Gelsenkirchen. Vier junge Männer greifen einen 64-jährigen Gelsenkirchener unweit des Heinrich-König-Platzes an. Steine fliegen, ein Täter zückt ein Messer.
Obwohl die Kriminalität in weiten Bereichen nach der aktuellen Statistik der Polizei eher gesunken ist, beziehungsweise stagniert, steigt das subjektive Empfinden, dass die Kriminalität zunimmt. Das hat jüngst auch eine Umfrage dieser Zeitung gezeigt. Andreas K.* (64) gehört auch zu den Menschen, die das Gefühl haben, „dass es in Gelsenkirchen nicht mehr so sicher ist“. Der 64-Jährige hat am vergangenen Donnerstag einen Diebstahl in der Gelsenkirchener Innenstadt mit verhindert, darauf wurde er von vier Jugendlichen angegriffen. Einer davon zückte und bedrohte ihn mit einem Messer.
Der Schock über die durchlebte Notlage sitzt bei dem frisch gebackenen Ruheständler noch recht tief. Eine Gefühlswelt, die der langjährige Triathlet und ehemalige Leiter einer Nachhilfeschule mit diesen Worten beschreibt: „Ohnmächtig vor Wut über die eigene Machtlosigkeit, dankbar für die Hilfe von Passanten und überzeugt, dass es am Ende doch richtig war, zu warten, bis die Polizei da war und Anzeige zu erstatten.“ Lesen Sie auch: [Dauer-Ärger mit jungen Migranten – Buchhändler schlägt Alarm]
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Denn wie so viele andere Betroffene, hatte sich der Gelsenkirchener von der Strafverfolgung zunächst kaum Nutzen versprochen. Letztlich ist er aber auch durch die Überzeugungsarbeit der Umstehenden zu dem Schluss gekommen, dass „mehr solcher Vorfälle an die Öffentlichkeit gelangen müssen“, damit weniger Straftaten im Dunkelfeld verschwinden. Denn die Polizeistatistik erfasst immer nur registrierte, also angezeigte Delikte. Lesen Sie auch:[So oft werden in Gelsenkirchen Messer als Waffe genutzt]
So hat der Gelsenkirchener den Messerangriff erlebt: „Wie eine gestellte Jagdbeute“
Andreas K. hat lange überlegt, mit dem Erlebten an die Öffentlichkeit zu gehen. Er war hin und hergerissen. Darüber zu sprechen, so sagt er, erleichtere ihm die Verarbeitung des Erlebten, zugleich aber führe es auch dazu, „das Ganze noch einmal zu durchleben – die Angst, die Panik, die Hilflosigkeit“. Lesen Sie auch: [Gelsenkirchen: Darum wird die Bahnhofstraße zum Verlierer]
Sich daran zu erinnern, wie er am vergangenen Donnerstag gegen 15 Uhr zwischen Familienbüro und Tedi in die Ecke gedrängt worden ist wie „eine gestellte Jagdbeute“, sei ein zutiefst erniedrigendes Gefühl gewesen, erinnert sich der 64-Jährige. Ein Angreifer habe versucht, ihn zu treten, ein anderer habe Steine nach ihm geschmissen, während der dritte aus „seiner schwarzen Umhängetasche vor dem Bauch ein Klappmesser zückte“. Lesen Sie auch: [Gelsenkirchen: Alle zwei Tage wird ein Polizist attackiert]
Zuvor hatten ihm zufolge zwei der vier arabisch-nordafrikanisch aussehenden Jugendlichen versucht, in der Tedi-Filiale am Heinrich-König-Platz einen Diebstahl zu begehen. Einer habe eine Verkäuferin im Auge behalten, während der andere Waren in einer Tasche verschwinden ließ. „Die Mitarbeiterin hat den Diebstahl aber bemerkt, ist auf den Täter zugegangen und hat ihn des Ladens verwiesen.“ In dem Moment, so erzählt es Andreas K., habe er sich eingeschaltet. Bis dato hatte er sich die Zeit mit einem Bummel durch den Laden vertrieben, während die hilfsbedürftige Schwiegermutter nebenan im Signal-Iduna Haus einen Arzt aufgesucht hat.
Angreifer fliehen, rufen dem Gelsenkirchener zu: „Nächstes Mal erwischen wir dich allein“
„Lass das mal sein, das bringt nichts, habe ich gesagt“, berichtet der Gelsenkirchener. Der Ertappte schubste daraufhin die Verkäuferin weg und verließ den Laden mit seinem Kumpan. Draußen vor dem Laden eskalierte die Situation. „Ich hatte das Gefühl, die Jungs wollten sich rächen, weil sie aufgeflogen waren und ich mich eingemischt hatte“, so der 64-Jährige weiter. Er sei umzingelt gewesen, der mit dem Messer bewaffnete Junge habe versucht, sich von hinten anzuschleichen. „Zum Glück hat der Tumult vor dem Laden die Aufmerksamkeit anderer Passanten auf sich gezogen, als die sich einschalteten, wurde es den Vieren wohl zu heiß und sie haben sich aus dem Staub gemacht“, beschreibt K. die brenzlige Situation. Aber nicht ohne ihm zugerufen zu haben: „Nächstes Mal erwischen wir dich allein.“ Lesen Sie auch: [Einkaufen in Gelsenkirchen: „Es fehlt an Konzept und Marke“]
Die Polizei hat den Vorfall mit dem Messer bestätigt. Wegen der laufenden Ermittlungen sah die Behörde aber davon ab, zu den Einzelheiten etwas zu sagen. Tedi und auch die Verkäuferin lehnten es ab, sich zu dem Vorfall näher zu äußern.
Und Andreas K.? Ist sich sicher, die Angreifer „trotz Corona-Maske“ wiedererkennen zu können. Dann will er sofort die Polizei alarmieren, damit die Angreifer zur Rechenschaft gezogen werden. Der 64-Jährige will „den Messerangriff“ so schnell wie möglich aus dem Kopf kriegen und wieder unbeschwert durch seine Stadt gehen, wie er sagt. Allerdings mit Pfefferspray – griffbereit. (* Name geändert, der Redaktion bekannt).