die Mutter zweier Kinder (13, 15). „Im Schnitt bin ich drei Mal die Woche da. Ich brauche die Struktur, dieses Gemeinsame“, sagt die Französin. „Ich habe hier Mentoren, Kunden, auch Freunde gefunden.“
>>> Im Oktober geht’s in Oberhausen los
Auf dem ehemaligen Babcock-Gelände eröffnet das Unternehmen „Work Inn“ bald einen neuenCoworking-Platz und verspricht Flair der 1950er Jahre.
Auf 1000 Quadratmetern können bis zu 90 Personen und zeitgleich 55 Personen arbeiten. Offiziell geht es im Oktober los, im September können erste Coworking-Willige sich einmieten.
Die Preise starten bei 19 Euro am Tag für Einzelplätze, 400 Euro im Monat für ein Büro. Nähere Infos auf der Internetseite workinn.de/oberhausen