Mülheim. Nach dreistündiger Jurydebatte stand es fest: Ewe Benbenek erhält den mit 15.000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikpreis. Aus mehreren Gründen.
Die Autorin Ewe Benbenek erhält in diesem Jahr den mit 15.000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikpreis. Nach rund dreistündiger Debatte entschied sich die Jury mit drei zu zwei Stimmen für ihr Stück „Tragödienbastard“. Es war beim Festival in einer Inszenierung des Wiener Schauspielhauses gezeigt worden.
Als Hauptargument für ihre Entscheidung führten die Juroren an, dass Stück sei eine einfache Erzählung, zugleich aber vielschichtig und vielstimmig. Es behandle große Themen (Migration, Generationenkonflikt, Frauenleben), einen „hippen Stoff“, und weise „eine virtuose Suchbewegung“ nach einer neuen Sprache auf, die „familiäre Traumata, kindliche Kränkungen und weibliche Wut fassen könne“.
Das Stück sei ein „überwältigendes Debüt“ der 1985 in Polen geborenen Autorin, die in Berlin lebt. Der Text sei neu, interessant, klug, spannend – ein Kunstwerk. Ewe (Ewelina) Benbenek war erstmals bei den Mülheimer Theatertagen dabei, „Tragödienbastard“ ist überhaupt ihr erster Text für das Theater. Man könne ihn als „Versprechen“ auf weitere interessante Texte der Autorin sehen, so die Jury.
Die „Stücke 2021“ fanden wegen der anhaltenden Pandemie diesmal nicht live statt, alle Produktionen wurden online gezeigt. Die mit der Theaterkritikerin Eva Behrendt, dem Kulturjournalisten Janis El-Bira, der Schauspielerin Kathleen Morgeneyer, der Dramaturgin Marion Tiedtke und dem Regisseur Jakob Weiss besetzte Jury diskutierte am Samstagabend in einem Livestream ausführlich über die sieben im Wettbewerb gezeigten Stücke.
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Moderiert wurde die Debatte von Sven Ricklefs. Zu den Favoriten gehörten für die Experten auch Sibylle Berg mit „Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden“ und vor allem Rainald Goetz mit seinem umfangreichen Werk „Reich des Todes“. Goetz hat schon drei Mal den Mülheimer Dramatikpreis erhalten, er musste sich letztlich aber doch geschlagen geben musste.
Anwärter und Anwärterinnen auf den Preis, mit dem traditionsgemäß das beste deutschsprachige Stück ausgezeichnet wird, das im letzten Jahr geschrieben wurde, waren diesmal außerdem Thomas Freyer mit „Stummes Land“, Rebekka Kricheldorf mit „Der goldene Schwanz“, Boris Nikitin mit „Erste Staffel. 20 Jahre Großer Bruder“ und Christine Umpfenbach mit „9/26 – Das Oktoberfestattentat“.
Die letzten Preisträger
2020 musten die Mülheimer Theatertage wegen der Corona-Pandemie ganz ausfallen.In den Jahren zuvor sicherten sich folgende Autoren den Dramatikerpreis: 2015 - Ewald Palmetshofer mit „Die Unverheiratete“, 2016 - Wolfram Höll mit „Drei sind wir“, 2017 - Anne Lepper mit „Mädchen in Not“.2018 sowie 2019 hieß der „Stücke“-Sieger Thomas Köck. Er erhielt den Preis für „Paradies spielen (abendland. ein abgesang)“ und „Atlas“.
Trotz der Pandemie hatte es in 2020 eine ganze Reihe an Uraufführungen gegeben. 85 neue Stücke verzeichnete man, das Auswahlgremium schaute sich diese hauptsächlich online an, da Live-Aufführungen im Theater in der Regel nicht möglich waren. „Eine schwierige Aufgabe“, erklärte Festival-Leiterin Stephanie Steinberg und dankte dem Expertengremium. Eva Behrendt, in Auswahlgremium und Jury vertreten, erklärte, es habe im vergangenen Jahr bei den neuen Stücken eine formale Vielfalt gegeben und zwei inhaltliche Tendenzen. Zum einen den Blick zurück auf Momente der neueren Geschichte und auf aktuelle politische Konflikte, zum anderen „weibliche Positionen“, die auch selbstkritisch und selbstironisch daherkämen.
Die digitale Ausgabe der „Stücke 2021“ sei von mehr Menschen genutzt worden, als in die Mülheimer Spielstätten hineingepasst hätten, freuten sich Stephanie Steinberg und ihr Team. Man verzeichnete mehr als 5000 Zuschauerinnen und Zuschauer.