Mülheim. Eine Mülheimer Seniorin erinnert sich an Kriegserlebnisse und kauft Teddybären für Flüchtlingskinder. Sie fordert: Supermärkte, spendet Süßes!
Als Waltraud Berndt mit 55 Jahren nach Mülheim in die Aktienstraße zieht, hat sie in ihrer Wohnung einen kleinen Balkon. Sie sitzt oft auf einem weißen Plastikstuhl mit grünem Kissen an der frischen Luft. Ab und an hallen ein paar Kinderstimmen über den Hinterhof hoch zu ihr. Nach einiger Zeit erfährt sie, dass es Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien sind. Als sie feststellt, dass kein einziges Kind ein Kuscheltier hat, ist sie den Tränen nahe.
„Ich bin direkt zu den Familien hingegangen und habe gefragt, wie ich helfen kann“, erzählt die heute 79-Jährige. Sie empfindet damals Mitleid, fühlt sich an ihre eigene Kindheit erinnert. Als sie 1943 in Hannover geboren wird, prasseln die Raketen auf Deutschland. Als kleines Mädchen sieht sie, wie die zerbombten Städte nach und nach wieder aufgebaut werden.
Seniorin aus Mülheim spendet damals über 50 Stofftiere
Die Seniorin sagt: „Die Nachkriegszeit war furchtbar. Aber die Kinder aus Jugoslawien mussten auch noch von jetzt auf gleich los und haben alles hinter sich gelassen.“ Dieser Gedanke zerreißt ihr auch jetzt das Herz, wenn sie an die Flüchtlinge aus der Ukraine denkt.
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Für sie steht direkt fest: Sie will auf jeden Fall helfen. Ziel: so viele Kuscheltiere wie möglich einkaufen. „Ich war nie reich, also musste ich mir damals überlegen, wo ich gebrauchte Teddybären kaufen kann. Es gab ja noch kein Ebay“, erinnert sich Waltraud Berndt mit einem Lachen in der Stimme. Als sie ein Inserat in der Zeitung entdeckt, fährt sie direkt los. Jeden Tag studiert sie fortan die Anzeigen. Immer wieder macht sie sich auf den Weg, mit Bus und Bahn durch die ganze Stadt.
Die ergatterten Fundstücke sammelt sie in einem Müllsack. Als sie nach ein paar Wochen Dutzende zusammen hat, wäscht sie sie. Ihre Enkelkinder helfen ihr beim Aufhängen auf dem Balkon. Dann verteilen sie sie unter den jugoslawischen Flüchtlingen im Hinterhof. „Die Kinder strahlten und waren so glücklich. Kuscheltiere sind extrem wichtig für die Kleinen. Die Knopfaugen schenken viel Trost.“
Sie fordert Supermärkte auf, Süßigkeiten für Flüchtlinge zu spenden
Aber die zweifache Großmutter weiß auch: „Nicht nur Kuscheltiere bringen Kinder zum Lächeln, auch Süßigkeiten.“ Deshalb schreibt sie damals auch einen ausführlichen Brief an Supermarkt-Ketten und bittet um Spenden. „Man kann sich nicht vorstellen, mit welcher Großzügigkeit die Firma Tengelmann reagiert hat.“ In einem Schreiben wird ihr ein Termin und ein Ort mitgeteilt zur Spendenübergabe.
„Ein riesiger Karton mit Teddybären und Kartons mit Süßigkeiten standen dort bereit. Meine Tochter brachte sie mit mir im Auto nach Hause“, erzählt Waltraud Berndt. „Es war so viel, dass ich auch die Kinder in den Behelfsbaracken unten am Ende der Aktienstraße beschenken konnte.“ Wie viele Stofftiere es am Ende waren, weiß sie nicht. „Über 50 Stück bestimmt. Das Schönste war, dass es bis auf das letzte Kind gepasst hat. Keines ging leer aus.“
Waltraud Berndt möchte auch ukrainischen Flüchtlingskindern helfen
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Den ukrainischen Flüchtlingskindern möchte die Seniorin auch gerne helfen. Deshalb schaut sie sich derweil ein wenig nach gebrauchten Kuscheltieren um – auf Ebay. Aber sie möchte auch wieder Supermärkte wie Aldi, Rewe, Edeka, Netto und Kaufland zum Spenden von Süßigkeiten auffordern. „Ich würde denen auch gerne Mails schreiben. Aber ich kann leider kaum tippen mit meiner Arthrose“, sagt die 79-Jährige.
Eine Süßigkeit pro Kind sei doch eine schöne Geste und würde eine kleine Freude schenken. „Es muss nicht immer viel sein, um ein Lächeln zu erzeugen“, weiß Waltraud Berndt. „Jeder von uns war mal Kind. Die meisten vergessen das nur irgendwann.“