Mülheim. Mülheims Politik greift nach dem letzten Strohhalm, um Unmögliches vielleicht doch noch möglich zu machen: Kommt der Busbahnhof ans Tageslicht?
Ist jetzt der historische Zeitpunkt gekommen? Wenn nicht jetzt, dann für Jahrzehnte nicht mehr denkbar? Diese Frage treibt Mülheims Politik um, denkt sie an die anstehenden baulichen Entwicklungen zwischen Hauptbahnhof und Einkaufszentrum Forum. Noch einmal soll geprüft werden, ob der unterirdische Busbahnhof nicht doch ans Tageslicht geholt werden kann.
Die Millionenfrage eines oberirdischen Busbahnhofs geistert schon zwei Jahrzehnte immer mal wieder durch Mülheims Politik. Immer wieder ist deren Beantwortung vertagt worden, zuletzt insbesondere, weil ein solches Projekt in Zeiten der Überschuldung als unfinanzierbar galt, gibt es da doch auch noch Schulen und viele weitere städtische Gebäude wie die VHS, die einer Sanierung dringend bedürften.
Mülheims Politik ließ anderweitige Planungen der Ruhrbahn lange unerwidert
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So ließ Mülheims Politik die Ruhrbahn lange auch gewähren, als diese wegen der Brandschutzmängel im Verbindungsgebäude zwischen Hauptbahnhof und Forum für Kosten in Höhe von 11,8 Millionen Euro eine neue Verteilerebene mit Überdachung plante. Und damit ein Projekt, das eben erneut keinen oberirdischen Busbahnhof zum Inhalt hatte.
Vorgesehen ist bis dato, im Nachgang dieser Bauarbeiten rund um den U-Bahnhof auch den Busbahnhof zu modernisieren – mit sicher kostspieligem Einbau von zwei Aufzügen, um den Erfordernissen der Barrierefreiheit gerecht zu werden. „Eine Verlegung des Bahnhofes an die Oberfläche wurde im Vorfeld der Planung verworfen, da das Platzangebot auf den Vorflächen des Bahnhofes nicht ausreicht, um das jetzige Busangebot durchführen zu können“, hieß es noch im Dezember vergangenen Jahres in einer Präsentation der Ruhrbahn zu den Plänen.
Schwarz-grüner Vorstoß: Prüfauftrag für oberirdischen Busbahnhof
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Moment mal! Stopp! Das ruft jetzt die Politik, federführend CDU und Grüne. Die Ratskoalition hatte sich schon im Dezember über die „Alternativlosigkeit“ echauffiert, mit der Ruhrbahn und Verwaltung am unterirdischen Busbahnhof festhielten. Jetzt stellte Schwarz-Grün im Mobilitätsausschuss die Planungen vollends in Frage – und gewann für seinen Prüfauftrag, oberirdische Möglichkeiten für einen neuen Busbahnhof zu schaffen, breitestmögliche Zustimmung auch der politischen Konkurrenz.
Axel Hercher (Grüne) und Siegfried Rauhut (CDU) als verkehrspolitische Fraktionssprecher kramen tief in den Schubladen der Stadtplanung und erinnern daran, dass vor 15 Jahren bereits ein oberirdischer Busbahnhof auf der Fläche an der Hauptpost skizziert worden war. Eine Broschüre zu einem entsprechenden städtebaulichen Wettbewerb zeigt allerlei Pläne dazu – mal mit, mal ohne Postgebäude. Klar ist: Das Areal der Hauptpost ist in Privathand. Es wird für einen Busbahnhof nicht zu haben sein.
CDU und Grüne: Weniger Buslinien am Hauptbahnhof schaffen neue Perspektiven
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„Die Umsetzung ist bislang unter anderem daran gescheitert, dass zu viele Buslinien am Hauptbahnhof enden und dem damit verbundenen Platzbedarf für Pausen. Durch die vorgesehenen Änderungen im Nahverkehrsplan soll diese Anzahl jedoch deutlich reduziert werden, ebenso wie die Anzahl der Linien, die dort nur halten“, sehen Hercher und Rauhut nun die Stunde geschlagen, die Sache noch mal neu zu denken, statt zwei „teure und wartungsanfällige“ Aufzüge zum unterirdischen Busbahnhof einzubauen.
