Bochum-Langendreer. Erweiterte Strecke der Straßenbahnlinie 310 verbindet nach acht Jahren Bauzeit Witten und Bochum-Langendreer. Die meisten Kunden begrüßen das.
Obwohl Sonntag ist, hat Simon Scheuers Wecker schon um 8.30 Uhr geklingelt. Wer den 17-Jährigen kennt, der weiß, das kann nur einen Grund haben: Straßenbahnen. Und tatsächlich – Scheuer macht die Jungfernfahrt der 310 auf dem neuen Streckenabschnitt zwischen
Bochum-Langendreer Markt und Witten Heven Dorf.
„Es ist für mich etwas Besonderes, wenn eine neue Strecke eröffnet wird, außerdem bin ich Fan von Vario-Bahnen“, sagt Scheuer. Denn nicht nur Streckenführung ist neu: Moderne Niederflurbahnen verkehren künftig anstelle der vorherigen Hochflurbahnen über die Stadtgrenzen hinweg. 36 Minuten dauert die Fahrt bis nach Heven Dorf, schon nach fünf Minuten hat man mit „Auf dem Jäger“ die letzte Bochumer Haltestelle erreicht, gestoppt wird unter anderem am Betriebshof Witten, am Marienhospital, am Wittener Rathaus und an der Sprockhöveler Straße. Die Haltestelle Papenholz kann aktuell wegen Straßenbauarbeiten noch nicht bedient werden, bis Ende des Jahres soll sich das ändern.
Eigentlich war eine Feier für die Bochumer Gäste geplant
„Witten und Langendreer sind eng verbunden – durch Freundeskreise, Berufspendler oder Kulturveranstaltungen“, sagt Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann. Das bilde die 310 nun auch im ÖPNV ab. „Fahrgäste müssen nun nicht mehr in Busse umsteigen, sondern können direkt zwischen Langendreer und Witten verkehren“, so Kollmann.
Die Erweiterung, für die eigentlich Eröffnungsfeier samt Taufe geplant waren, hat weitere Straßenbahn-Fans angelockt: „Ein bisschen Nostalgie geht mit den historischen Bahnen verloren, aber die Modernisierung des ÖPNV ist nötig, um Autos unattraktiver zu machen“, findet Joachim Bockfeld, dessen Vater Straßenbahnführer war. Playmobil-Modellbauer Michael Lukowski sagt: „Endlich ist die Strecke fertig, es hat ja lange genug gedauert“.
Drei Jahre Verzögerung
Die einst geplanten fünf Jahre Bauzeit verzögerten sich mehrfach, schließlich dauerte es acht Jahre – schuld waren unerwartete Glasfaserkabel im Boden oder geänderte Brückenbaupläne am Crengeldanz. Eingefleischter Straßenbahnfan muss man für die Jungfernfahrt jedoch nicht sein, es sind auch solche Fahrgäste an Bord, die „einfach mal gucken“ wollen – etwa Ulrich Brameier. „Ich bin regelmäßig in Witten und freue mich deshalb über die Erweiterung“, sagt er.
Marlies Potthoff kann sich noch daran erinnern, wie die Verbindung zwischen Witten und Bochum Ende der 1960er Jahre zurückgebaut wurde, nun sagt sie: „Der Alltag wird zeigen, ob die erneute Verbindung sinnvoll ist.“ Kiyoshi Jakubeit findet: „Die alte Strecke der 310 durch Bochum Kaltehardt hat mir zwar landschaftlich besser gefallen, aber die neue Streckenführung durch Langendreer hindurch ist natürlich sinnvoller.“
Straßenbahnen als Rückgrat
Bevor die 310 Langendreer und Witten verband, bog sie von der Wittener Straße kommend an der Unterstraße rechts ab, fuhr über die Universtitätsstraße zur Baroperstraße und schließlich über den Honnengraben zum Papenholz. Dabei war für die Fahrgäste streckenweise viel Wald zu sehen. Ende 2019 wurde diese Strecke jedoch geschlossen, in Witten verkehrten noch bis Ende September 2020 Bahnen zwischen Crengeldanz und Heven Dorf.
„Straßenbahnen sind quasi das Rückgrat des ÖPNV-Netzes, Busse ihre Zulieferer“, sagt Kollmann. Die alte Strecke sei nicht geschlossen worden, ohne die dort lebenden Menschen anzubinden: „Die Busse 355 und 364 fahren zu der 310“, erklärt Kollmann. Das konnte auch Fahrgast Frank Sieg überzeugen: „Am Anfang war ich gegen die Erweiterung, weil die Einschränkungen während der Bauarbeiten für mich als Markthändler Umsatzeinbußen bedeuteten. Mittlerweile sehe ich die neue Strecke aber als Bereicherung für den Stadtteil.“
Straßenbahnfahrer Norbert Wilde freut sich über die Abwechslung, die ihm die neue Strecke bringt: „Ich fahre seit 33 Jahren Straßenbahn, nun muss ich mich erst einmal an die neue Strecke gewöhnen und ein Gefühl dafür bekommen, wo die ganzen Haltestellen liegen.“ Bei der Jungfernfahrt gibt es Hilfe: Über die gesamte Strecke hinweg stehen Menschen immer wieder am Fahrbahnrand und machen Fotos von der neuen Linie.
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