Essen. Die Essener Slampoetin und Komikerin Sandra Da Vina hat ihr neues Programm „Viva Da Vina“ fertig. Ein Interview über das Solo, Pläne und Raclette.

Zwischen Slampoesie, Kabarett und Moderation bewegt sich Sandra Da Vina seit ihrem Bühnendebüt vor zehn Jahren, TV-Gastspiele in Sendungen wie „Ladies Night“ oder „Nightwash“ inklusive. Ihre Auftritte, darunter eine Ode ans gute alte Raclette, verzeichnen sechsstellige Klickzahlen bei YouTube, nun steht ein neues Soloprogramm in den Startlöchern. Mit Patrick Friedland sprach Da Vina (33) über „Viva Da Vina“, ursprüngliche Karrierepläne und – na klar – Raclette.

Nach „Da Vina takes it all“ kommt jetzt „Viva Da Vina“ – und zwischenzeitlich sollte das neue Programm sogar „Livin‘ Da Vina Loca“ heißen.

Sandra Da Vina: Ertappt. Der Programmtitel wurde in der Entstehungszeit noch einmal geändert. Aber den Wortspielen bin ich mir treu geblieben. Das ist zwar immer ein bisschen albern, aber ich kann es nicht lassen.

Haben Sie noch ein paar Namens-Wortspiele für künftige Programme parat?

Sicher. In Ihrer Zeitung stand auch schon mal die Überschrift „Der Da Vina-Code“. Da ist noch einiges möglich.

Kommt irgendwann das Kochbuch „Da Vina Schnitzel“?

Ja. Das steht natürlich noch aus. (lacht)

Wie der Titel schon nahelegt, geht es in „Viva Da Vina“ vor allem um Ihr Leben. Wie sieht denn ein typischer Tag für Sie aus?

Den gibt’s nicht. Jeder Tag ist anders. Ich bin selbstständig, ich muss mich immer neu organisieren. Dazu bin ich vor ein paar Jahren Mutter geworden. Da ist das Leben ja ohnehin ein Abenteuer. Im alten Programm war das noch ein großes Thema – welche großen Lebensentscheidungen treffe ich? Bin ich bereit, erwachsen zu werden? Jetzt ist es eher ein Blick auf das gesamte Leben, von klein auf über die Pubertät bis jetzt, wo man Zwischenbilanz zieht und sich überlegt, wer man eigentlich geworden ist.

Ist es denn ein Comedy- oder ein Poesie-Programm?

Beides, ich will mich da einfach nicht entscheiden. Ich mag es, albern zu sein, gute Laune zu verbreiten, Stand-Ups zu machen, Prosa zu lesen, die lustig ist. Aber es muss auch Platz für andere Gefühle, Formen und Stile bleiben, da wird dann auch mal gereimt.

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Stichwort „Gute Laune“: Haben Sie in diesen schweren Zeiten einen Tipp dazu?

In mein Programm kommen, ist ja klar (lacht). Generell: ich glaube, dass es die Kulturlandschaft in den vergangenen zwei Jahren versucht und auch gut geschafft hat, zu zeigen, dass man seine Sorgen dort für einen Abend vergessen kann. Es ist zudem gut und richtig, dass es in der Kultur auch Abende gibt, in denen explizit über Krisenthemen geredet wird. Aber ich will auf jeden Fall zeigen, dass das Leben nicht nur schlecht ist. Vielleicht schöpft man aus dem Veranstaltungsbesuch neue Kraft, sich mit den Dingen da draußen auseinanderzusetzen. Oder sich gar an der einen oder anderen Stelle sinnvoll einzubringen.

„Poetry Slam lässt einem so viele Freiheiten“

Sie moderieren zudem viele Formate, unter anderem die monatliche „PoesieschlachtPunktAcht“ im Düsseldorfer Zakk. Was macht mehr Spaß, Solo-Auftritte oder Moderation?

