Bochum. Die Stadtgestalter haben sich in Bochum mit „Die Partei“ verbündet. Nun fordern sie die Verkehrswende und Joints. Kann man sie ernst nehmen?
Von der Seilbahn bis zum Cannabis-Projekt – kann man diese neue Fraktion im Bochumer Rat aus Stadtgestaltern und „Die Partei“ überhaupt ernst nehmen? Thomas Schmitt und Karoline Poll sprachen darüber mit Volker Steude und Carsten Bachert-Schneider (beide Stadtgestalter) und Paul Tobias Dahlmann und Timm Schmieder (Die Partei).
Seit dem Dezember bilden die Stadtgestalter und „Die Partei“ in Bochum eine Fraktion. Während die Stadtgestalter (immer noch) um eine Seilbahn kämpfen, fordert die Partei einen Weltraumbahnhof. Warum lag da eine Zusammenarbeit nah?
Steude: Wir liegen inhaltlich nah beieinander, haben nur eine andere Herangehensweise. Während wir Stadtgestalter eher die rational-technischen Menschen sind, betrachtet die Partei das unter einem satirischen Blickwinkel.
Schmieder: Wir verfolgen das gleiche Ziel: Politik interessant zu gestalten. Die Satire ist für uns ein Stilmittel.
Bachert-Schneider: Es ist durchaus eine Beziehung auf Augenhöhe, keine Zweckgemeinschaft. Wir waren uns schnell einig, dass wir uns umsehen, mit wem wir zusammenarbeiten. Auch die FDP war im Gespräch. Wir haben bei der Partei gelernt, dass die Inhalte ähnlich sind. Insbesondere war die persönliche Ebene eine sehr gute. Gespräche haben am 16. September (drei Tage nach der Kommunalwahl, Anm. d. Red.) begonnen.
Davon wussten die Parteien nichts. Als Fraktion haben Sie sich erst deutlich später offenbart. Das führte dazu, dass Ausschüsse neu gewählt werden mussten, was auch aus Corona-Gründen bei den politischen Gegnern nicht gut angekommen ist.
Steude: Für uns war es wichtig, dass wir in den Ausschüssen sind. Ich weiß, es ist in der Bochumer Politik üblich, dass sich die Kleinen unterordnen. Wir haben aber ein Anrecht in Ausschüssen zu partizipieren und unsere Positionen, für die unsere Wähler uns gewählt haben, dort unterzubringen.
Wenn die Gespräche schon so früh geführt wurden: Warum haben Sie erst eine Ratssitzung verstreichen lassen, bevor Sie sich als Fraktion anerkennen lassen haben?
Steude: Es dauert halt, wenn zwei Partner zusammenkommen wollen. Das bedarf vieler Gespräche. Da muss man sich die Zeit nehmen.
Dahlmann: Wir sind neu dabei und haben länger gebraucht. Wir brauchten Zeit, um die Stadtgestalter einzuordnen, weil wir sie sonst immer in einer Fraktion mit der FDP wahrgenommen haben. Neoliberale gibt es bei uns ansonsten nicht so wirklich. Deshalb mussten erst einmal Vorbehalte ausgeräumt worden.
Herr Steude, Sie sind, was Satire angeht, doch ein gebranntes Kind. 2012 haben Sie versucht, mit Pornodarstellerinnen Bäume vor dem geplanten Musikforum zu retten. Das kam nicht gut an. Haben Sie denn nicht Angst, den Fehler zu wiederholen?
Steude: Nein. Man lernt aus Dingen. Man kann durchaus Dinge satirisch angehen.
Das versteht aber nun einmal nicht jeder. Wenn Sie sich, wie oft betont, für Bürger einsetzen wollen, muss es da nicht ihr erstes Ansinnen sein, verstanden zu werden?
Schmieder: Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir bei Anträgen im Rat auf Satire verzichten. Aber manchmal wollen wir auch nicht verstanden werden. Die Menschen sollen darüber reden. Das bringt sie wieder näher zu Politik.
