Essen. Ja, Click-Baiting gehört mit zum Konzept des neuen Werkes von Marc-Uwe Kling. Nicht nur darum ist Qualitlyand cooler ist als Känguru-Chroniken…

Ja, so ist Qualityland. Dort wird der Nachname durch den Beruf ersetzt. Qualityland liegt gleich nebenan, in einer Zukunft, die wir kaum noch verhindern können, einer Dystopie, die Marc-Uwe Kling geschaffen hat, dessen Nachname eigentlich zwischen Kleinkünstler, Autor und Musiker changieren müsste. Jetzt erscheint der zweite Teil. „Qualityland 2.0“, logischerweise. Und wenn einer, der Held, „Peter Arbeitsloser“ heißt, ist klar, dass er in der Hierarchie nicht gerade oben steht. Damit einher geht ein niedriges Level, über dessen Stand einen stets und ständig ein Smarm genanntes Armband informiert.

Wer nicht mit Werbung drangsaliert werden will und in den besseren Vierteln wohnen möchte, braucht ein höheres Level – der chinesische Socialscore lässt grüßen. Klar, es gibt mit höheren Levels auch ein paar nette Zusatzfeatures – Kontaktlinsen, die einem die Flirtwilligkeit eines Gegenübers anzeigen. Oder, noch wichtiger, das Recht auf Vergessenwerden.

Gegenwartsdiagnostik in komikhafter Handlung

Das große Talent Marc-Uwe Klings liegt zweifelsfrei nicht im Erzählerischen, die Beschreibungen von Personen und Szenarien sind so lebendig wie die Kulissen eines Computerspiels. Nein, die große Begabung des Schöpfers der in Deutschland weltberühmten Känguru-Chroniken, ist die Übertragung und die Kritik der herrschenden und droh(n)enden Zustände in eine skurrile, auf Gags und komikhafte Abläufe zugespitzter Plot, der einem unter der Handlung eine gehörige Portion Gegenwartsdiagnostik und Gesellschaftskritik einflößt und en passant die dramatische Veränderung unserer Lebenswelt durch den Einsatz von immer mehr Künstlicher Intelligenz beschreibt und vermutlich nur einen Hauch vorwegnimmt.

Wie zum Beispiel das Umgestalten der in der Cloud gespeicherten Fotos: Man kann auch in Bilder längst vergangener Urlaube den Körper des aktuellen Partners einblenden, seine Vergangenheit also der Gegenwart gemäß umschreiben. Dumm nur, wenn es ein anderer tut....

Marc-Uwe Kling ist es gelungen, mit Büchern über ein kommunistisches Känguru (erfolg-)reich zu werden…. Es sei ihm gegönnt.
Marc-Uwe Kling ist es gelungen, mit Büchern über ein kommunistisches Känguru (erfolg-)reich zu werden…. Es sei ihm gegönnt. © X Filme | X Filme

Das Buch selbst spielt mit den Gegenwartsphänomenen, verschont seine Leser weder mit Werbeeinblendungen, die wie im wahren virtuellen Leben mit gefakten Kommentaren versehen sind, noch mit Kapitelüberschriften, die den Kampf um Klicks und Aufmerksamkeit im Netz auf die Spitze treiben - „Die Top Five der originellsten Tode! Nummer 2 ist mega-tragisch!“ heißt ein Kapitel - wobei es tatsächlich hält, was es verspricht, wenn auch nur in den Fußnoten.

Der Dritte Weltkrieg dauerte acht Stunden - Maschinen führten ihn

Die Handlung? Nun, ist nicht so wichtig, jedenfalls treibt ein unheimlicher Puppenspieler sein Unwesen, der einen Zyklopen-Roboter auf seiner Killermission fernsteuert. Dahinter geht es natürlich um die Frage, wer nächster Präsident von Qualityland wird, wie der dritte Weltkrieg ausgelöst wurde, der offenbar nur acht Stunden gedauert hat, irgendwo anders stattfand und von automatischen Waffensystemen geführt wurde. Das alles interessiert den Helden Peter Arbeitsloser nur so halb, er ist und heißt mittlerweile Maschinentherapeut und redet mit technischen Geräten. Klingt absurd? Fragen Sie mal Siri und Alexa...

Amazon heißt in Qualityland, dessen erstes Buch vor der Verfilmung steht, „The Shop“ und das soziale Netzwerk, in dem sich alle bewegen „Everybody“. Nebenbei tauchen wir in die Welt des E-Sports ein, erfahren von sagenhaften Dienstleistungen wie „Mymusic“, von einer absurden Glaubensrichtung namens „Neoliberalismus“, die das Qualityland in jenen Zustand geführt hat, den Kling so pointenreich beschreibt.

Arbeitsplätze gibt es – nur zu arbeiten gibt es dort leider nichts

Vor allem an Hand des ständigen sozialen Abstiegs von Martyn, dessen Abstieg zu den Low-Levels Kling eindrucksvoll beschreibt. Und er beschreibt auch die zunehmende Vernichtung sinnvoller Arbeit zulasten von Jobs, die irgendwie toll klingen, wo es aber faktisch nichts zu tun gibt. Kling lässt einfliessen, dass viele Manager einen Großteil ihrer Zeit darauf verwenden, zu überlegen, wie sie ihre Untergebenen beschäftigt halten. Lösung für Untergebene: Am Rechner sitzen und antworten, man verschaffe sich einen Überblick über die Strukturen des Unternehmens...

Gewiss, man ertappt sich schnell bei dem Gedanken, dass man in einem so durchökonomisierten, von Algorithmen beherrschten Gemeinwesen, in dem die Top-Level-Menschen tun und lassen können, was ihnen beliebt, nicht leben möchte, so künstlich und konditioniert wie es wirkt.

Bis man beim nächsten Gespräch mit einer Kundenhotline oder im Mailwechsel mit einem Mobilitätsanbieter merkt: Wir sind bereits angekommen im Qualityland. Nur ist dann leider alles nur halb so komisch wie in Klings Texten.

Marc-Uwe Kling, „Qualityland 2.0, Kikis Geheimnis“, erscheint am 12. Oktober, 432. Seiten., 19 Euro, E-Book 14,99, Ullstein-Verlag. Als Hörbuch: 14,95 (Download), 15,89 (CD), Mehr Infos: qualityland.de