Die Mischung macht’s! Ich bin froh, dass ich mich da nicht entscheiden muss. Ein Solo-Abend ist immer etwas Besonderes, weil man da diesen Bühnenmoment exklusiv mit den Zuschauenden teilt und ganz allein gestalten darf. Jeder Abend ist da einmalig, weil ich nie weiß, wie ich mit den Menschen ins Gespräch komme. Moderation ist aber auch toll, weil ich meine Kolleginnen und Kollegen so schätze und dazu Leute erleben und kennenlernen darf, die auf der Bühne ihr Ding machen. Da nehme ich auch etwas mit. Nicht in dem Sinne, dass ich klaue, aber als Mensch. Ich konsumiere eben gerne Kultur.

Viele Slampoetinnen und -poeten fangen mit der Kunstform an, wechseln nach einiger Zeit aber gänzlich ins Kabarett-, Comedy- oder Musik-Lager. Sie nicht, warum?

Ich kann es einfach nicht lassen. Das Format lässt einem so viele Freiheiten, sich thematisch auszuprobieren. Ich höre auch den anderen Auftretenden gerne zu, da ist viel Bewegung, da passierte viel Spannendes, neue Tendenzen, neue Themen. Und: Man muss da nicht zwingend witzig sein, es werden alle Emotionen angeboten. Ich kann lachen, grübeln, tief getroffen und berührt sein. Ich genieße diese Wundertüte und habe immer noch die Lust, mich auszuprobieren. Oft denkt man, dass sich Kunstschaffende für eine Schublade entscheiden müssen – ich möchte das nicht.

Live präsentiert Sandra Da Vina eine Mischung aus Slam-Poesie und Komik.
Live präsentiert Sandra Da Vina eine Mischung aus Slam-Poesie und Komik. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Nach zehn Jahren Bühnenkarriere: Sind Sie heute da, wo Sie vor zehn Jahren heute sein wollten?

Kann ich nicht sagen. Vor zehn Jahren habe ich noch hier in Essen Germanistik studiert. Damals hatte ich noch keine Vorstellung, wo es für mich im Leben hingeht. Ich dachte, am ehesten gehe ich zum Radio. Die Bühne war für mich nie eine Option. Ich bin niemand, die sich Jahrespläne macht. Ich weiß auch nicht, wo ich in fünf Jahren sein werde. Ich bin einfach überrascht und froh, dass ich das schon zehn Jahre machen darf. Aber vielleicht schaffe ich es, in den nächsten zehn Jahren mal, einen Roman zu schreiben.

Diesen Wunsch haben Sie schon länger …

Ja,aber das schaffe ich gerade nur zeitlich absolut nicht. Inzwischen habe ich drei Buchprojekte angefangen, für die Fertigstellung von wenigstem einem müsste ich mich mal ein paar Monate auf ein Weingut in Frankreich zurückziehen. Leider habe ich kein Weingut in Frankreich. Also habe ich irgendwann für mich den Druck da rausgenommen. Man muss ja nicht alles gleichzeitig machen.

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Wie kam denn der Sprung auf die Bühne?

Zufall. Ich arbeitete in der Essener Weststadthalle an der Garderobe für eine Trashpop-Party und vorher fand dort ein Poetry Slam statt. Ich sah dann so ein paar lustige Typen auf der Bühne, darunter Jan Philipp Zymny. Ich fand das echt toll und zudem aus germanistischer Sicht interessant, wie Literatur und Text auf Bühnen eben auch funktionieren können. Dann sagten die Organisatoren so: „Ach komm, mach doch mit, du scheinst ja Interesse zu haben.“ Ich hatte meine mutigen fünf Minuten, sagte „Jaja, klar, mach ich“, fuhr dann in meine WG, bekam Zweifel. Meine Freundinnen und Freunde haben mich dann aber ermutigt, das Ganze durchzuziehen.

Wie lief der Einstieg in die Szene?

Das Schöne ist, dass da alle so gut vernetzt sind. Alles Leute, die dafür brennen, was sie tun, teils selbst veranstalten und dann sagen „Komm doch mal zu meiner Veranstaltung“. Schnell wurde es immer mehr und größer, ich hatte richtig zu tun und plötzlich kaum noch Zeit für das Studium, was ich unbedingt noch abschließen wollte. War kompliziert, aber hat funktioniert.

