Gelsenkirchen. Eine „tickenden Zeitbombe“: Steigende Zinsen und Energiekosten belasten Gelsenkirchens Stadtfinanzen. Nun soll Energie gespart werden.
- Die Zinsen steigen wieder, Energie wird immer teurer: Für die Gelsenkirchener Stadtfinanzen kein guter Ausblick. Kämmerer Luidger Wolterhoff spricht von einer „tickenden Zeitbombe“.
- Ein neuer Krisenstab will jetzt Wege finden, um Energie in Gelsenkirchen zu sparen.
- Die Stadt hält bereits Ausschau nach möglichst günstigen Strom- und Gasverträgen für das kommende Jahr.
Explodierende Energiekosten und steigende Zinsen sind für das arme und stark verschuldete Gelsenkirchen ein Schlag ins Kontor: „Ich gehe aufgrund der aktuellen Entwicklungen von einer angespannten Haushaltsaufstellung 2023 aus“, sagte Stadtkämmerer Luidger Wolterhoff auf Nachfrage. Während Wolterhoff mit Blick auf die Energiepreise von Mehrkosten zwischen sechs und acht Millionen Euro ausgeht, könne eine Zinssteigerung um einen Prozentpunkt sechs Millionen Euro Zusatzkosten bedeuten. „Das sind schon Summen, die uns stark belasten!“
Der Kämmerer bekräftigte in diesem Zuge seine Forderung nach einer alsbaldigen Lösung der Altschuldenproblematik. Gelsenkirchen ist mit etwa 600 Millionen Euro an Kassenkrediten belastet. Da die Europäische Zentralbank (EZB) zur Bekämpfung der Inflation die Zinswende einleiten möchte und ab Juli mit einer Erhöhung des Leitzinses zu rechnen ist, wird dieser Schuldenberg voraussichtlich wieder zu einem größeren Problem werden als in den vergangenen Jahren der Niedrigzinspolitik. „Wir haben permanent darauf hingewiesen, dass das eine tickende Zeitbombe ist. Jetzt ist es kurz davor, dass es zu einem Knall kommt“, sagte Wolterhoff.
Kosten für Flüchtlinge: Stadt Gelsenkirchen hofft auf Erstattung
Die steigenden Energiepreise hingegen belasten Gelsenkirchen auch in jenem Bereich, der für die Stadt ohnehin den größten Posten im Haushalt darstellt: Die Transferaufwendungen, etwa die Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern, die etwa 530 Millionen der 1,2 Milliarden Euro Gesamtausgaben ausmachen. Steigen die Gaspreise, steigen auch hier die Aufwendungen. Hinzukommt, dass die Gruppe der Leistungsempfänger durch den Zuzug von über 2000 Flüchtlingen aus der Ukraine zuletzt noch einmal merklich angestiegen ist.
Was die Kosten für die Unterbringung und Versorgung der ukrainischen Geflüchteten angeht, so hofft Wolterhoff zumindest auf eine Erstattung von Bund und Land: „Wir haben seit Beginn des Krieges alle hier entstandenen Kosten gesondert gebucht. Ich gehe davon aus, dass wir sie refinanziert bekommen.“
Neuer Krisenstab will erörtern, wie Gelsenkirchen Energiekosten sparen kann
In anderen Bereichen – sei es der Tank für die Feuerwehrfahrzeuge oder der Strom für die Ampeln im Stadtgebiet – wird es voraussichtlich an der Stadt selbst liegen, die steigenden Kosten für Gas, Strom und Sprit zu schultern. Wie Luidger Wolterhoff im vergangenen Hauptausschuss auf Nachfrage der Grünen-Fraktion mitteilte, befasst sich ein neu zusammengestellter Krisenstab deshalb nun mit der Frage, wie die Stadt selbst möglichst viel Energie einsparen kann. Wo und wie gespart werden will, konnte die Verwaltung jedoch noch nicht beantworten.
„Mit den Maßnahmen muss jetzt begonnen werden“, forderte CDU-Ratsherr Markus Karl – adressierte damit aber noch vielmehr die Bundespolitik als die Stadtverwaltung. Sei es etwa Teil des Sparplans der Regierung, die Heizungsanlagen in den Wohnungen umzustellen, um zum Winter die Mindesttemperatur zu senken, so müsste den Wohnungsunternehmen schon jetzt ein Termin genannt werden. „Sie müssen ja dann an jede Heizungsanlage ran und bräuchten jetzt einen Hinweis aus der Politik.“ Von der Gelsenkirchener Verwaltung hingegen fordert Karl, nach der Sommerpause zu konkretisieren, wie sich die aktuelle Situation auf den Haushalt auswirken wird – und dabei nicht allein auf die steigenden Energiekosten einzugehen.
Energiekosten schlagen wegen Langfristverträgen mit Energieunternehmen noch nicht zu
Denn neben den Energiekosten, den Zinsen und angesprochenen Kosten im Flüchtlingsbereich gibt es noch weitere Faktoren, die die Stadtfinanzen in eine Schieflage bringen könnten. Und das ist nicht nur die Inflation an sich. Denn im Zuge der allgegenwärtigen Preissteigerung rechnet Stadtkämmerer Wolterhoff auch mit höheren Personalkosten. „Es wird zu höheren Tarifabschlüssen kommen als in den letzten Jahren, was natürlich eine Frage der sozialen Gerechtigkeit ist“, so der Kämmerer. Nicht von der Hand zu weisen sei jedoch die dadurch entstehende Zusatzbelastung für den kommunalen Arbeitgeber.
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Laut Wolterhoff hat die Stadt in den vergangenen Jahren „durch gutes Wirtschaften“ immerhin eine „Ausgleichsrücklage für schwierige Jahre“ in einer Größenordnung von 40 Millionen Euro bilden können. Die Schlüsselfrage sei aber nun: Reicht dies, um die jetzige Teuerungswelle auffangen zu können? Angesetzt sind die 40 Millionen nämlich für den mittelfristigen Haushaltsplan bis 2026. Das heißt also: Bei linearer Verteilung der Notfallrücklage stünden jährlich nur etwa zehn Millionen Euro zur Verfügung – was bereits weniger wären als die prognostizierten Zusatzkosten für Energie und Zinsen.
Ein schwacher Trost angesichts der aktuellen Entwicklungen: „Für dieses Jahr gelten noch Festpreise“, wie Stadtbaurat Christoph Heidenreich im vergangenen Hauptausschuss mitteilte. Die Stadtverwaltung habe Erdgas- und Stromverträge mit einer entsprechenden Laufzeit vereinbart. Für die Zeit danach beobachte eine extern beauftragte Agentur bereits den Energiemarkt, um ein möglichst günstiges Angebot für die Stadt ausfindig zu machen.