Mülheim. Die älteste Urkunde im Mülheimer Stadtarchiv ist eine Schenkungsurkunde. Erzbischof Engelbert I. übertrug den Zisterzienserinnen ein Stück Wald.

Die älteste Original-Urkunde, die im Mülheimer Stadtarchiv vorhanden ist, ist mittlerweile genau 800 Jahre alt. Sie wurde 1221 ausgestellt. „Erzbischof Engelbert I. von Köln ließ für das neu gegründete Zisterzienserinnen-Kloster St. Maria Saal eine Urkunde ausfertigen, mit der er dem Konvent eine Schenkung bestätigte“, berichtet Dr. Stefan Pätzold, Archivleiter. Die Nonnen erhielten ein Stück Wald – genannt Wald Buchel – südlich der Klosteranlage (im heutigen Saarn).

Siedlungskerne gab es schon im frühen Mittelalter

Das Pergamentblatt – etwa 29 mal 47,5 Zentimeter groß – hat Stefan Pätzold seit Oktober 2020 ganz genau studiert. Er hat einen Aufsatz dazu verfasst und einen Vortrag konzipiert. Letzteren wollte er eigentlich am 25. März im Haus der Stadtgeschichte halten – nun klappt es wegen Corona leider doch nicht. Dafür gibt es die spannenden Informationen aus lang vergangenen Zeiten aber auf Video auf der Webseite des Stadtarchivs (voraussichtlich ab 22. März).

„Ich bin leidenschaftlicher Mittelalterhistoriker. Als ich im Mai 2020 nach Mülheim gewechselt bin, lag es nahe, sich zunächst mit der Geschichte des Ortes zu befassen. Mülheim wurde zwar erst 1808 zur sogenannten Municipalité, also Stadt erhoben, die Geschichte einzelner Siedlungskerne reicht aber bis ins frühe Mittelalter zurück. Auch die etwas nebulöse Geschichte von Kloster Saarn interessierte mich. Und es war daher spannend zu sehen, dass die älteste Original-Urkunde im Stadtarchiv mit der Klostergründung zu tun hat“, berichtet Stefan Pätzold.

Schenkung ist eigentlich eine „Unverschämtheit“

Es ist eine Schenkungsurkunde, die genauer betrachtet „eine Unverschämtheit“ dokumentiert, so der Archivleiter. Denn Erzbischof Engelbert I. – fromm, autoritär, rücksichtlos, aber ein Förderer der religiösen Frauenbewegungen seiner Zeit – schenkte den Nonnen nicht etwa etwas aus seinem eigenen Besitz, sondern er drängte andere geistliche und weltliche Personen aus der Umgebung unter Strafandrohung dazu, etwas von ihrem Besitz herzugeben. Das Waldstück Buchel gehörte zum Forst Saarn – und Wald war damals wertvoll. „Er hatte große Bedeutung für die Holzgewinnung und -verarbeitung, die Jagd und die Schweinemast und als Nahrungs- und Arzneimittellieferant“, erläutert Stefan Pätzold.

Für die zwar rechtlich abgesicherten, aber wirtschaftlich klammen Nonnen, war die Schenkung also eine große Hilfe. Die Urkunde wurde 1221 anlässlich der Weihe des neuen Klosterfriedhofs feierlich übergeben – in Anwesenheit verschiedenster Zeugen wie dem Domprobst von Köln oder Alexander, Edelherr von Linnep. Das Konvent war damals übrigens eines von 32 Frauenklöstern in der Erzdiözese. Wann genau es gegründet wurde, ist nicht zweifelsfrei belegt. „Es gibt keine klaren Daten und Fakten“, so Pätzold. Eine Urkunde von 1216, in der das Kloster erwähnt ist, wird in ihrer Echtheit bestritten. Verlässlichen Quellen zufolge war die Klostergründung aber 1223 endgültig abgeschlossen.

Echtheit wird nicht in Zweifel gezogen

Überhaupt keinen Fälschungsverdacht gibt es dagegen für die Schenkungsurkunde von 1221. „Sie ist in der damals üblichen Schrift, in geübter Handschrift verfasst – das weist auf einen professionellen Aussteller hin“, nennt Stefan Pätzold nur zwei von mehreren wichtigen Echtheitskriterien, die erfüllt sind. Auch gibt es die üblichen Formularfloskeln geistlicher Verfasser und entsprechende Siegel auf dem Papier.

Zur Vortragsreihe

In der Reihe zur Mülheimer Geschichte sind weitere Vorträge geplant - siehe www.stadtarchiv-mh.de.Bei vier Terminen handelt es sich um Vorträge, die wegen der Pandemie aus 2020 auf dieses Jahr verschoben wurden.Der Vortrag von Dr. Thomas Emons am 22. April über die Geschichte der Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft wird - je nach Corona-Inzidenzwert - möglicherweise auch nur als Video zu sehen sein.Wichtig: Die Vorträge in dieser Reihe finden neuerdings um 18 Uhr (früher 19 Uhr) im Haus der Stadtgeschichte an der Von-Graefe-Straße 37 statt.

Die älteste Original-Urkunde Mülheims war Eigentum der Gemeinde St. Mariä Himmelfahrt. 1973 wurde ein Depositalvertrag mit der Stadt Mülheim abgeschlossen. Er sagt aus, dass die Urkunde im Mülheimer Stadtarchiv aufbewahrt werden soll. Die Urkunde von 1221 ist im Vergleich zu anderen Dokumenten in benachbarten Stadtarchiven ein wirklich alter Schatz. „In Köln kann man damit keinen beeindrucken, aber fürs Ruhrgebiet ist das schon ziemlich gut“, sagt Stefan Pätzold.

In 2022 soll es eine Tagung zum/im Kloster Saarn geben, die sich auch an interessierte Bürger wendet. Experten, die Historisches anschaulich und spannend rüberbringen können, werden dazu erwartet.