Und dann schlagen Sie Joints für die Politik nach Sitzungen im Rat vor. Machen Sie sich nicht lächerlich?
Bachert-Schneider: In der Vergangenheit war es nach den Ratssitzungen üblich, dass Alkohol gereicht wurde. Das sollte man auch mal hinterfragen und war der Grund für unsere Satire. Dass ernsthaft vor dem Rat Joints verteilt werden, würde mich sehr überraschen. Dass da Ironie nicht rübergekommen ist, bezweifele ich.
Steude: Der Antrag, der dahinter steht, ist ja durchaus ein ernster. Wir setzen uns dafür ein, dass wir dieses Cannabis-Modellprojekt bekommen.
Wie ist es bei Ihren Mitgliedern angekommen, dass Sie nun als Fraktion auftreten?
Schmieder: Bei uns wurde sehr kontrovers diskutiert.
Steude: Die Unterschiede sind bei uns nicht so groß wie bei der CDU, wo ein Teil die AfD in den Aufsichtsrat der Sparkasse wählt. Bei uns geht es eher um persönliche Dinge.
Beim Thema Mobilität sind Sie sich sehr einig. Sie setzen sich ein für weniger Auto- und mehr Radverkehr. Außerdem gibt es bei den Stadtgestaltern ein Lieblingsprojekt: die Seilbahn. Unterstützen Sie das, Herr Dahlmann?
Dahlmann: Wir wollen sogar einen Weltraumaufzug für Bochum.
Und nun im Ernst: Was sollen Sie beim Verkehr in Bochum vorantreiben?
Dahlmann: Wir wollen Straßenbahnen verlängern.
Die Linie 310 ist nun fast fertig, aus 30 Millionen sind 60 Millionen Euro Investitionskosten geworden. Haben Sie Ideen, wie ihr Plan finanziert werden soll?
Bachert-Schneider: Es wäre deutlich einfacher, Gelder für Straßenbahnen auszugeben, wenn man nicht zig Millionen Euro in abenteuerliche Aktivitäten bei der Steag gesetzt hätte. Wir hätten mehr Spielraum in der Bochumer Politik, wenn das ein oder andere eine Spur professioneller gehandhabt würde.
Steude: Wir haben uns nie um eine Vergrößerung des Netzes gekümmert. Diese Projekte müssen angemeldet werden und werden dann zu 90 Prozent vom Land finanziert. Das letzte Projekt war die Verlegung der Straßenbahn durch Langendreer. Davor haben wir irgendwann mal eine Straßenbahn zur Uni gebaut. Das war’s aber auch.
Was steht denn sonst noch bei Ihnen auf der Agenda?
Schmieder: Wir sind in Gesprächen mit den Obdachlosen-Vertretern, weil wir das Kältekonzept der Stadt nicht für ausreichend halten. Außerdem entdecken wir immer wieder Projekte in der Stadt, wo ein Mehrbedarf besteht. Da prüfen wir, woher das kommt. Es kann doch nicht sein, dass der Husemannplatz zwei Millionen Euro mehr kostet. Wir werden auch im Bereich Digitalisierung in Schulen den Finger in die Wunde legen.
Steude: Wir haben da im Mai schon gefordert, dass es einen Notfallplan gibt. Da ist die Wichtigkeit nicht erkannt worden. Das ärgert uns extrem. Wir müssen uns fragen, warum Solingen alle Schul-Standorte bis Ende 2020 anschließen kann und wir stehen da noch in den Startlöchern. Die Stadt ist nicht willens, die Digitalisierung an Schulen weiter voranzubringen, als es mit Fördermitteln möglich ist.
Schmieder: Wir haben ein Jahr Pandemie und es ist nichts passiert außer 3600 Tablets, die Schüler teilweise nicht mit nach Hause nehmen dürfen. Wie sollen wir dazu noch Satire machen?