Essen. . Helmut Dietl war einst der Darling unter den deutschen Regisseuren. Seine TV-Serien „Monaco Franze“ und „Kir Royal“ wurden Kult, Filme wie „Schtonk“ und „Rossini“ galten als große Satiren auf den Medienbetrieb. Das lässt sich von seinem neuen Film „Zettl“ nicht sagen.

„Der Mann ist müde und krank und ausgebrannt, der kann keinen Film mehr machen“, stellt das Filmsternchen Schneewittchen (Veronica Ferres) fest, nachdem sie dem Regisseur Uhu Zigeuner (Götz George) näher gekommen ist. Es ist eine Szene aus „Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“, mit der Helmut Dietl 1997 eine gallige Satire auf den deutschen Filmbetrieb gelungen war. Heute, angesichts seines neuen Films „Zettl“, der diese Woche in die Kinos kommt, hat dieses Zitat fast etwas Prophetisches: Die Quasi-Fortsetzung von Dietls legendärem Fernseherfolg „Kir Royal“ weist nichts mehr auf, was an die grandiose Zeit des einst als „deutscher Lubitsch“ gefeierten Regisseurs erinnert.

Keine Liebe zum Handlungsort

„Kir Royal“, das war 1986 eine sechsteilige Serie über die Münchner Bussi-Gesellschaft, die von dem Klatschreporter Baby Schimmerlos (Franz Xaver Kroetz) mächtig aufgemischt wird. Dietl, selbst Bestandteil dieser Schickeria, und sein Szenarist, der „Parfüm“-Autor Patrick Süskind, breiteten da mit viel Frechheit und trefflichen Dialogen ein Panoptikum weiß-blauer Schrullitäten aus. Gehässig wurde es nie, nur urkomisch, weil da immer ein gutes Stück Herz und Gemüt der Münchner Autoren spürbar blieb.

Von diesem schlitzohrigen Humor, vor allem aber von dieser Liebe zum Handlungsort, ist in „Zettl“ nichts zu spüren. Wie denn auch, wenn der Urbayer Dietl nun das Geschehen nach Berlin verlegt hat und an die Stelle des schmerzlich vermissten Patrick Süskind nun ein Benjamin von Stuckrad-Barre getreten ist. Der kann zwar einen machtvollen Output an Geschriebenem vorweisen, ist aber in Sachen Drehbuch ein Anfänger.

Schimmerlos ist jetzt im Himmel

Schon der gezeichnete Prolog hat nur Unheilvolles zu verkünden: Baby Schimmerlos ist mit seinem Motorrad gegen eine Säule des Brandenburger Tores geknallt und lebt nun als Bayer im Himmel, Lebensgefährtin Mona (Senta Berger) hat in der Zwischenzeit Karriere als Volkssängerin gemacht und der pfiffige Fotograf Herbie Fried (Dieter Hildebrandt) sitzt mittlerweile im Rollstuhl. So viel zum Personal von gestern, dessen Erscheinen in „Zettl“ schmerzliche Erinnerungen an bessere Zeiten wachruft.

Dietl jedenfalls scheint die Berliner Szenerie viel zu miefig und zu piefig vorzukommen, als dass man sich als Münchner damit beschäftigen müsste. Als Ersatz für die schale Realität bietet er uns ein Konstrukt, das zu keiner Zeit Gefahr läuft, mit der Wirklichkeit auch nur das Geringste zu tun zu haben. In einer Atmosphäre spürbarer Kälte präsentiert er uns einen aschfahlen Bundeskanzler (wieder: Götz George), der alkoholkrank dem Ende entgegendämmert, nach erfolgtem Exitus aber erst mal auf Eis gelegt wird, weil die Nachfolgefrage noch geklärt werden muss.

Filmischer Abgrund

Hoffnungen macht sich die Regierende Bürgermeisterin (Dagmar Manzel), die in Wahrheit ein Mann ist und genau deshalb mit dem schwulen Schweizer Milliardär Doucier (Ulrich Tukur) ein Verhältnis hat. Dessen Trauer ist groß, als sich seine große Liebe einer Geschlechtsumwandlung un­terzieht und den Möchtegern-Reporter Zettl (Michael Bully Herbig) adoptieren will. Womit wir bei der Titelfigur des Films angekommen wären. Zettl war eigentlich der Chauffeur des Schweizer Milliardärs, der in Berlin eine Kulturzeitschrift im Stile des „New Yorker“ etablieren möchte. Mangels Alternative macht ihn Doucier kurzerhand zum Chefredakteur der Online-Publikation, die sich unter Zettl blitzartig in ein Boulevard-Magazin verwandelt.

Mit dem Mut der Verzweiflung

Überzeichnete Klischees, schale Dialoge und ein peinlicher spätpubertärer Humor kennzeichnen das Geschehen auf diesem Planeten Berlin, fernab der guten alten Erde. Mit dem Mut der Verzweiflung stürzt sich eine Garde großer Schauspieler samt Gaststars in den filmischen Abgrund. Und Dietl? Der findet zu keiner Sekunde eine Haltung zum Geschehen, geschweige denn zu seinen Figuren. Als sei er müde und ausgebrannt.