Bochum-Weitmar. Neun Senioren starben im Heinrich-König-Zentrum in Bochum am Coronavirus. Langsam erholt sich das Altenheim – und findet zurück zur Normalität.

Die Seniorinnen Helma Scharfenberger und Elisabeth Freund sitzen mit Ursula Scherner, Leiterin des Heinrich-König-Zentrums in Bochum-Weitmar, im Garten hinter dem Haus. Die Sonne scheint, es gibt kühle Getränke, ein Korb mit frischem Obst steht auf dem Tisch. Im Hintergrund hört man einen Alleinunterhalter „An der Nordseeküste“ singen. Alle sind entspannt. Das war im Frühjahr noch ganz anders, als neun Bewohner am Coronavirus gestorben sind.

Corona-Tote im Bochumer Seniorenheim: Der lange Weg zurück zur Normalität

Eine schlimme Zeit. Und die Auswirkungen sind bis heute spürbar. „Unser Ruf hat sehr gelitten“, sagt Ursula Scherner, die selbst zwei Wochen in Quarantäne musste, weil sie Kontakt zu einem infizierten Bewohner hatte. Dabei habe man sich gar nichts vorzuwerfen, beteuert sie. Dass das Coronavirus in der Awo-Einrichtung am Wabenweg besonders heftig wütete – reiner Zufall, einfach Pech. „Wir haben uns an alle Vorgaben gehalten und immer eng mit dem Gesundheitsamt zusammengearbeitet“, erklärt Scherner.

Das Heinrich-König-Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt am Wabenweg in Bochum-Weitmar geriet im Frühjahr negativ in die Schlagzeilen. Das Coronavirus forderte hier neun Todesopfer.
Das Heinrich-König-Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt am Wabenweg in Bochum-Weitmar geriet im Frühjahr negativ in die Schlagzeilen. Das Coronavirus forderte hier neun Todesopfer. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Dieser Linie bleibt das Heinrich-König-Zentrum bis heute treu. „Wir befolgen weiter strikt alle Anweisungen“, versichert Ursula Scherner. Bei der Hygiene habe man „enorm aufgerüstet“. In jedem Flur hängt jetzt – endlich – ein Desinfektionsspender; zusätzlich zu denen, die es ohnehin schon gab. „Wir haben sie im März bestellt, jetzt wurden sie endlich geliefert...“

Auch interessant

Am schlimmsten war die Isolation“, beschreiben die Bewohnerinnen Helma Scharfenberger (91) und Elisabeth Freund (fast 74) die Zeit in der Corona-Krise. Alle Senioren mussten auf ihren Zimmern bleiben. „Es gab keine Kommunikation, man hatte niemanden zum Reden.“ Bis auf das Pflegepersonal, „das auch immer sofort kam, wenn man geklingelt hat“, lobt Elisabeth Freund die Betreuung speziell in der schwierigen Phase.

Aktuelle Nachrichten aus Bochum – jetzt den kostenlosen Newsletter abonnieren

Nun ist man auf dem Weg zurück in den Alltag. Der anders ist als vorher. Die Senioren bleiben weiter in ihren Wohnbereichen und auch beim Essen unter sich. Aber es besteht immer die Möglichkeit, sich mit Bewohnern aus anderen Etagen im Garten zu einem Plausch zu treffen. Und es darf seit Anfang Juli ja wieder Besuch empfangen werden. „Der Kontakt zur Familie ist das Wichtigste“, sagt Elisabeth Freund.

Viel Unterstützung und Aufmunterung

Um auch in der Corona-Zeit für möglichst gute Stimmung zu sorgen, hat sich das Personal viel einfallen lassen. Das ausgefallene Sommerfest wurde auf jeder Station einzeln gefeiert. Der Eiswagen kommt vorbei, vor dem Haus gibt es Konzerte und beim Speisenplan wurde gerade in der schwierigen Zeit immer wieder ein Auge zugedrückt. „Für die gute Laune gab es dann Kuchen, Kekse und auch mal Bier und Wein“, wundert sich Einrichtungsleiterin Ursula Scherner nicht, dass einige Anwohner aktuell ein paar Pfund mehr auf den Rippen haben.

Auch aus der Nachbarschaft gab es viel Unterstützung und Aufmunterung. Die Frauen vom Zonta-Club brachten Zeitschriften mit vielen Kreuzworträtseln und kleine Tagebücher, Kindergartenkinder bastelten für die Senioren, es wurden Schutzmasken für uns angefertigt, Briefe gegen die Einsamkeit geschrieben, es gab Kaffee- und Bierspenden usw.“, freut sich Ursula Scherner über die große Solidarität.

Auch hier gelten strenge Regeln. Nur zwei Besucher dürfen empfangen werden. Sie werden von einem Mitarbeiter des Hauses vom Eingang bis zum Zimmer des Bewohners gebracht. Vorher werden die Hände desinfiziert, Fieber gemessen und die Personalien aufgenommen. „Alle zeigen Verständnis für die Sicherheitsvorkehrungen“, lobt Ursula Scherner, die weiß: „Es kann uns ja immer wieder treffen.“ Die aktuellen Infektionszahlen zeigten ja eindeutig, dass die Gefahr nicht gebannt ist. Aber im Heinrich-König-Zentrum tut man alles dafür, dass das Risiko von Ansteckungen minimal ist.

Hier finden Sie unsere interaktive NRW-Karte mit allen aktuellen Corona-Fallzahlen

Die Bewohner spielen dabei eine große Rolle. „Sie passen selbst auf, dass sich auch ja jeder die Hände desinfiziert und dass alle Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden“, berichtet Ursula Scherner. „Das klappt wirklich prima.“ Helma Scharfenberger und Elisabeth Freund können der Corona-Krise sogar etwas Gutes abgewinnen. „Wir alle sind hier ein gutes Stück näher zusammengerückt. Das, was passiert ist, hat und noch mehr zusammengeschweißt.“

Auch interessant

Jetzt freut man sich, wieder in der Normalität angelangt zu sein. „Neue Normalität“, korrigiert Ursula Scherner, die weiter Vorsicht anmahnt: „Corona hat uns damals kalt erwischt. Das soll nicht noch einmal passieren.“

Weitere Nachrichten aus Bochum lesen Sie hier.