Bochum. Die Pandemie erlebt Mandy Miersch hautnah: Als Altenpflegerin arbeitet sie im Heinrich-König-Zentrum in Bochum – oft bis ans Ende ihrer Kräfte.
Harte Monate liegen hinter Mandy Miersch, Pflegefachkraft im Heinrich-König-Seniorenzentrum in Bochum-Weitmar: Die Corona-Pandemie hat ihren ohnehin schon schweren Alltag komplett auf den Kopf gestellt. Seit einem Jahr gehen Miersch und ihre Kolleginnen und Kollegen in der Altenpflege Tag für Tag an ihre Grenzen, um die besonders gefährdeten Menschen zu schützen, und dies lange Zeit unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit. Erst die Impfung brachte ihnen wieder etwas Stabilität.
„Die Situation ist enorm belastend“, sagt sie. „Ich hätte nie gedacht, so etwas einmal zu erleben.“ Doch während Altenpfleger wie Mandy Miersch zu Beginn der Krise noch gefeiert und beklatscht wurden, habe die Anerkennung für ihren aufreibenden Job inzwischen merklich nachgelassen. „Das war nur ein kurzer Hype“, sagt sie etwas zerknirscht. Eine starke Frau – und eine echte Corona-Heldin.
Mein Corona-Jahr
Seit sechs Jahren arbeitet Mandy Miersch (34) als Altenpflegerin im Heinrich-König-Zentrum, mittlerweile ist sie stellvertretende Pflegedienstleiterin. Die ehemalige Arzthelferin mag die Herausforderungen, die diese Arbeit mit sich bringt – und sie mag die alten Menschen, um die sie sich aufopfernd kümmert.
Das Coronavirus hat alles verändert: Im vergangenen Frühjahr war das Heinrich-König-Zentrum eine der ersten Einrichtungen, die von der Pandemie besonders betroffen waren. Neun Bewohner starben hier in Folge von Covid-19. Miersch nimmt die Erinnerung an diese Zeit noch immer mit: „Wir mussten Schutzausrüstungen mit Hauben, Brillen, Handschuhen und wasserdichten Kitteln tragen“, erzählt sie. „Man sieht die Menschen, die man teilweise seit Jahren kennt, wie sie krank in ihren Betten liegen, und fühlt sich vollkommen machtlos.“
Schwer sei die Zeit auch gewesen, weil der Umgang mit dem unbekannten Virus für alle Mitarbeiter neu war. „Da denkt man, dass man gut geschult und gut aufgestellt ist, und stößt immer wieder an seine Grenzen“, erzählt Miersch. „Das ist beängstigend.“
Um keinen ihrer Freunde und Angehörigen einer möglichen Infektion auszusetzen, musste sie ihr Privatleben komplett herunterfahren: „Ich hatte wochenlang kaum private Kontakte, einfach aus Respekt vor der Situation.“ Dafür habe sie auch spät am Abend noch viel mit den Kollegen telefoniert: „Man kann dann einfach nicht abschalten. Als Team hat uns diese Zeit enorm zusammengeschweißt.“
Hinzu kommen für Mandy Miersch eine Menge organisatorischer Aufgaben, an die man als Laie gar nicht denkt: „Wir müssen für die Lüftung, Reinigung und Desinfektion sorgen. Es gibt Mundschutz-Wechsellisten, jede Kontaktfläche wird abgewischt. Daneben läuft die normale Arbeit natürlich weiter.“
Mittlerweile sind im Heinrich-König-Zentrum sämtliche Bewohner und Mitarbeiter geimpft, keiner ist mehr an Corona erkrankt. Das habe einiges zur Entspannung beigetragen, obwohl die Furcht vor dem Virus weiter den Alltag bestimmt. „Wir sind hypervorsichtig geworden. Wenn neue Bewohner kommen, sind die manchmal noch nicht geimpft. Und man braucht sechs neue Bewohner, um eine Ampulle des Impfstoffs von Biontech zu bekommen.“
Das macht mich wütend
Als die Awo-Einrichtung zu Beginn der Krise zum Corona-Hotspot wurde, stand das Haus eine Weile in den Schlagzeilen. Auch die WAZ berichtete darüber. „Das hat mich ärgerlich gemacht, weil wir in den Medien plötzlich als Übeltäter dargestellt wurden“, sagt Mandy Miersch. „Dabei hatten wir uns gar nichts vorzuwerfen.“ Dass das Coronavirus hier besonders grassierte, sei rückblickend vermutlich reiner Zufall gewesen.
Das gibt mir Hoffnung
Mit steigender Impfquote hofft Mandy Miersch auf ein baldiges Ende des permanenten Ausnahmezustandes. „Ein bisschen mehr Lebensqualität wäre schön“, sagt sie. Fest geplant ist, dass zum 1. Juni das Café der Altenheims wieder öffnen soll. „Ein Sommerfest mit allen Bewohnern im Garten wäre schön“, sagt sie. „Das hätten wir uns wirklich verdient.“
Info: Serie "Corona-Helden"
In unserer Serie "Corona-Helden" porträtieren wir Menschen, die sich während der Corona-Krise besonders um andere verdient gemacht haben, aber oft im Schatten stehen - wie Busfahrer, Putzkräfte, Kassierer und Paketboten.
Im Heinrich-König-Zentrum am Wabenweg 14-16 in Weitmar-Mark wohnen 108 Senioren. Meistens ist die Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt, die 1984 eröffnet wurde, voll belegt. Infos: heinrich-koenig-sz.awo-ww.de