Essen. . Gregor überlässt seinem Freund Paul seine Freundin Anna – es ist ein Geburtstagsgeschenk. Doch Georg fordert eine Gegenleistung: Wenn immer er wolle, solle er Anna zurückbekommen. 30 Jahre später sehen sich Paul, Anna und Georg wieder. Es beginnt ein teuflisches Spiel.
Es ist ein Pakt wie ihn wohl nur Jugendliche schließen können. An einem Sommernachmittag am Baggersee überlässt Georg seinem Klassenkameraden und Konkurrenten Paul seine Freundin Anna. Im Gegenzug soll Paul unter all den Teenagern am See irgendein Mädchen herauspicken, das Georg dann verführen soll.
Pauls Wahl fällt auf die Punkerin Yvonne, die schon von ihrer rebellischen Aufmachung her so gar nicht zu dem adretten und strebsamen DDR-Musterschüler Georg passt. Außerdem ist sie nicht allein am See. Trotzdem lässt sich Georg auf dieses Spiel ein. Nur stellt er noch eine Bedingung. Sollte er jemals Anna zurückhaben wollen, muss Paul umgehend auf sie verzichten.
Dieses in nostalgischen Sepiatönen gehaltene Vorspiel zu DDR-Zeiten hat etwas Irreales, Märchenhaftes. Einen solchen Blick, wie ihn Denis Dercourts „Zum Geburtstag“ auf die Achtziger Jahre wirft, war bisher unvorstellbar im deutschen Kino. Wahrscheinlich sind unsere heimischen Filmemacher einfach zu befangen, wenn es um diese noch längst nicht verarbeitete Epoche geht.
Dem französischen Filmemacher Dercourt ist diese Last der Geschichte natürlich fremd. Er hat eine ganz andere Perspektive auf das Leben in der DDR. Dieser nach Außen abgeschlossene Staat mit all seinen Kontrollinstanzen und Überwachungsmechanismen ist wie geschaffen für eine Geschichte um Schuld und Schulden, um jugendlichen Leichtsinn und teuflische Intrigen.
Der Franzose hat eine andere Perspektive auf das Leben in der DDR
30 Jahre später leben Paul (Mark Waschke) und Anna (Marie Bäumer) immer noch zusammen. Beide haben sie im Westen Karriere gemacht – sie als Biologin in der Forschung, er als Investment-Banker. Während sie die alten Zeiten einfach vergessen hat, hängt die Vergangenheit über ihm gleich einem Damokles-Schwert.
Paul ahnt wohl, dass die spielerische Abmachung, die er einst getroffen hat, sich einmal als wahrhaft faustischer Pakt entpuppen wird. Und nun ist es so weit. Sein Chef ist niemand anders als Georg (Sylvester Groth). Der lebt zwar immer noch mit Yvonne (Sophie Rois) zusammen und gibt vor, seit einem Autounfall an Gedächtnislücken zu leiden. Doch für Paul steht fest, dass Gregor zurück ist, um einzufordern, was ihm zusteht.
Schon in „Das Mädchen, das die Seiten umblättert“, einem 2006 entstandenen Szenario eines äußerst perfiden Rachefeldzugs, hat Denis Dercourt auf ebenso überraschende wie konsequente Weise mit klassischen Thriller-Versatzstücken gespielt. Seine meist nach musikalischen Prinzipien komponierten Szenen haben damals allseits bekannten Motiven und Konstellationen noch einmal neue Töne abgewonnen.
Eine ähnliche Strategie verfolgt der ehemalige Bratschist nun auch in seiner ersten deutschsprachigen Produktion. Nur sabotiert er die dem Genre eigene Logik immer wieder durch märchenhafte Wendungen. Von der Stringenz und Gradlinigkeit, die „Das Mädchen, das die Seiten umblättert“ prägten, ist hier nichts mehr übrig.
Nahezu jeder Satz in diesem Film klingt aufgesagt, dröhnend und leer
Wer sich nicht auf Dercourts Spiel mit alten deutschen Mythen und zeitgenössischen Traumata einlassen kann, wird sich an seinen Bildkompositionen genauso wie an dem extrem gespreizten Spiel seiner vier Hauptdarsteller sehr schnell stoßen. Schließlich klingt nahezu jeder Satz in diesem Film wie aufgesagt, dröhnend und leer. Doch genau diese Bedeutungslosigkeit ist es, von der Dercourt auf überaus drastische Weise erzählt.
Nicht nur das von Mark Waschke und Marie Bäumer beinahe schlafwandlerisch gespielte Allerweltspärchen flüchtet sich in Karriere und Luxus, um zu vergessen, dass ihr Leben längst jeden Sinn verloren hat. Auch ihre teuflischen Gegenspieler, die Sylvester Groth und Sophie Rois mit einer umwerfenden Lust am Dämonischen verkörpern, sind Geschöpfe absoluter Leere. Wer sich also von Dercourts seltsamer und letztlich zutiefst verstörender Ästhetik gefangen nehmen lässt, wird in diesem Spiel um Rache und Macht tatsächlich ein faustisches Spektakel erkennen.
Wertung: Vier von fünf Sterne