Mülheim. Nachdem ein Hund in Mülheim drei Frauen gebissen hat, kritisiert ein Essener das Verhalten der Polizei: „Feige.“ Er hat Anzeige erstattet.
Eine ausgerissene Dobermannhündin sorgte am 2. Juni für Panik auf der Essener Straße. Sie biss drei Frauen, teils schwer. Wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt die Polizei jetzt gegen die 36-jährige Hundehalterin und gegen eine weitere Frau (69). Sie sollte die Hündin beaufsichtigen, war in der Situation aber völlig hilflos.
Und die Polizei? Mehrere Beamte waren alarmiert und vor Ort, zwei Passantinnen bereits gebissen worden, als die junge Hündin Liudmyla K. (51) und ihre Tochter Sofiia (22) angriff. Die Ukrainerinnen, nach eigener Schilderung „in Todesangst“, hatten sich nach der Attacke entsetzt darüber geäußert, dass die Polizisten den aggressiven Hund nicht stoppten. Ein Mann aus Essen hat jetzt Anzeige gegen die beteiligten Polizeibeamten gestellt, wegen unterlassener Hilfeleistung und Körperverletzung.
Kritik an „missglücktem“ Polizeieinsatz in Mülheim
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Der 60-Jährige ist Miteigentümer des Hauses in Eppinghofen, in dem die Ukrainerinnen wohnen. Er spricht von einem „missglückten Einsatz“, dessen Hintergründe die Staatsanwaltschaft ermitteln solle. Es sei „schwer nachvollziehbar, warum eine Gruppe von zumindest mit Schlagstock und Pfefferspray ausgerüsteten, gut ausgebildeten und trainierten Polizisten es zulässt, dass ein Hund nach seiner ersten Beißattacke einen weiteren Menschen schwer verletzt“. Ein solches Verhalten sei „feige“ und „Schutzpersonen unwürdig“, meint der Essener.
Mit der Frage, warum nicht aktiv eingeschritten wurde, hat die Polizei offenbar frühzeitig gerechnet. So heißt es in der ersten offiziellen Meldung vom 3. Juni wörtlich: „Nach Einschätzung der eingesetzten Beamten waren mögliche Einsatzmittel der Polizei gegen den Hund (z.B. Pfefferspray, Schusswaffe) in diesem Moment nicht geeignet, da anwesende Personen dadurch gefährdet worden wären.“ Die Beamten hätten Erste Hilfe geleistet. „Schließlich gelang es der 69-Jährigen doch, den Hund einzufangen und anzuleinen“, heißt es im Polizeibericht weiter.
Anzeige gegen Kollegen wird von der Polizei Bochum bearbeitet
Der Essener findet diese offizielle Rechtfertigung „absurd“: von Pfefferspray abzusehen, während Menschen von einem aggressiven Hund gebissen werden. Eine Polizeisprecherin hat bestätigt, dass die Anzeige des 60-Jährigen online eingegangen ist: „Wenn es sich um ein Fehlverhalten der Kollegen handelt, wird die Anzeige vom Polizeipräsidium Bochum bearbeitet.“
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Liudmyla K., die bei der Attacke schwere Verletzungen erlitt, hat auch bereits einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Er soll ihr helfen, Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadenersatz gegen die Hundehalterin durchzusetzen. Wie der Anwalt auf Anfrage erläutert, könnte dies entweder über die Hundehaftpflichtversicherung erfolgen (nach Auskunft der Stadt Mülheim gibt es den erforderlichen Haftpflichtnachweis für die Dobermannhündin), andernfalls werde man vor Gericht ziehen. Zunächst müssten aber die polizeilichen und gegebenenfalls staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abgeschlossen sein, erläutert der Anwalt. „Das kann Wochen dauern.“
Veterinäramt wird Zeugen befragen und die Hündin begutachten
Parallel befasst sich auch das städtische Veterinäramt mit dem Fall. Auf Grundlage des Polizeiberichtes würden Zeugen befragt, kündigt Stadtsprecher Volker Wiebels an. „Wenn alle Informationen vorliegen und der Hund begutachtet worden ist, wird der Vorgang abschließend bewertet.“ Bislang wurden keine Maßnahmen gegen die Halterin ergriffen, sie hat ihren Hund aber auch noch nicht zurückbekommen. Die Hündin muss vorerst im städtischen Tierheim bleiben.
Auch ein Bußgeldverfahren läuft gegen die 36-Jährige nach Auskunft der Stadt noch nicht. Man müsse abwarten, wie das Strafverfahren ausgeht.
Verletzte Ukrainerin hat immer noch starke Hämatome und Schmerzen
Derweil leidet Liudmyla K. nach der Hundeattacke immer noch unter starken Schmerzen und massiven Hämatomen, so berichtet es ihre Tochter. Alle zwei, drei Tage müsse sie zur Nachbehandlung ins Evangelische Krankenhaus. „Schritt für Schritt wird es aber besser.“ Von der Hundebesitzerin haben die beiden Ukrainerinnen nichts gehört – kein Wort des Bedauerns, keine Entschuldigung.
Das gilt für „große Hunde“
Ein Dobermann zählt laut Landeshundegesetz NRW (§ 11) zu den „großen Hunden“, die ausgewachsen eine Widerristhöhe von mindestens 40 cm oder ein Gewicht von mindestens 20 Kilo erreichen.
Große Hunde dürfen nur gehalten werden, wenn die Halterin / der Halter die erforderliche Sachkunde und Zuverlässigkeit besitzt, der Hund per Mikrochip gekennzeichnet ist und eine Hundehaftpflichtversicherung besteht.
Die Frauen aus Dnipro waren erst kürzlich nach einer wochenlangen, strapaziösen Flucht über Bulgarien und Rumänien nach Deutschland gekommen – „weil wir gehört haben, hier werden Geflüchtete gut und freundlich aufgenommen“, sagt die 22-Jährige. So sei es auch wirklich, trotz dieser einen schockierenden Erfahrung.