Ich habe den Eindruck, dass es im Poetry Slam als Frau auch einfacher ist als im Comedy- & Kabarett-Bereich, wo bei Mix-Shows oft nur eine Frau zwischen vielen Männern gebucht wird.

Das war nicht immer so. Aber da hat die ganze Slam-Szene hart dran gearbeitet, es gibt viel Nachwuchsförderung, auch im U20-Bereich, selbst in Schulen wird schon ermutigt, die Bühne zu nutzen. Wobei in Sachen Diversität da immer noch viel Arbeit geleistet werden muss. Wenn ich für Comedy-Shows gebucht werde, bin ich oft die einzige Frau. Was schade ist, weil dann die Gelegenheit zum Netzwerken mit anderen Frauen fehlt und dadurch viel verloren geht. Aber auch da passiert inzwischen viel. Es gibt ja genügend tolle Künstlerinnen und ich freue mich, wenn wir uns in Zukunft öfter die Bühne teilen!

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Viele loben Sie für ihre Fähigkeit, komplexe poetische Texte auf der Bühne schnell, auswendig und sicher vortragen zu können – haben Sie Tipps zum Auswendiglernen?

Oh, das fällt mir auch nicht mehr ganz so leicht. Früher war das irgendwie einfacher. Inzwischen ist der Kopf voll mit vielen anderen Dingen, Alltagsorganisation, das Weltgeschehen. Wie diesen berühmten Rucksack, den man mit sich rumschleppt. Man muss den Kopf frei haben, damit es klappt. Mein Tipp: Alle Texte einsprechen, z.B. sich selbst als Sprachnachricht schicken. Dann höre ich mir das an wie einen Song, den man wiederholt laufen lässt – irgendwann kann man es auswendig und fängt an, mitzusprechen.

„Die Raclette-Saison beginnt für mich am 1.1. und endet am 31.12.“

Wie lief es früher in der Schule mit dem Auswendiglernen?

Haben wir gar nicht so oft gemacht und hat mich auch nie wirklich interessiert. In der Grundschule mussten wir mal die Nationalhymne lernen, da war ich aber nicht so motiviert. Beim Slam habe ich auch ganz lange gebraucht, bevor ich nicht mehr vom Zettel ablesen musste. Ohne Blatt fällt die letzte Barriere zum Publikum. Dafür braucht es eine Menge Mut, und wenn man da einen Texthänger hat, macht das nicht ganz so viel Spaß. (lacht)

Ist das im Soloprogramm angenehmer als im Poetry-Slam, weil ein Solo viel mehr Möglichkeiten zum unauffälligen Themenwechsel bietet als ein sechs Minuten langer Slamvortrag zu nur einem Thema?

Eher nicht, im Gegenteil. Im Soloprogramm erzähle ich ja viel mehr. Da muss ich eine Menge Text und Themen im Kopf behalten. Meinem Programm merkt man aber auch deutlich an, dass ich aus der Slam-Szene komme, da sind auch einige Passagen dabei, die klassisch sechs Minuten lang sind.

Letzte Frage: Gibt es schon Pläne für Weihnachts-Raclette? Und: Fleisch oder Käse?

Käse. Fleisch brauche ich eigentlich gar nicht. Käse, Kartoffeln, bisschen Gemüse – ab geht die wilde Fahrt. Die Raclette-Saison beginnt für mich grundsätzlich ja am 1. Januar und hört am 31. Dezember auf. Aber wahrscheinlich werde ich dieses Jahr erst an Silvester raclettieren, aber das wird dann umso wilder.

>>> INFO: Sandra Da Vina live

Termine: 21.11. Wesel (Scala, Vorpremiere, ca. 20 €), 24.11. Düsseldorf (Zakk, ca. 17 €), 29.11. Hattingen (Stadtbibliothek, 10 €), 13.1. Essen (Stratmanns, ca. 23 €), 21.4. Köln (Comedia-Theater, ca. 28 €). Mehr Infos hier.

Zudem ist Sandra Da Vina an jedem dritten Sonntagabend im Monat als Moderatorin bei der „Poesieschlachtpunktacht“ im Zakk zu sehen. Einlass 19 Uhr, Beginn 20 Uhr, Eintritt 5 €.