Witten/Dortmund. Andre Tanneberger aus Witten ist ein Weltstar - nur in Deutschland kennen den 40-jährigen DJ und Produzenten nur Kenner der Elektronischen Musik-Szene. “Meine Musik wurde hier regelrecht verteufelt“, ärgert sich ATB. Am Samstag gehört er zu den Top-Acts auf der Mayday in Dortmund.
Andre Tanneberger ist ein moderner Puppenspieler. An imaginären Fäden steuert der 40-Jährige jede Woche mehrere tausend Menschen. Lässt der Wittener Melodien erklingen, fangen sie an zu träumen. Setzt der Bass ein, beginnen sie im Takt zu tanzen – manchmal bis zur Ekstase.
Andre Tanneberger spricht als DJ und Produzent eine Sprache, die weltweit verstanden und gefeiert wird. Mit seinem emotionalen, elektronischen Musik-Stil begeistert er als ATB seit über 15 Jahren in Clubs und auf Festivals in den USA, Taiwan, Südafrika oder Guatemala.
ATB erinnert sich an seine erste Mayday
Am Samstag, 27. April, hat der Weltenbummler mal wieder ein Heimspiel. Der Ruf der Mayday zieht ATB erneut in die Dortmunder Westfalenhallen. Dorthin, wo alles angefangen hat. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als Jugendlicher vor dieser unfassbar großen Bühne gestanden und mich gefragt habe, wie es wohl sein mag, dort oben zu stehen, wenn die Mayday-Hymne erklingt“, erinnert sich Tanneberger.
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Heute hat er mit ATB eine Marke geschaffen. Regelmäßig wird er bei einer weltweiten Umfrage des renommierten „DJ Mag“ unter die besten 25 DJs (im Jahr 2012 Platz 21) gewählt. Und die Nummer 1 der Welt und Top-Act auf der Mayday, den Niederländer Armin van Buuren, nennt Tanneberger seinen Freund, mit dem er bereits einen Song produziert hat.
Kritik an Medien - Elektronische Musik wurde "verteufelt"
Die Wertschätzung, die ATB rund um den Globus erfährt, die vermisst er – auch stellvertretend für seine deutschen DJ-Kollegen aus der elektronischen Musik-Szene - seit einigen Jahren in der Bundesrepublik. Nach seinem ersten großen Hit „9PM (Till I Come)“ im Jahr 1998 „wurde ich im Radio so oft gespielt, dass ich mich selbst teilweise nicht mehr hören konnte“. Doch plötzlich wurde seine Musik - etwa von 1Live - komplett aus dem Programm geschmissen. „Ich sei kein Album-Act hieß es damals, dabei stand mein Album damals auf Platz 7 der Charts.“
Die Elektronische Musik spielte lange Jahre kaum eine Rolle in den Medien. „Unsere Richtung wurde regelrecht verteufelt. Selbst bei Preisverleihungen wie dem Echo fiel die Kategorie Dance zeitweise raus“, ärgert sich Tanneberger. Seit zwei, drei Jahren werden zwar wieder vermehrt Songs von David Guetta, Avicii oder Swedish House Mafia gespielt – „aber das sind doch alles sichere Hits, die teilweise schon Monate in den Clubs laufen. Es fehlt komplett der Support für die guten deutschen Newcomer.“
ATB spielte vor 120.000 Menschen in Las Vegas
Dagegen herrsche in anderen Ländern wie in den USA eine Aufbruchstimmung vergleichbar mit dem Techno-Hype Anfang der 90er in Deutschland. Gigantische Events wie „Electric Daisy“ in Las Vegas mit 120.000 Besuchern sind wochenlang im Voraus ausverkauft – mit ATB hinter dem DJ-Pult. In Las Vegas hat der Wittener im berühmten Marquee-Nightclub eine Residenz mit regelmäßigen Auftritten ergattert. „Wenn ich schon zuhause komplett ignoriert werde, dann habe ich wenigstens international Spaß“ – und Erfolg.
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Sein guter Ruf eilt ATB weit voraus. „Als ich das erste Mal in Taiwan war und zum Soundcheck in einer riesige Halle für mehr als Zehntausend Besucher kam, fragte ich vorsichtig, ob ich wirklich der einzige DJ des Abends sei“, erzählt Tanneberger. Das war er. Und Tickets gab es schon lange nicht mehr zu kaufen.
Trotz dieser Euphorie um seine Person, wirkt der Wittener sehr geerdet: „Auf meinen Reisen habe ich an vielen Orten erkannt, wie gut es uns in Deutschland eigentlich geht und was echte Armut bedeutet“, wirft Tanneberger einen Blick über den Tellerrand. Diese Neugier und sein Antrieb, ständig etwas Neues kreieren zu wollen, treibt ihn beim Songschreiben und Produzieren an. „So habe ich mich über all die Jahre musikalisch immer weiter entwickeln können und dabei stets nur die Musik gemacht, die ich selber mag.“
"Unglaublich schöne Stimme" für neues Studio-Album entdeckt"
Derzeit bastelt ATB an seinem neuen (neunten) Studio-Album. Viel über das in der zweiten Jahreshälfte erscheinende Werk will er noch nicht verraten – bis auf eines: „Ich habe eine unglaublich schöne Stimme entdeckt“. Sie stammt von dem noch völlig unbekannten Geschwisterpaar „Boss & Swan“ aus Toronto. Erstmals gehört habe er diese Stimme in einem Film ganz leise im Hintergrund. „Es war eine wahre Odyssee, bis ich herausgefunden hatte, wer da singt und bis der Kontakt hergestellt war.“ In diesen Tagen nimmt Tanneberger mit ihnen einige Vocals für das Album auf.
Diese Techno-Stars treten am Samstag auf der Mayday auf
Auf der Mayday wird er allerdings noch keine neuen Songs spielen: „Das ist noch zu früh, denn mein DJ-Set wird im Radio übertragen“, er befürchtet „Ideen-Klau“. Auf der Mayday 2012 hatte ATB das Gefühl, dass sein Sound beim Publikum sehr gut angekommen ist. „Umso mehr freue ich mich auf die Show am Samstag, weil die Mayday eine ganz besondere Tradition hat und deren spezieller Spirit hoffentlich noch lange erhalten bleibt.“
Mit seiner Musik verfolgt ATB ein spezielles Ziel: „Es ist schön, einfach die Augen zu schließen, den Dancefloor zu betreten und alles um sich herum zu vergessen.“ Der Puppenspieler in ihm will dazu bei den 25.000 Besuchern auf der Mayday seinen Teil beitragen.