Mülheim. Mülheims „Stücke 2021“ starten Donnerstag mit einem Stück von Christine Umpfenbach. Es geht um das Oktoberfest-Attentat von 1980 und die Folgen.

Mit einem Drama der in München geborenen Christine Umpfenbach (Jahrgang 1971) werden die diesjährigen Mülheimer Theatertage eröffnet. Die Autorin und Regisseurin studierte Bühnenbild in Berlin und Regie in London. Ihren dokumentarischen Projekten geht immer eine intensive Recherche voraus.

Dabei stellt sie individuelle Biografien von Zeitzeugen in den Vordergrund. 2014 beispielsweise realisierte sie am Münchner Residenztheater „Urteile“, ein Stück zum NSU-Prozess aus der Perspektive der Angehörigen der Opfer der NSU. „9/26 - Das Oktoberfestattentat“ lässt ebenfalls Opfer zu Wort kommen.

Als Neunjährige von Attentat schockiert

Mit „9/26 – Das Oktoberfestattentat“ sind Sie zum ersten Mal in Mülheim dabei. Mit wem haben Sie auf die Nominierung angestoßen?

Ich habe es erst mal nicht geglaubt, deswegen habe ich abgewartet, ob es wirklich stimmt. Nach und nach habe ich dann mit Menschen, die mir wichtig sind, gefeiert.

Worum geht es in Ihrem Stück?

Die Autorin Christine Umpfenbach ist beim „Stücke“-Wettbewerb 2021 dabei
Die Autorin Christine Umpfenbach ist beim „Stücke“-Wettbewerb 2021 dabei © Stücke | Andrea Huber

In dem Stück „9/ 26 – Das Oktoberfestattentat“ geht es um die Perspektive der Überlebenden. Am 26. September 1980 kam es um 22.19 Uhr zu einer Explosion am Haupteingang des Oktoberfests in München. 221 Menschen wurden verletzt, zwölf Menschen getötet. Der rechtsradikale Täter Gundolf Köhler starb selber bei dem Attentat. Erst 40 Jahre später wurde es als rechtsterroristischer Anschlag anerkannt, jedoch wurden Mittäter bis heute nicht gefunden, obwohl Vieles dafür spricht, dass es nicht die Tat eines Einzeltäters war.

Sie sind in München großgeworden. Erinnern Sie sich an das Oktoberfest-Attentat im Herbst 1980?

Ich war neun Jahre alt und erinnere mich an das Foto in der Zeitung, die mein Vater am nächsten Morgen las. Das Foto hat mich sehr schockiert.

Stimmen von Betroffenen hören

Welche Rolle kann das Theater für kollektives Erinnern spielen?

Im Theater ist es möglich, mit Menschen zu arbeiten, die ein bestimmtes Ereignis erlebt haben. Häufig hört man die Stimmen von Betroffenen nicht. Man kann mit Erinnerung lebendig umgehen, es gibt Raum für Emotionen, Nichtgeklärtes, Nichtgelebtes. Es kann offengelegt werden, wer aus welcher Perspektive spricht.

Welches historische Ereignis möchten Sie noch auf die Theaterbühne bringen?

Da es in meinen letzten Projekten darum ging, auf Kontinuitäten rechter Gewalt hinzuweisen, möchte ich gern den rassistisch motivierten Anschlag am 22. Juli 2016 am und im Olympia-Einkaufszentrum in München bearbeiten. Auch aus der Perspektive der Hinterbliebenen. Ein 18-Jähriger tötete neun Menschen.

Wo können Sie am besten abschalten?

Im Wald.

„Stücke“-Eröffnung

Die „Stücke 2021“ werden am Donnerstag, 13. Mai, um 19 Uhr digital eröffnet. Mit Grußworten von Isabel Pfeiffer-Poensgen, Kulturministerin in NRW, Peter Vermeulen, Mülheimer Kulturdezernent, und Stephanie Steinberg, Stücke-Leiterin.Danach gibt Harald Wolff, Dramaturg der Münchner Kammerspiele, eine kurze Einführung in die Eröffnungsinszenierung von Christine Umpfenbach. Das Streaming des Stücks wird von einem Live-Zoom-Kommentar durch den Dramaturgen begleitet.Anschließend moderiert Theaterkritiker Sven Ricklefs ein Live-Zoom-Nachgespräch mit Christine Umpfenbach und Ensemble.Bis zum 29. Mai konkurrieren sieben Autoren um den mit 15.000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikerpreis. Vimeo-Links sind auf der Stücke-Website kostenfrei abrufbar: stuecke.de.

Wenn Sie eine Zeitreise machen könnten: Wohin würde diese Sie bringen?

In die 20er Jahre. Aber die waren nur kurz gut, danach wurde die Zeit unvorstellbar gewalttätig, so dass ich mir wünschte, die Zeit hätte nie stattgefunden. Deswegen bleibe ich doch lieber im Hier und Jetzt.

Das Stück ist von Donnerstag, 13. Mai, 19.30 Uhr bis Freitag, 14. Mai, 24 Uhr als Video auf stuecke.de abrufbar.