Bochum. Die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften in Bochum stehen an. Die Endrunde findet da statt, wo sonst rasante Rollschuh-Action herrscht.

Fünfeinhalb Minuten auf einer Bühne reden, ohne Kostüm, ohne Requisiten. Thematisiert werden Gefühle, Politisches oder auch kuriose Erlebnisse aus dem täglichen Leben – und am Ende entscheidet das Publikum über den besten, mitreißendsten Vortrag. So funktioniert die vergleichsweise recht junge Kunstform Poetry Slam. Seit 1997 gibt es eine deutschsprachige Meisterschaft in der Disziplin, zu der Slampoetinnen und -Poeten aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg und Südtirol an einen jährlich wechselnden Ort reisen. Bald ist es wieder soweit: Vom 27. bis 30. Oktober heißt es in Bochum „Slam 23“.

Bereits 2010 wurde der Wettbewerb im Ruhrgebiet ausgetragen, damals noch in wechselnden Orten mit dem Finale in der Bochumer Jahrhunderthalle. Diesmal gibt es alle neun Vorrunden, alle drei Halbfinals und auch das Finale in Bochum – letzteres im Starlight-Express-Theater, das traditionell an Montagabenden nicht vom Kult-Musical bespielt wird.

„Slam 23“: Poetry-Slam-Finale im Starlight Express sollte erst auf Rollschuhen moderiert werden

Für die Moderation hatten sich die Slam-Szene-Berühmtheiten Sebastian Rabsahl (besser bekannt als Sebastian23) und Sandra Da Vina deshalb auch etwas Besonderes überlegt: „Es war der Plan, dass wir auf Rollschuhen moderieren. Ich hatte extra schon welche gekauft und mit Glitzer drapiert. Leider hat sich Sebastian kürzlich, wenn auch nicht bei den Proben, an den Rippen verletzt, weswegen wir das jetzt doch lieber sein lassen. Der Boden im Theater ist zudem auf Geschwindigkeit beim Skaten ausgelegt – unsere Fähigkeiten auf Rollschuhen sind dies nicht“, gibt Da Vina zu.

Im Einzel-Turnier begrüßen die NRW-Meisterin von 2014 und der deutschsprachige Meister von 2008 dann 81 Teilnehmende. Es geht traditionell nicht um ein Preisgeld, sondern um „viel Aufmerksamkeit, einen von einer Künstlerin angefertigten Siegespokal sowie einen Wanderstock, eine Art Wanderpokal mit Etiketten, der seit Ende der 90er-Jahre zwischen den Siegern weitergegeben wird“, wie Organisatorin Leah Zymny vom gastgebenden Verein WortLautRuhr erklärt.

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Der Wettbewerbsgedanke steht aber beileibe nicht für alle im Vordergrund: „80 werden den Titel nicht holen, aber doch garantiert eine gute Zeit haben. Die Atmosphäre bei den Meisterschaften ist immer etwas Besonderes, immer ein Erlebnis“, sagt Da Vina. Titelverteidiger ist der aus dem Landkreis Grafschaft Bentheim stammende Florian Wintels (30). Für Entertainment sorgt beim Finale auch die Pop-Rock-Formation Das Lumpenpack, deren Mitglieder zum Großteil der Slam-Szene entstammen, mit einem Kurzauftritt.

Manchmal nimmt Final-Moderatorin Sandra Da Vina noch selbst an Poetry Slams teil – wie hier im September 2022 im
Manchmal nimmt Final-Moderatorin Sandra Da Vina noch selbst an Poetry Slams teil – wie hier im September 2022 im "Club" zu Heiligenhaus mit Flemming Witt (links) und Moderator Jan Schmidt. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert

Comedy-Prominenz trainiert auf der Poetry-Slam-Bühne

Wer einen Blick auf die Final-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer vergangener Jahre wirft, entdeckt dort so manch bekannte Namen aus der aktuellen Comedy- und Kabarett-Szene. Darunter Till Reiners (2010, 2011), Hazel Brugger (2013), Felix Lobrecht (2013), Lisa Eckhart (2015) und auch „Känguru-Chroniken“-Autor Marc-Uwe Kling, der 2006 und 2007 gar den Titel holte. „Poetry Slam ist ein gutes Sprungbrett und eine gute Schule für das, was einen erwartet, wenn man auch auf anderen Bühnen steht“, ist sich Da Vina, die in ihren Solo-Programmen ebenfalls mit Comedy-Elementen arbeitet, sicher.

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Zwingend lustig sein, um bei den deutschsprachigen Meisterschaften abzuräumen, muss man aber nicht, sagt die in Essen lebende Slam-Veteranin: „Diese Debatte wird schon lange geführt, meine klare Antwort ist nein. Unser Publikum hat im Regelfall Lust, alle möglichen Emotionen zu erleben. Oft gewinnen diejenigen, die sowohl ernste als auch lustige Themen bedienen.“

„Slam 23“: Das Publikum entscheidet über Platz eins

Und auf das Publikum kommt es am Ende sowieso an. Denn im Poetry Slam entscheiden nicht etwa Fachjurys, sondern die Gäste vor der Bühne. Vor dem ersten Vortrag werden Wertungskarten von eins bis zehn Punkten an einzelne, spontan ausgesuchte Zuschauerinnen und Zuschauer verteilt. „Die werden dann gesondert gebrieft, damit nicht am Ende die Familie oder die Ex-Freundin oder Ex-Freund der vortragenden Person darüber entscheidet, wer gewinnt“, erklärt Da Vina.

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Die Vorrunden und Halbfinals finden im Gegensatz zum Finale in wechselnden Häusern statt. Mit dabei sind der Schlegel Kultur Club, der Bahnhof Langendreer, das Capitol Kino, das Union Filmtheater, die Kammerspiele, die Christuskirche sowie das Schauspielhaus. In letzterem kommt es übrigens schon am 29. Oktober zu einer Preisverleihung im Team-Wettbewerb, wo die Poetinnen und Poeten im Doppelpack gegeneinander antreten. „Dabei zuzuschauen, lohnt sich sehr, das hat eine besondere Dynamik. Team-Wettbewerbe sind bei regionalen oder lokalen Slams die absolute Ausnahme, weil schwer zu organisieren“, erklärt Da Vina.

Slam 23, 27.-30.10., wechselnde Spielorte in Bochum, Karten ab 12 €. Alle Termine, Karten und weitere Infos auf www.slam23.de.