Mülheim. Das lange Warten auf den jecken Höhepunkt hatte ein Ende: Der Rosenmontagszug schlängelte sich wieder durch Mülheim. Das erlebten die Besucher.
„Jetzt geht’s los“ singen die Höhner, vom Band schallt der Karnevalssong aus den großen Boxen vor dem Altenhof und doch stimmt das nicht so ganz. Denn wie Kaugummi zieht sich die Wartezeit für die kleinen und großen Jecken, die sich entlang der Route des Rosenmontagszugs in der Mülheimer Innenstadt aufgereiht haben. Die etwa dreijährige Erdbeere zupft gelangweilt an der Jacke ihrer Mutter, die Giraffe reckt den Hals, das flauschige blaue Krümelmonster kratzt sich am Kopf. Immer noch keine Karnevalswagen in Sicht, also noch mal „Jetzt geht’s los“ in Dauerschleife aus den Lautsprechern. Am Ende flogen sogar Böller, die Polizei musste einschreiten.
An der Mülheimer Rosenmontagsroute gibt es nach der Corona-Pause Wiedersehen
Mönch Sascha (32) und Maria Magdalena (44) – nein, nicht als Nonne, sondern als Rockröhre der 80er – „Du darfst mich Madonna nennen“ – vertreiben sich die Zeit mit einem Bierchen. Tradition sei es für sie, an Rosenmontag zur Kaiserstraße zu kommen. „Hier herrscht immer eine schöne Gemeinschaft, man trifft Leute, die man sonst das ganze Jahr über nicht sieht – jetzt können wir endlich wieder zusammen feiern“, sagt die 44-Jährige unter der blondierten Perücke.
Endlich „kütt d’r Zoch“, mit gut 20 Minuten Verspätung. Ex-Stadtprinz Max Fischer hatte als Moderator zuvor durchgesagt, eine Baustelle sei Grund für die Verzögerung – „als ob wir in der Mülheimer Innenstadt Baustellen hätten.“ Mit dem Spruch hatte er die Lacher der Wartenden natürlich auf seiner Seite.
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Dass der Karnevalswagen der KJG kurz einen Platten gehabt hat und deshalb nach dem Aufpumpen am Zugende wieder eingefädelt werden musste, war aber so wenig wie eine Baustelle Ursache der Verspätung: Wie die Veranstalter später mitteilten, soll es ein Autofahrer gewesen sein, der unbeabsichtigt auf die Rosenmontagsroute geraten war und so den Start verzögert hatte.
Farbenfrohe Clowns leuchten gegen das Grau des Himmels an
Das bisschen Warten halten sie nun auch noch aus, nachdem sie zwei Jahre ohne Karneval auskommen mussten. Umso mehr genießen Heidrun und Anke, dass es endlich wieder närrisch zugeht. Die beiden Endfünfzigerinnen stehen strahlend an der Zugstrecke, ihre Augen leuchten mit den knalligen Farben ihrer Clowns-Kostüme um die Wette. Auch Alina, fantasievoll kostümiert, hat sichtlich Spaß. Sie kommt aus der Ukraine, erzählt die 31-Jährige in beachtlich gutem Deutsch, kennt Karneval aus ihrer Heimat nicht, ist aber begeistert angesichts der unbeschwerten guten Laune.
Geschafft, aber glücklich ist die kleine Pandabären-Familie, nachdem der Zug abgefahren ist. Eigentlich hatten sie ihre tierischen Kostüme schon vor drei Jahren ausführen wollen, erzählt Mutter Romina, dann aber kam die Pandemie und die Pandas blieben im Schrank. Jetzt aber hatten die schwarz-weißen Verkleidungen ihren großen Auftritt.
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Der kleine Panda Miro, sechs Jahre alt, zeigt stolz die prall gefüllte Tüte voller Kamelle, die er geschnappt hat. Seine Eltern sind mit ihrem Sohn extra aus Essen zum Mülheimer Umzug gekommen, denn, sagt die 40-Jährige: „In Essen ist es an den Straßen so eng, hier in Mülheim empfinde ich das als entspannter."
Familienfreundliche Zone beim Mülheimer Rosenmontagszug
Besonders familienfreundlich ging es derweil auf dem Rathausmarkt zu – dort war wieder eine Zone für Eltern und Kinder eingerichtet, bei der Alkohol und Zigaretten draußen bleibe mussten. Die Eltern des kleinen Ninjas Ben finden das Angebot genau richtig, denn: „Wir waren früher auch immer mittendrin feiern und wissen, dass es da mitunter hoch hergeht.“ Das sollte ihr fünfjähriger Sohn bei seinem ersten Rosenmontagszug nicht schon erleben, sagt Mutter Bianca. Friedlich und behütet bestaunten so die kleinen Einhörner, Drachen, Löwen, Bienchen und Prinzessinnen die Karnevalswagen und wurden nicht müde Kamelle zu sammeln.
Fazit für Mülheimer Rosenmontagszug fällt weitestgehend positiv aus
Am Ende des Tages ziehen die Veranstalter dann auch ein durchweg positives Fazit. Rund 30.000 Besucher hätten in diesem Jahr wieder einen Rosenmontagsumzug ohne größere Vorkommnisse genießen können. Oberbürgermeister Marc Buchholz zeigte sich bei der abschließenden Pressekonferenz im Restaurant Caruso doppelt froh über den Tag: „Die Leute hatten Spaß und wollten nach zwei Jahren Corona endlich wieder einen Umzug erleben.“
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Und ihm selbst sei es eine Freude gewesen, zum ersten Mal als Oberbürgermeister auf einem Wagen mitgefahren zu sein. „Karneval, wie wir es uns wünschen“, sei es gewesen, so Buchholz, der damit den Tenor aller beteiligten Vereine trifft.
Auch für den Stadtprinzen Kevin Bongartz sei es „ein Highlight“ gewesen, dieses Jahr auf dem Wagen mit dabei gewesen zu sein. Alles sei glatt gelaufen, und die Kamelle gelandet, wo sie hingehört: „Es ist nichts auf den Straßen liegengeblieben.“
Nachdem der Zug vorbei war, wurden in der Innenstadt Böller gezündet
Die Polizei hatte hingegen einiges zu tun entlang des Mülheimer Rosenmontagszuges: Auf der Leineweberstraße wurde den Angaben der Einsatzkräfte zufolge ein Böller gezündet und auf die Straße geworfen, nachdem der Zug die Örtlichkeit bereits passiert hatte. Beamte schrieben eine Strafanzeige wegen des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz. Außerdem ermittelt die Polizei wegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung, denn auf der Straße Löhberg wurde ein Böller nach Ende des Zuges in eine Personengruppe geworfen.