Jetzt noch mal aktiv zu werden, erscheint der Politik auch aus einer anderen Warte sinnvoll. Das Areal rund um die Hauptpost ist insgesamt zur Entwicklung ausgerufen. Die Hauptpost wird absehbar das Feld räumen, die Easy Software AG hat ihren Abschied vom Platz verkündet. Investorin SWT aus Rain (Bayern) hatte 2018 und 2019 sowohl Hauptpost als auch umliegende Bürogebäude erworben, um etwas Neues zu entwickeln. Auch wenn sich die Sache verzögert: Was immer auch kommt, wäre die Stadt doch gefordert, ihre Flächen drumherum auch neu, attraktiver zu planen.
Politiker: „Es wäre geradezu fahrlässig, heute keine Alternativen zu prüfen“
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Kommt dann keine Verlagerung des fast 40 Jahre alten Busbahnhofs an die Erdoberfläche, wäre die Chance sicher für Jahrzehnte vertan. CDU und Grüne versprechen sich nicht nur mehr Fahrgastkomfort, sollte der Bahnhof aus dem dunklen Loch geholt werden. Auch weisen sie darauf hin, dass sich die Fahrzeit der Busse verkürzen könnte, wenn durch eine Verlegung der Haltestelle die Umfahrung des Hauptbahnhofes entfallen könnte.
„Es wäre geradezu fahrlässig, heute keine Alternativen zu prüfen“, so Hercher und Rauhut. Grüne und CDU bringen mit ihrem Prüfauftrag selbst einige mögliche Standorte für einen Busbahnhof der Zukunft ins Spiel und wollen wissen, ob sie baulich und betrieblich Sinn machen würden sowie finanzierbar wären. Neben dem vor Jahren dafür vorgesehenen Parkplatz vor der Hauptpost sind die beiden Easy-Parkplätze (einer davon am Löwenhof), die Fläche des geplanten Park-and-ride-Parkplatzes an der Parallelstraße, der Dieter-aus-dem-Siepen-Platz direkt am Bahnhofshaupteingang sowie der ehemalige Taxiplatz vor dem Nordeingang des Bahnhofs als Prüfflächen ausgerufen.
Chef-Stadtplaner: „Wir schauen jetzt, wie wir es unterkriegen könnten“
Bauarbeiten verzögern sich
Der Abriss des alten, brandschutztechnisch unzureichenden Verbindungsgebäudes zwischen Forum und Hauptbahnhof ist nach aktuellen Planungen der Ruhrbahn ab Ende dieses Jahres vorgesehen.
Schon jetzt aber ist das Neubauprojekt samt Modernisierung der U-Bahn-Station in Verzug geraten, wie Projektleiter Dirk Müller von der Ruhrbahn bestätigt. Die Firma, die die neuen Aufzüge für die U-Bahn-Station bauen soll, werde frühestens im März, „eher im Mai“ mit ihren Arbeiten beginnen. Insgesamt soll das Bauprojekt laut Ruhrbahn-Präsentation von Dezember im Herbst 2024 abgeschlossen sein.
Gefördert werden soll das 11,8 Millionen schwere Projekt mit Mitteln für den Städtebau (Überdachung) und des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr. Für letztgenannte Förderung steht die Bewilligung noch aus. Die Ruhrbahn kalkuliert mit 770.000 Euro eigenen Kosten.
Während Verkehrsdezernent Peter Vermeulen im Mobilitätsausschuss spöttisch bemerkte, die Verwaltung könne alles und jedes prüfen, die Politik sorge da ja für reichlich Beschäftigung, klingt Felix Blasch als Chef von Stadtplanung und -entwicklung und demnächst wohl Nachfolger von Vermeulen der Sache zugeneigter. Dereinst habe der städtebauliche Wettbewerb durchaus eine Realisierbarkeit aufgezeigt. „Wir schauen jetzt, wie wir es unterkriegen könnten.“
Das neue, geschwungene Dach, das nach Abriss des alten Verbindungsgebäudes zwischen Forum und Hauptbahnhof unverrückbar vorgesehen ist, soll auf jeden Fall die Höhe haben, damit Busse queren könnten. Doch hatte die Ruhrbahn dort auch Unterbauten eingeplant für Sozialräume und die Fast-Food-Kette McDonalds. Sie stünden im Weg.