Oberhausen. Sebastian Vogt versorgt Fans von RWO mit Getränken. Im Lockdown bleibt das Stadion Niederrhein jedoch leer. Eine neue Idee sorgt nun für Applaus.
An seine Feuertaufe kann sich Sebastian Vogt noch gut erinnern. Mai 2018. Niederrhein-Pokal-Finale zwischen Rot-Weiß Oberhausen und Rot-Weiss Essen. 13.500 Fans befinden sich im Stadion Niederrhein - und sie sind sehr durstig. Für das ausschenkende Ebertbad kümmert sich Vogt damals erstmals darum, dass an den Getränkeständen alles läuft. Mit Bier und Limo. Das Ergebnis: RWO gewinnt und die Vorräte halten.
Drei Jahre später sagt der junge Gastronom. „Viel länger als die Verlängerung hätte das Spiel nicht dauern dürfen. Bei einem Elfmeterschießen wäre es knapp geworden.“ Doch Ende gut, alles gut. Keiner bleibt durstig. „Schlecht geschlafen habe ich nicht vorher, sondern nachher. Nach solch einem Großereignis fühlt man sich wie nach einem Halb-Marathon.“
Start-up mitten in der Corona-Krise - ein mutiger Schritt
Damals kümmert er sich für Ebertbad-Bademeister und RWO-Präsident Hajo Sommers um den Ausschank. Seit August 2020 schwimmt er alleine und hat sich zusammen mit Carsten Scharwächter selbstständig gemacht. Mitten in der Corona-Pandemie. Ein mutiger Schritt.
Wie bei anderen Stadion-Wirten auch, ist der Zapfhahn derzeit nahezu beschäftigungslos. Fans dürfen auch in der Regionalliga West nicht ins Stadion. Es bleibt nur der Internet-Stream.
„Natürlich waren wir nicht blauäugig“, sagt Vogt, der an Spieltagen trotzdem in der altehrwürdigen Spielstätte arbeitet. „Aber wir haben den Schritt in schwierigen Zeiten gewagt.“ Ein wenig Kaffee kocht er im gespenstisch leeren Stadion für die wenigen dort Arbeitenden. Sonst würden er und bis zu 35 Mitarbeiter schubkarrenweise Bierfässer für jubelnde Fans durch die Gegend schieben.
Nostalgische Stadionkneipe bleibt im Corona-Lockdown leer
Und das betrifft nicht nur sonst dicht umringte Getränkeschalter. Die Stadionkneipe am Vorplatz, mit der gemusterten Nostalgie-Tapete, in der die Kleeblatt-Legenden in feinen Bilderrahmen an der Wand hängen und längst vergessene Spiele von verknitterten VHS-Aufzeichnungen über Monitore laufen, steht leer. Seufz!
Fans hoffen auf eine dichte Abwehr. Vogt auf offene Tore. Irgendwann soll es wieder weiter gehen. „Mit Einschränkungen im Winter haben wir rechnen müssen, wenn der Lockdown im Sommer allerdings so weitergeht, sieht es übel aus.“
Eigentlich hatten sie fernab der RWO-Spiele gemeinsame Fußball-Schlemmer-Trink-Events geplant. Bei denen Oberhausens bekannter TV-Koch Stefan Opgen-Rhein brutzelt und Wein-Spezi Marcel Habendorf kredenzt. Aber der vorzügliche Einfall klingt im harten Lockdown weit weg.
Doch der gelernte Veranstaltungskaufmann bleibt sich treu. Statt auf der Ersatzbank zu versauern, hat er sich etwas zum Schmunzeln ausgedacht. „An einem Abend, bei dem es alkoholische Getränke gegen haben soll.“
Herausgekommen ist "Bierte". Eine putzige Bierbecher-Figur, die in sozialen Medien wie Facebook und Instagram auftaucht und so den Kontakt zu den Fans hält. „Bierte - das einsame Stadionbier“ hat schon einige Anhänger. Nicht nur aus dem Oberhausener Fanlager.
Einsame "Bierte" erobert das Internet - und sichtet Promis
Der Bierbecher ist abfotografiert. Das Gesicht mit einfachen Grafikprogrammen am Computer montiert. Dazu ein kleiner Stoffschal und die passende RWO-Mütze. So taucht Bierte bei der Pressekonferenz auf. Hängt mit RWO-Präsi Hajo Sommers ab. Oder bereitet sich auf den Tatort-Sonntag vor der Glotze vor.
Die Stadionbewirtung ist für Vogt und sein Team eine Herzensangelegenheit. „Ein reiner Bürojob wäre nichts für mich.“ Der 42-Jährige, in Essen-Borbeck nur geboren, ist natürlich in Oberhausen aufgewachsen. Er habe nie erfolgreich flüchten können, sagt er und meint es mit einer selbstironischen Art, die zu RWO passt.
Mit dem Stadion als Arbeitsplatz ist er schnell warm geworden. „Ich komme aus der Kleinkunst. Das ist natürlich eine Veränderung.“ Aber das Publikum habe eine ehrliche und direkte Art, die ihm liegt. „Das Ruhrgebiet ist geerdet. Da geht es nicht um Champions League und Hummerschwänze auf den Tellern.“
Überschäumende Probleme gebe es an den Bierschaltern hinter der Emscherkurve fast nie. Wenn sich doch einmal einer daneben benehmen sollte, weiß er: „Wir sitzen ja am längeren Hebel. Dann gibt es kein Bier!“
>>> Stadionwirte arbeiten nicht nur in der Fan-Kurve
Als für Getränke zuständiger Stadion-Caterer geht es nicht nur um Getränke an den Tribünen. Vogt kümmert sich auch um den VIP-Raum und die Versorgung der Mitarbeiter und Sponsoren. Außerhalb des Lockdowns betrifft dies ebenso Veranstaltungen, wie das Sommertheater.
Die Fankneipe am Stadionvorplatz an der Lindnerstraße soll, wenn es die Corona-Lage erlaubt, wieder für kleine Seminare mit zehn bis zwölf Personen buchbar sein.