Essen. . Der britische Regisseur Michael Winterbottom ist bei seinen zahlreichen Filmen immer für eine Überraschung gut. In „The Look of Love“ breitet er die Biographie von Paul Raymond aus, einem britischen Unternehmer der besonderen Art: Sein Reich waren Stripclubs und Nackt-Revuen.
Den Namen des 2008 verstorbenen Paul Raymond mag bei uns kaum jemand kennen. In England jedoch ist er eine Legende des Sex-Business: Ein Mann, der aus dem Nichts kam, mit einem derart untrüglichen Instinkt für den Erfolg gesegnet, dass er später zeitweilig als der reichste Mensch Großbritanniens galt. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere hatte der findige Unternehmer auf der Basis nackter weiblicher Haut im Londoner Stadtteil Soho ein Imperium aus Immobilien, exklusiven Nachtclubs, Erotik-Revuen und Männermagazinen aufgebaut.
Mit Rolls Royce und Frauen unterwegs
Das ist eine Biographie so ganz nach dem Herzen des Regie-Tausendsassas Michael Winterbottom. Der hat sich mittlerweile an so ziemlich allem versucht, was das Kino an Themen hergibt, hat in „9 Songs“ mutige Sexszenen eingebaut, hat sich mit „Das Reich und die Herrlichkeit“ an einem Western versucht und mit „The Road to Guantánamo“ auch schon handfestes Polikino abgeliefert.
Die Musikszene im Manchester der 70er- und 80er-Jahre war Thema von „24 Hour Party People“, bei dem Winterbottom erstmals mit dem Schauspieler Steve Coogan zusammenarbeitete. Dass der nun diesen Paul Raymond spielt, verwundert nicht: Auch dieser Sex-Unternehmer war einer der „24 Hour Party People“, der nachts mit seinem Rolls Royce und wechselnden Gespielinnen wie ein Herrscher sein Revier erkundete, um am Ende dann dem Champagner und den Damen zu huldigen.
Ein Mann in dauernder Feierlaune
Coogan ist die perfekte Besetzung für diesen Mann in dauernder Feierlaune, immer einen Scherz auf den Lippen, angenehm im Umgang, als Familienmensch jedoch völlig verantwortungslos. Gattin Jean (Anna Friel) duldet seine sexuellen Ausschweifungen, solange es geht, die gemeinsamen Kinder interessieren diesen König der Nacht herzlich wenig.
Die Scheidung wird schließlich unausweichlich, als mit Julia (Tamsin Egerton) eine neue Hauptfrau in sein Leben tritt, die er unter dem Namen Fiona Richmond zum Star seiner Männermagazine macht.
Winterbottom erzählt chronologisch. Noch in trübem Londoner Schwarzweiß lässt er Raymond die Idee für einen gebührenpflichtigen Männerclub entwickeln, in dem man sich nicht mehr um die offiziellen Schamgrenzen beim Strippen kümmern muss. Dass er trotzdem unentwegt mit Klagen wegen „Obszönität“ überzogen wird, gehört in diesem Milieu zum Job.
In den knalligen Farben des Swinging London lässt die Regie diesen Geschäftsmann, der „Sex mit Stil“ verkaufen will, wie schwerelos zum Zenit seines Erfolges fliegen. Dass dahinter ein Absturz lauern könnte, kommt einem wie Paul Raymond nicht in den Sinn.
Nur wenige Szenen ohne Steve Coogan
Der Film ist ganz und gar auf seinen Protagonisten focussiert, es gibt nur wenige Szenen ohne Steve Coogans Präsenz. Man mag das der Regie ankreiden, konsequent ist es in jedem Fall.
Winterbottom nimmt dafür in Kauf, dass andere Figuren nur dann eine Rolle spielen, wenn sie Raymond nahe kommen. Debbie (Imogen Poots) etwa, die älteste Tochter, in die er viel zu spät alle Vatergefühle investieren will, die er bisher ignoriert gehalten hat. Umsonst: Der Plan, Debbie ins Showgeschäft zu bringen, schlägt mangels Talent schrecklich fehl. Dafür wächst ihr Drogenkonsum, der ihr schließlich zum Verhängnis wird.
Am Ende einsam und verlassen
Es ist letztlich der facettenreichen Darstellung der sehr präsenten weiblichen Schauspieler zu verdanken, dass man sie im Lichte des Sonnenkönigs Raymond noch so stark wahrnimmt. Doch selbst bei ihm, dem ewigen Sonnyboy, dämmert im Alter die Erkenntnis, nach einem turbulenten Leben nun einsam und verlassen zu sein. So endet ein unterhaltsamer, schnell geschnittener Film voller wirkungsmächtiger alter Hits. Aber selbst am diesem Punkt jetzt wäre Trauermusik wenig angebracht.