Mülheim. Schafft Mülheim die fünfte Dezernenten-Stelle, soll die Stadt an anderer Stelle sparen. Stehen freiwillige Leistungen wieder auf dem Prüfstand?
Die von CDU und Grünen mit hoher Arbeitsbelastung und herausfordernden Zukunftsaufgaben begründete fünfte Dezernenten-Stelle in Mülheims Rathaus wird nicht so glatt durchlaufen, wie der Ratsbeschluss Anfang Juli den Anschein haben könnte. Die Kommunalaufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf machte nun klar, dass sie die Personalaufstockung in der überschuldeten Stadt nicht ohne Weiteres mittragen wird. Sie stellt Bedingungen, deren Erfüllung wiederum nicht zur Freude der Bürger sein dürfte.
Das große Mülheimer Sozialdezernat soll aufgeteilt werden
Das schwarz-grüne Ratsbündnis hatte mit seiner Mehrheit beschlossen, das alte Dezernat des heutigen Mülheimer OB Marc Buchholz aufzuteilen in ein Dezernat für Schule, Jugend und Sport sowie ein Dezernat für Gesundheit, Soziales und Kultur. Für die neuen Dezernate sollen nun schnellstmöglich neue Beigeordnete vom Stadtrat gewählt werden. Das alte Dezernat von Buchholz war seit dessen Wechsel auf den Chefsessel im Rathaus im Oktober 2020 verwaist. Buchholz hatte gar noch zum Jahreswechsel stolz verkündet, eine Wiederbesetzung noch hinauszögern zu können, um etwa dem von der Corona-Pandemie hart getroffenen Mülheimer Karneval eine städtische Finanzspritze zukommen lassen zu können. Jetzt soll nicht nur dieser vierte Dezernten-Posten schnell neu besetzt werden, sondern auch ein fünfter.
Höchste Pro-Kopf-Verschuldung in NRW
Die Kommunalaufsicht der Bezirksregierung gibt sich aktuell zufrieden mit der Haushaltsentwicklung in der Stadt, die mit höchster Pro-Kopf-Verschuldung an der negativen Spitze Nordrhein-Westfalens steht.
Mülheim habe zum Eintritt in den Stärkungspakt eine genehmigungsfähige Haushaltssanierungsplanung für die Jahre 2017 bis 2023 vorlegen können. Das habe sich fortgesetzt, aktuell ist der Haushaltsplan 2021 noch in der Prüfung.
Die Aufsicht hebt hervor, dass die Stadt Mülheim die Stärkungspakt-Ziele bislang erfüllt, den ersten Haushaltsausgleich gar ein Jahr früher geschafft habe als vorgesehen (2019).
Mit genehmigten Haushalten sei die Stadt grundsätzlich in der Lage, eigenverantwortlich ihren Haushalt zu bewirtschaften, so die Aufsichtsbehörde. Einzelmaßnahmen unterlägen somit keiner gesonderten Genehmigung.
Die Kommunalaufsicht will zwar nicht grundsätzlich ihr Veto einlegen, stellt der Stadt aber scharfe Bedingungen für eine Personalausweitung an der Verwaltungsspitze. Sie lobt die positive Entwicklung, die Mülheims Haushalt und auch dessen Planung für die kommenden Jahre genommen hätten. So seien „durchgreifende Bedenken gegen die Einrichtung einer weiteren Beigeordnetenstelle nicht geltend gemacht worden“. Die Stellungnahme der Bezirksregierung schließt jedoch nicht ohne ein Aber: Man erwarte für 2022, „dass die mit der Einrichtung einer weiteren Beigeordnetenstelle verbundenen Mehraufwendungen im Rahmen der freiwilligen Leistungen an anderer Stelle kompensiert werden und die weitere Erreichung der Ziele im Stärkungspakt nicht gefährden.“
Einsparungen führen erfahrungsgemäß zu Protesten der Mülheimer Bürgerschaft
Heißt: Schafft Mülheim die fünfte Dezernenten-Stelle, soll die Stadt an anderer Stelle sparen. Wo es um freiwillige Leistungen geht, kocht aber schnell der Volkszorn. Das zeigte sich zuletzt wieder eindrucksvoll bei dem von CDU, Grünen und FDP zunächst beschlossenen Aus für die Stadtteilbibliotheken. OB und Schwarz-Grün ruderten nach massiven Bürgerprotesten schließlich zu einer Kompromisslösung zurück, weil sie merken mussten, dass die Schmerzgrenze bei vielen Bürgern nach den Sparrunden und Steuererhöhungen der vergangenen Jahre erreicht ist. Also wieder die Themen Offener Ganztag oder Kita-Zuschüsse hervorholen, um einen fünften Dezernenten finanzieren zu können, der die Stadt pro Jahr rund 166.000 Euro an Gehalt und Pensionsrückstellungen kosten wird?
OB Marc Buchholz gibt sich gelassen. Man werde sicherstellen, „dass eine Ausweitung des Budgets nicht erfolgt“, heißt es in einer Stellungnahme. Buchholz sieht die Vorgabe der Finanzaufsicht, bei freiwilligen Leistungen einsparen zu müssen, offenbar nicht so eng. Man wolle für einen Ausgleich „unterjährig“ sorgen, das heißt: im jeweils laufenden Haushaltsjahr darauf hoffend, dass irgendwo schon Geld übrig bleiben wird. Ob nun über eine Ausgabenreduzierung oder eine Einnahmenverbesserung, werde sich dann zeigen. Beispielhaft führt der OB an, dass die Stadt bereits 2022, ein Jahr früher als vorgesehen, Zinsersparnisse in Höhe von 950.000 Euro für die seinerzeitige Rathaus-Sanierung haben werde.
CDU und Grüne sehen kein Problem darin, die Personalkosten zu kompensieren
Auch CDU und Grüne sehen in der Forderung der Kommunalaufsicht nach kompensatorischen Einsparungen kein Problem, wie sie gemeinsam auf Anfrage erklärten. Ihre Fraktionen hätten bereits im Vorfeld des Ratsbeschlusses zur Einrichtung einer fünften Beigeordneten-Stelle deutlich gemacht, dass damit „keine Ausweitung des städtischen Etats verbunden sein wird, und dass durch die bereits angestoßenen Sparmaßnahmen die Vorgaben der Bezirksregierung nach wie vor eingehalten werden“.
Zudem gehe man davon aus, so die Fraktionsspitzen Christina Küsters (CDU) und Tim Giesbert (Grüne), „dass diese Maßnahme zu Steuerungs- und Effizienzgewinnen in den dann übersichtlicher strukturierten Dezernaten führt“.