Witten. .

Der Wittener DJ André Tanneberger (ATB) legte gerade auf einem der Loveparade-Floats auf, als die Massenpanik ausbrach, die 19 Menschen das Leben kostete. Jetzt berichtet er, auf welchem Weg er von der Tragödie erfuhr und wie er damit umging.

Frage: Wie geht es Ihnen jetzt?

André Tanneberger: Das Erlebte hängt einem extrem im Kopf. Wir wurden sowohl beim Ankommen als auch beim Zurückgehen über den Tunnel geleitet. Da habe ich Sachen gesehen, die ich nie mehr vergessen werde. Und jetzt drängt sich mir eine kleine Mitschuld auf, schließlich sind all diese Menschen gekommen, um uns Künstler zu sehen. Auch wenn wir alle wissen, dass die wahre Schuld bei jemand anderem zu suchen ist.

Wann und wie erfuhren Sie von dem Unglück?

Das war eine ganz komische Sache, über die ich mich im Nachhinein immer noch wundere. Ich habe gerade gespielt und auf einmal hieß es, ich solle eine Durchsage machen und die Leute dazu auffordern, sich in Richtung Abschlusskundgebung zu bewegen. Erst dachte ich, es sei vielleicht für Fernsehaufnahmen. Bis mir ein Techniker eine SMS zeigte, in der von einer Massenpanik die Rede war.

Was geschah weiter?

Ich sah in die betröpfelten Gesichter der Security-Leute und wurde zunehmend verunsichert. Auf meinem Handy las ich dann die „Breaking News“ von n.tv. Darin hieß es, dass zehn Menschen bei einer Massenpanik ums Leben gekommen seien. Da war für mich sofort klar: Ich werde auf keinen Fall weiterspielen! Kurz darauf brach auch schon das gesamte Handynetz zusammen.

Die Loveparade wurde nicht sofort unterbrochen. Stand es Ihnen frei, mit dem Spielen aufzuhören?

Von oben kam zwar die Ansage: Die Musik soll weitergehen, aber die Künstlerbetreuer haben uns die Entscheidung überlassen. Für mich war es aus Pietätsgründen unmöglich, die Musik fortzusetzen. Deshalb habe ich aufgehört. Ich weiß auch nicht mehr, wie es dann weiterging. Zu dem Zeitpunkt waren die endgültigen Ausmaße der Tragödie ja noch gar nicht bekannt.

Hätte man dieses Unglück verhindern können?

Man hätte es nicht nur verhindern können, sondern müssen. Die Bedingungen, unter denen man das Gelände betreten und verlassen sollte, waren katastrophal. Die Fluchtwege bestanden aus kleinen Treppen, die auch noch mit Schotter bedeckt waren und aus 45 Grad steilen Böschungen. Dass so ein Tunnel ein klaustrophobisches Risiko birgt, muss doch vorher klar sein. Hätte ich im Vorfeld von diesen Zuständen gewusst, hätte ich gar nicht zugesagt und viele andere Künstler hätten es mit Sicherheit auch nicht getan. Ich hoffe, dass so ein Fehler nie wieder gemacht wird.

Der Veranstalter hat jetzt das Aus der Loveparade verkündet. Finden Sie das richtig?

Wenn man an die Angehörigen der Opfer denkt, ist es sicher richtig. Auf der anderen Seite ist es aber auch sehr schade. Profitdenken hat die Loveparade zerstört. Denn die eigentlich friedliche Veranstaltung erhält jetzt diesen bösen Beigeschmack, obwohl die Leute, die einfach nur feiern wollten, ja überhaupt nichts dafür konnten.