Mülheim. Barbara Emmerich-Klein (66) sehnte sich nach familiärer Nähe, Familie Bülte nach einer Großmutter. Das Leihoma-Projekt brachte sie zusammen.
Die Königsberger Klopse werden aufgetischt, die drei Kinder greifen zu. Richtige Hausküche à la Oma – vor etwa einem Jahr noch gab es so etwas nicht im Hause Bülte. Denn die leiblichen Großeltern von Lena (4), Fabian (9) und Sophie (13) leben rund 150 Kilometer weit weg in Rheinland-Pfalz.
Barbara Emmerich-Klein lebt dagegen direkt um die Ecke. Die 66-Jährige hat sich Anfang 2016 für das Leihoma-Programm der Awo gemeldet – und in Holthausen schnell passende Enkel gefunden. „Mittlerweile bin ich ein richtiger Teil der Familie“, sagt sie.
Mindestens einmal in der Woche kommt die Leihoma zu Besuch, geht mit den Kindern auf den Spielplatz oder hilft ihnen bei den Hausaufgaben. Für Mutter Simone Bülte (40) und ihren in Vollzeit arbeitenden Mann ist das eine große Entlastung. Denn auch wenn Erzieherin Bülte immer schon um 13.30 Uhr Feierabend hat, pünktlich um 14 Uhr würden die Klopse noch nicht auf dem Tisch stehen.
Im Leihoma-Projekt wird ein Geben und Nehmen gelebt
„Ich konnte mich gut in die Situation hinein versetzen“, sagt Barbara Emmerich-Klein. Neben ihrem früheren Arbeitsalltag als Diplom-Kauffrau zog sie in Essen-Kettwig ebenfalls zwei Kinder groß – ohne auf die Hilfe von Großeltern zurückgreifen zu können. Heute sind ihre Kinder erwachsen, auch ein Enkelkind wurde ihr vor kurzem geschenkt – doch das lebt in Kamen. „Ich wollte die Lücke in meinem Leben schließen, die meine weit entfernt lebenden Kinder hinterlassen haben“, erzählt die geschiedene Frau. Bei Familie Bülte wurde diese Lücke nun offenbar undurchlässig gestopft.
„Aber ich möchte Barbara umgekehrt auch unsere Hilfe anbieten“, sagt Simone Bülte. Glühbirnen wechseln, beim Einkaufen begleiten: Im Leihoma-Projekt wird ein Geben und Nehmen gelebt. „Es geht nicht darum, eine billige Tagesmutter zu sein“, formuliert es Emmerich-Klein, „sondern es geht darum, dass Alt und Jung wieder zusammenfinden.“ Ihr Blutdruck sei durch die schönen Tage mit den Kindern schon gesunken. „Das hält jung hier!“
Würfel und Karten statt Smartphone und TV
Beim Awo-Projekt stehen immer viele Familien auf der Warteliste, es gibt weit mehr interessierte Familien als verfügbare Leihomas. Auch Simone Bülte musste sich lange gedulden. Anfang 2015, als sie wieder anfing zu arbeiten, rief sie zum ersten Mal bei der Awo an. Dann passierte lange nichts. „Ich habe mich dann irgendwie so arrangiert“, erzählt sie.
Erst ein Jahr später wurden ihr die Kontaktdaten von Barbara Emmerich-Klein vermittelt. Und beim ersten Kennenlernen am Telefon habe es sofort gepasst, auch die Kinder hätten sich sehr schnell an ihre neue Oma gewöhnt. „Gut“, gibt Simone Bülte zu, „Lena brauchte ein bisschen.“ Die damals erst Dreijährige hing stark an Mama, aber auch ihr Herz konnte die Leihoma Barbara schnell gewinnen. „Sie weiß eben, wann eine Dreijährige unbedingt mal bei einem Brettspiel gewinnen möchte“, scherzt Simone Bülten.
Überhaupt: Brettspiele. Oma Barbara holt mit den Kindern gerne Klassiker aus dem Spieleschrank, besonders mit Fabian spielt sie eine Runde nach der anderen. Wenn die Leihoma da ist, heißt es: Würfel und Karten statt Smartphone und TV. „Aber wie man mit einem Tablet umgeht, das hat die Barbara bei uns gelernt“, sagt Sophie grinsend.
Wie werde ich Leihoma oder Leihopa?
Das Leihoma-Programm hat die Awo Mülheim bereits im Jahr 2000 gestartet. Melden können sich interessierte Familien und Omas oder Opas montags und donnerstags, 8.30 bis 13 Uhr, bei Andrea vom Felde, Tel. 45003136, a.vom-felde@awo-mh.de.
Wer nicht wie Barbara Emmerich-Klein in der Nachbarschaft wohnt, bekommt die Fahrtkosten zur Familie erstattet.