Mülheim. Stefan Pätzold ist ab Mai Mülheimer Archivleiter. Er will Verständigung unter den Religionen fördern und die Jungend für Historisches begeistern.

„Ich freue mich darauf, mit möglichst vielen Mülheimerinnen und Mülheimern über die Geschichte ihrer Stadt ins Gespräch zu kommen. Das wird eine abwechslungsreiche, spannende und vielseitige Aufgabe. Ich bin sehr neugierig darauf.“ Das sagt Dr. Stefan Pätzold, der ab 1. Mai das Stadtarchiv an der Von-Graefe-Straße leiten wird. Bisher ist er stellvertretender Chef des Bochumer Zentrums für Stadtgeschichte. Dessen oberster Sammlungshüter ist jetzt Dr. Kai Rawe, der ehemalige Mülheimer Archivleiter. Beide Historiker sind befreundet und haben mit ihren Wechseln eine Rochade zwischen Siegeln und Urkunden geschafft.

„Natürlich haben wir über den Wechsel gesprochen. Also habe ich mich auf Rawes freie Stelle in Mülheim beworben“, sagt Stefan Pätzold in seinem ersten Gespräch mit dieser Zeitung. Mit fast 54 Jahren sei es an der Zeit, sich noch einmal einer neuen Herausforderung zu stellen und ein Stücken Stadtgeschichte gestalten zu können. „Mülheim hat viel an Historischem zu bieten.“

Junge Leute können Multiplikatoren sein

Der Fachmann für das Mittelalter will aber nicht nur in der Vergangenheit und in handgeschriebenen Urkunden wühlen. „Noch wichtiger ist, junge Leute für die Erforschung vergangener Jahrhunderte zu begeistern.“ Darum möchte Stefan Pätzold die Zusammenarbeit mit Schulen verstärken. Junge Archivforscherinnen und –forscher können im Idealfall Multiplikatoren an Schulen und in Vereinen werden.

Stefan Pätzold übernimmt am 1. Mai die Leitung des Mülheimer Stadtarchivs. Bisher ist er Stellvertreter in Bochum.
Stefan Pätzold übernimmt am 1. Mai die Leitung des Mülheimer Stadtarchivs. Bisher ist er Stellvertreter in Bochum. © WAZ Bochum | Christian Schnaubelt

Gehört hat Pätzold bereits von seinem Kollegen Rawe: „Die Mülheimer sind sehr an Geschichte interessiert und pflegen sie.“ „Dass möchte ich weiterhin fördern. Wir brauchen die Unterstützung der Geschichtsvereine. Sie können die Schätze vor allem in der Nachbarschaft heben.“ Da lägen noch viele Felder brach.

Vortragssaal wird zum Stadtkino

Pätzold übernimmt ein bestens eingeführtes Haus mit moderner Ausstattung, um das ihn sein Vorgänger nun ein bisschen beneidet. Das Bochumer Archiv ist in der ehemaligen Aral-, später BP-Verwaltung untergebracht. „Ein Zweckbau ohne Atmosphäre“. In Mülheim ist neben der ehemaligen Augenklinik noch ein Teil des Gartens erhalten.

Den großen Saal will der neue Archivleiter demnächst auch für laufende Bilder aus der Vergangenheit nutzen. „Die Menschen haben großes Interesse an alten Filmen aus der Stadt. Mülheim hat bestimmt solche Filmdokumente, bei denen jeder staunt, wie seine Stadt einmal aussah oder seine Straße wiedererkennt.“

Musikschüler spielen nach alten Noten

Geschichte ist für Pätzold nicht nur auf vergilbten Pergamenten und in Zeitungsbänden konserviert. „Auch die Musik hört zur Geschichte.“ Darum sieht der neue Archivchef bereits eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Jugendmusikschule. „Jazz aus den 1920er und Rock’n’Roll aus den 1950er Jahren sind unsere Verbindungen.“

Mit Menschen verschiedener Religionen möchte Pätzold ebenso deren Geschichte beleuchten, Zusammenhänge herstellen. Es sei wichtig, dass sich alle Menschen einbringen könnten, um das Verständnis füreinander auszubauen. Über die Geschichte möchte er Verbindungen bis in die Gegenwart knüpfen.

Die elektronische Archivaufbereitung kommt

Selbst an der Zukunft kommt der Historiker nicht vorbei. Er wird die elektronische Aufbereitung und Erfassung der Mülheimer Archivbestände vorantreiben müssen. „Dazu wird es demnächst ein Gesetz geben. Folglich müssen wir die Zugriffsmöglichkeiten verbessern und ausbauen.“ Mit einem Team von zehn Personen sei das eine anspruchsvolle Aufgabe.

Neben den neuen Verwaltungsaufgaben will Andreas Pätzold „die hervorragend besetzte Vortragsreihe zur Geschichte“ pflegen. Für 2021 konnte er bereits einen Referenten gewinnen: Kai Rawe. Er selbst werde dafür im Austausch in Bochum einen Vortrag halten. Kleine Ausstellungen im Foyer sollen die Archivbestände zeigen.

Auf einer Säule im Kortumbrunnen wacht die Jobs-Figur über den Kirchenhügel
Auf einer Säule im Kortumbrunnen wacht die Jobs-Figur über den Kirchenhügel © Funke Foto Services | Monika Kirsch

Neues Konzept für Heimatmuseum

„Die Türen des Mülheimer Archivs sind für jeden geöffnet. Gespräche sind auch Quellenforschung“, weiß der Archivar. In seinen Zuständigkeitsbereich gehören auch die Räume des Geschichtsvereins im Broicher Schloss. „Die ehemalige Karolingische Burg ist noch nicht komplett erforscht. Da warten noch einige Aufgaben.“

Die momentane Großbaustelle Tersteegenhaus fällt ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich des Archivleiters. Es wird seine Aufgabe sein, mit anderen ein Konzept für das örtliche Heimatmuseum zu entwickeln. Vorher möchte sich Pätzold auf dem Kirchenhügel umschauen. Die Petrikirche mit ihrem schiefen Turm und das moderne Gegenstück die Marienkirche bilden seit 90 Jahren ein friedliches Ensemble.

Er will mit vielen Menschen reden

Dabei wird er auf den Spuren des ihm bekannten Carl Arnold Kortum wandeln. Der Arzt, Hobbyhistoriker und Heimatforscher ist zwar nicht Benenner einer Mülheimer Gaststätte, eines Bochumer Kaufhauses oder einiger Straßen, aber er hat in beiden Städten seine Spuren und Schriften hinterlassen.

Für Stefan Pätzold ist es nur ein Punkt, der ihm den Sprung aus Bochum in das Mülheimer Haus der Geschichte erleichtert. Er findet dort ein engagiertes Team mit Forschergeist in allen Epochen. Und Pätzold kündigt den Mülheimern an: „Wir reden bald miteinander – nicht nur über Geschichte.“