Mülheim/Essen. Die Großbaustelle am Frohnhauser Weg in Mülheim ist ein Projekt zur Renaturierung der Emscher. Unterirdisch ist fast alles fertig. Wir waren drin
Die Emscher ist abwasserfrei – das feierte die Emschergenossenschaft zum Jahreswechsel. Für alle Zuflüsse gilt das aber noch nicht. Etwa für den Borbecker Mühlenbach, der noch als betonierte „Köttelbecke“ an der Stadtgrenze zu Essen-Frohnhausen ein paar Hundert Meter über Mülheimer Stadtgebiet fließt. Nebenan, am Frohnhauser Weg, liegt in Mülheim auch das fast fertiggestellte gigantische Regenüberlaufbecken. Erst wenn das ab April in Betrieb gehen kann, rückt die Renaturierung des Mühlenbachs langsam näher.
Im Herbst 2019 begann die Emschergenossenschaft mit den Bauarbeiten auf einer ehemaligen Pferdewiese am Frohnhauser Weg. Man wollte schon fünf Jahre eher bauen, erinnert Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft, doch da stand die Wasserralle, ein hoch geschützter, seltener Vogel, gegen. Nach dem Umzug der Vögel in ein Ersatzhabitat im Winkhauser Tal konnte dann auch am Frohnhauser Weg mit dem Bau begonnen werden.
500 Meter lang ist das neue Kanalsystem an der Mülheimer Stadtgrenze zu Essen
Unterirdisch ist jetzt, mehr als zwei Jahre später, fast alles fertiggestellt. Der Deckel ist drauf auf dem großen Regenüberlaufbecken (RÜB), derzeit karrt die Baufirma einen Laster nach dem anderen mit Mutterboden an, um das riesige Betonbauwerk zu bedecken. Es wird nicht zugänglich sein für Passanten, aber das Boden-Schotter-Gemisch wird eingesät und später einen grünen Anblick bieten. Die Schächte, die jetzt noch aus dem Rohbau in die Luft ragen, werden dann bodengleich sein.
Spannend ist aber, was Ingenieure und Bauarbeiter in den vergangenen zwei Jahren unterirdisch geschaffen haben. 500 Meter lang ist das neue Kanalsystem an der Stadtgrenze zu Essen. Ein Sammler, ein gewaltiges Rohr mit 3,60 Meter Durchmesser, mündet in den Kanal neben dem großen Regenüberlaufbecken.
Dort kommen Abwässer aus den Haushalten und das Regenwasser etwa aus Straßenabläufen und Gullys zusammen an. Aus allen Abflüssen, die sich etwa in Höhe Essen-Bredeney befinden. Im Regenüberlaufbecken wird das Regenwasser dann vom Abwasser getrennt. Das saubere (leichtere) Regenwasser wird durch einen Überlauf in den Borbecker Mühlenbach geleitet.
Regenüberlaufbecken fasst zwölfmal so viel Wasser wie das Friedrich-Wennmann-Bad
Das schwerere Abwasser fließt dann unterirdisch weiter durch einen Kanal zur Kläranlage in Dinslaken. Derzeit nimmt es den direkten Weg, denn noch ist das RÜB in Mülheim nicht angeschlossen. Die drei Turnhallen-großen Sedimentationskammern unter der Erde sind schon längst fertig, in denen später die mechanische Trennung von Ab- und Regenwasser erfolgt.
Die Kanäle bekommen derzeit noch sogenannte Sohlgerinne, wie Bauingenieur Jens-Uwe Drews erklärt: Die Betonkanäle haben ursprünglich einen viereckigen Querschnitt. Durch das Halbrund fließt das Abwasser, in dem auch feste Bestandteile (Toiletteninhalte, Küchenabfälle, Äste, Laub) schwimmen, aber besser ab. Vermesser kontrollieren derzeit den korrekten Einbau der Sohlgerinne. Im Hintergrund gähnt das dunkle Loch des riesigen Sammlers.
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Bei Starkregen werden immense Wassermengen erwartet, die das Regenüberlaufbecken füllen werden. Die drei Kammern des RÜB fassen 9500 Kubikmeter. „Das Friedrich-Wennmann-Bad passt hier zwölfmal hinein“, macht es Drews anschaulich. 14.000 Kubikmeter hat das ganze unterirdische System mitsamt der Kanäle, erklärt der Projektleiter der Emschergenossenschaft.
Starkregenereignisse kommen häufiger vor
17 Millionen Euro allein für den Kanalbau
In den Kanalbau am Frohnhauser Weg hat die Emschergenossenschaft allein auf Mülheimer Gebiet 17 Millionen Euro investiert. Insgesamt sind es an dieser Stelle – samt RÜB und den Anbindungen auch auf Essener Gebiet – fast 50 Millionen Euro an Investitionen.Der Borbecker Mühlenbach gehört zum Emscher-System: Er fließt in die Berne, ein linkes Nebengewässer der Emscher. Die Berne, deren Quelle in der Essener Stadtmitte liegt, mündet in die Emscher.Der Mühlenbach ist auf Essener Gebiet schon renaturiert. Im Mühlenbachtal in Essen entlang des Gruga-Radwegs kann man das gut sehen, wenn man von Heißen aus in Richtung Essen radelt.
Die an Panzersperren erinnernden Betoneinbauten hinter dem RÜB sollen bei besonders hohem Wasseraufkommen das Tempo des Wassers bremsen. „35 Kubikmeter pro Sekunde, das ist sehr viel für den kleinen Mühlenbach“, erklärt Drews. „Starkregenereignisse kommen ja öfter vor als gedacht.“
Im April soll das Abwasser erstmals durch den neuen Kanal geleitet werden, der an der Posener Straße auf Essener Gebiet auch noch fertiggebaut werden muss. Diverse Kanäle müssen, auch durch die Essener Stadtwerke, nach und nach in diesem und nächstem Jahr noch angeschlossen werden, erklärt Drews. Die Emschergenossenschaft selbst ist bis zum Herbst 2022 auf der großen Baustelle in Mülheim fertig. Damit wären die Bauarbeiten der Emschergenossenschaft am Frohnhauser Weg im Plan, so Drews. „Ich bin auch optimistisch, dass das hinhaut.“
Der Mühlenbach wird erst im nächsten Jahr auch auf Mülheimer Gebiet abwasserfrei
Im kommenden Jahr soll dann der Mühlenbach gänzlich abwasserfrei werden, etwa Ende 2023, und dann kann mit seiner Renaturierung in Mülheim begonnen werden. Vor dem ökologischen Umbau des Gewässers werden als Erstes die Betonschalen entfernt, die bis zum Schluss noch an die dann ehemalige „Köttelbecke“ erinnern.