Mülheim. Die Mülheimer Stücke 2021 neigen sich dem Ende zu. Die vorletzte Aufführung stellt am Mittwoch ein Stück von Rebekka Kricheldorf vor.
Rebekka Kricheldorf ist bereits zum fünften Mal für die „Stücke“ nominiert. Die Autorin wurde 1974 in Freiburg geboren und studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin. Sie hat bereits über 30 Theaterstücke geschrieben. 2019 hatte sie die Poetikdozentur für Dramatik an der Universität des Saarlandes inne. Im Februar erschien mit „Lustprinzip“ ihr erster Roman.
1. Wo waren Sie, als sie von der Mülheim-Nominierung von „Der goldene Schwanz“ erfahren haben?
Bei meiner Mutter in Freiburg. Ich habe mich natürlich sehr gefreut, aber schon mit gemischten Gefühlen, da ich wusste, dass das Live-Festival wegen Corona auf der Kippe stand. Jetzt müssen wir uns eben alle mit der Online-Version arrangieren. Das ist zwar schade, aber: Machen wir das Beste draus!
Nominiertes Stück handelt von prekärer Patchworkfamilie
2. Worum geht es in Ihrem Stück?
Um eine prekäre Patchworkfamilie, in der sehr unterschiedliche Auffassungen von weiblicher Autonomie herrschen: Mom und die Sisters sehen nur einen Weg aus der Armut: reich heiraten. Während Aschenputtel meint, Freiheit erreiche man nur über Unabhängigkeit via Bildung. Als dann tatsächlich ein begehrtes Objekt in Form eines Schauspielers auftaucht, führt das natürlich zu Konflikten. . .
3. Hat Humor größeres aufklärerisches Potenzial als Ernsthaftigkeit?
Ich glaube, dass der Antagonismus, der hier aufgemacht wird, schon nicht ganz richtig ist. Humor ist im Kern immer eine sehr ernsthafte Sache. Aber wenn man Tragödie und Komödie nimmt, dann lädt erstere ja eher zu Katharsis durch Einfühlung ein, während die Komödie mit kritischer Distanz, Ironie, Überzeichnung und Karikatur arbeitet. Das macht sie zu einem sehr wirksamen Instrument subversiver Aufklärung.
4. Mit welchem Gefühl gehen Sie in die Uraufführung eines Ihrer Stücke?
Mit Anspannung, Neugier und Vorfreude. Leider ist ja gerade pandemiebedingt das Erlebnis der Live-Uraufführung rar geworden. Umso mehr freue ich mich auf den Tag, an dem das wieder möglich sein wird.
5. Wenn Sie für einen Tag einen anderen Beruf ausüben könnten, welcher wäre das?
Primatenforscherin. Einerseits wäre es so ziemlich das Gegenteil meiner jetzigen Tätigkeit: in fremden Ländern unterwegs sein, draußen, in der Natur, Affen beobachten, Neues herausfinden. Andererseits hat es auch gewisse Parallelen zu dem, was ich als Komödienautorin mache.
6. Welches Buch haben sie zuletzt gelesen?
Die „Kopenhagen-Trilogie“ von Tove Dietlevsen. Auch ein gutes Beispiel dafür, dass Humor und Ernsthaftigkeit sich keinesfalls ausschließen.
7. Welche Superheldinnen-Fähigkeit würden Sie gern besitzen?
In der momentanen Lage? Zeitreisen.
Auf stuecke.de kann man das Stück von Rebekka Kricheldorf in einer Inszenierung des Staatstheaters Kassel von Mittwoch, 26. Mai, 18 Uhr, bis Donnerstag, 27. Mai, 24 Uhr, anschauen.