Gelsenkirchen. Umzug ausgeschlossen: Gelsenkirchen nimmt nur noch Ukrainer auf, die hier zuallererst registriert wurden. Für Betroffene verbaut das viel.

Gelsenkirchen nimmt nur noch ukrainische Flüchtlinge auf, die zuallererst auch hier in der Stadt registriert worden sind oder offiziell hierhin verteilt wurden. Das bestätigte Sozialdezernentin Andrea Henze auf Nachfrage. „Wir fokussieren uns auf die Menschen, die bereits hier sind“, sagte die Stadträtin, die derzeit die Flüchtlingsaufgaben in Gelsenkirchen koordiniert.

Damit ist es in der Regel sogar ausgeschlossen, dass Ukrainer von einer Nachbarstadt oder anderen Stadt im Ruhrgebiet hierhinziehen, etwa weil sie eine passende Wohnung in Gelsenkirchen gefunden haben. Was die Helfer der Ukrainer als „Zumutung“ begreifen, bezeichnet die Stadt als notwendigen Schritt zugunsten der bereits in Gelsenkirchen registrierten Flüchtlinge. Man müsse sicherstellen, dass die Integrationen bei ihnen gelinge, so Stadträtin Henze. „Ein Hin und Her beim Umzug erschwert das.“

25-jährige Ukrainerin darf nicht nach Gelsenkirchen umziehen – und ist verzweifelt

Die „Mammutaufgabe“ der Versorgung von Flüchtlingen ließe sich nur stemmen, „wenn alle im Bundesgebiet mit anpacken und die Last gleichmäßig auf alle zur Verfügung stehenden Schultern verteilt werde“, heißt es auch in einem Schreiben aus dem Büro von Oberbürgermeisterin Karin Welge. Erhalten hatte die Antwort Bueranerin Mechthild Köninger, die ihre kleine Wohnung in Gelsenkirchen einer ukrainischen Frau namens Yulia B. anbieten wollte, die zuvor in Potsdam erstregistriert wurde und seitdem dort in einer Sammelunterkunft lebt. Gestattet wurde die Anfrage nicht.

Aus einem Nachrichtenverlauf zwischen Mechthild Köninger und Yulia B. geht hervor, wie verzweifelt die junge 25-jährige Frau nach langem Hin und Her zwischen den Ämtern in Brandenburg und NRW ist. „Die Situation bringt mich zum Weinen“, schreibt die Ukrainerin, im Original auf Englisch. „Wir haben unser Bestes getan, damit ich nach Gelsenkirchen kommen kann, aber es scheint rechtlich unmöglich.“ Nun habe sie entschieden, zurück in die Ukraine zu gehen – obwohl die Situation dort weiterhin so gefährlich ist. „Allein hier zu sein, macht mich nur noch deprimierter“, schreibt sie. „Ich kann nicht verstehen, dass man die Leute so zerbrechen lässt“, findet ihre Helferin Mechthild Köninger.

Umzugswunsch von Ukrainerin: Ausländeramt in Gelsenkirchen bleibt hart

Berichtet hatte die WAZ Gelsenkirchen auch über Familie Janssen, die einer zunächst nahe Düsseldorf privat untergekommenen Ukrainerin mit zwei Söhnen eine Wohnung in Gelsenkirchen anbieten wollte. Die Familie konnte sogar ein Schreiben der für die Zuweisung von Flüchtlingen zuständige Bezirksregierung Arnsberg vorlegen, in dem es heißt, dass einem Umzug der Ukrainerin nach Gelsenkirchen „aktuell nichts entgegensteht.“ Doch auch nach Vorlegen des Schreibens lehnte das Ausländeramt den Umzug weiter ab.

„Wir hatten noch die Hoffnung, dass die Tür nicht fest verschlossen ist; sie scheint nun fest verrammelt zu sein“, zeigte sich Flüchtlingshelfer Peter Janssen nach der finalen Entscheidung des Ausländeramtes enttäuscht. Er stand über mehrere Wochen mit den Gelsenkirchener Ämtern in Kontakt, um die Möglichkeit des Umzugs auszuloten. „Es ist verrückt: Wenn die Ukrainerin, der wir eine Wohnung anbieten möchten, zunächst in Polen untergekommen wäre, dann wäre das alles kein Problem.“ Aus Janssen Sicht macht man Flüchtlingen ihre ohnehin belastende Situation nur noch unnötig schwerer.

Herne geht mit Umzugswünschen von Ukrainern lockerer um

Die Stadt stützt sich bei ihrer restriktiven Haltung gegenüber Umzugswünschen auf ein Informationsblatt des NRW-Flüchtlingsministeriums. Im Ministerium teilt man der WAZ auf Nachfrage zwar mit, dass Personen, die noch nicht zugewiesen wurden, „keiner Wohnverpflichtung unterliegen.“ Jedoch hat man sich in NRW darauf geeinigt, dass auch zunächst privat untergekommene Ukrainer nachträglich fest den Kommunen zugerechnet werden, wo sie derzeit registriert sind. Das geht aus dem Informationsblatt hervor, auf das man sich in Gelsenkirchen stützt. Und das heißt, dass grundsätzlich doch mit einer Wohnsitzauflage am Ort der Erstaufnahme argumentiert werden kann – sowohl bei zugewiesenen Personen wie Yulia B. als auch bei zunächst privat untergekommenen Personen wie jene im Fall Janssen.

Doch offenbar orientieren sich nicht alle Kommunen auf gleiche Weise an die Handhabung des Landes. In Herne beispielsweise ist man auch bereit, Flüchtlinge in eigene Wohnungen ziehen zu lassen, wenn diese zunächst woanders angemeldet waren und in einer anderen Stadt im Leistungsbezug waren, wie Stadtsprecher Christoph Hüsken bestätigt.

Job oder Familienzusammenführung: Umzug nach Gelsenkirchen ist nur in Ausnahmen möglich

Dass man in Gelsenkirchen einen anderen Weg geht und sich streng an die Handlungsanweisungen des Landes hält, begründet Sozialdezernentin Andrea Henze damit, dass man „die Integrationsaufgaben sehr ernst nimmt“ und sich mit diesen auf die rund 2000 Ukrainer konzentrieren wolle, die bereits in Gelsenkirchen leben. Ihnen wolle man schnell und unkompliziert helfen. „Ich habe eine Verantwortung diesen Menschen gegenüber“, sagte Henze. Ein Zuweisungswechsel sei zwar auch nach Gelsenkirchen möglich, jedoch nur im ganz engen Rahmen – etwa im Falle von Familienzuführungen oder einer Arbeitsaufnahme in Gelsenkirchen. „Im Moment ist es so, dass wir da enge Grenzen setzen müssen.“