Essen. Im TV-Talk von Anne Will macht der Gewerkschaftschef erneut klar, dass es in dem Konflikt nicht um Tarife, Arbeitszeiten und Jobsicherheit geht - sondern um Machtfragen. Und da dieser Konflikt auf geltendem Recht beruht, sieht Weselsky auch keinen Anlass für Kritik an seiner Haltung.
GDL-Chef Claus Weselsky kann eigentlich nur hoffen, dass möglichst wenig Bahnkunden seinen Auftritt in der Talkrunde bei Anne Will am Mittwochabend verfolgt haben. Denn sonst dürfte er sich noch mehr "Nettigkeiten" anhören, wie er es nannte - über das Treiben seiner Gewerkschaft. Seit Wochen werden Passagiere der Bahn und der Lufthansa geplagt von einem Arbeitskampf, dessen Heftigkeit für die meisten Betroffenen nicht mehr nachvollziehbar ist. Weselsky wehrte sich zwar heftig gegen den Vorwurf, die Gewerkschaft der Lokomotivführer nehme die Reisenden in „Geiselhaft“ für einen Machtkampf mit der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Aber genau diesen Eindruck zementierte er letztlich: Die GDL streikt aus Prinzip.
Denn die 34 000 Mitglieder starke GDL will vor allem, dass sie künftig außer für die Lokführer auch für Zugbegleiter, Bistro-Mitarbeiter, Disponenten und Lokrangierführer eigene Tarifverträge aushandeln darf. Die EVG mit ihren 210 000 Mitgliedern lehnt das ab. Sie will in Tarifverhandlungen auf Gewerkschaftsseite weiterhin bei den Berufsgruppen das Sagen haben, bei denen sie die Mehrheit der Mitglieder vertritt. Die Bahn wiederum will konkurrierende Tarifverträge vermeiden – und beharrt deshalb darauf, mit den Gewerkschaften an einem Verhandlungstisch zu einem einheitlichen Tarifvertrag fürs gesamte Unternhemen zu kommen.
Weselsky ficht Kritik nicht an
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Weselsky blieb einmal mehr die Antwort schuldig, warum er sich nicht gemeinsam mit der EVG an einen Tisch setzen will (wie das in anderen Branchen durchaus üblich ist). Stattdessen zog er sich auf eine reine formalistische Argumentation zurück: Das Gesetz erlaube die Position der GDL, dies sei ein Grundrecht. Was stimmt – wobei Weselsky andere Argumente, die bei einem Tarifkonflikt traditionell ebenso eine Rolle spielen, gänzlich ausblendete: Es geht nicht um Arbeitsplatzsicherung, Tarife, Solidarität, die Zukunft des Unternehmens – oder gar um die Kunden. Es geht Weselsky ums Prinzip, wie er dem zornigen alten Mann der Runde letztlich bestätigte: Klaus von Dohnany, SPD-Politiker und langjähriger Schlichter in Tarifkonfikten warf dem GDL-Chef genau das vor – und ihm wurde nicht widersprochen. Auch dass er die Bahnkunden letztlich vergraule, wie die Moderatorin insistierte – und den neuen Konkurrenten der Busfernlinien zutreibt, ficht den Gewerkschafter nicht an.
Pilotenstreik um Luxus-Privilegien?
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Bei der Lufthansa ist der Fall ähnlich schwer nachvollziehbar für die Kunden: Die Pilotengewerkschaft Cockpit verlangt, dass Lufthansa-Piloten weiterhin mit 55 in den Ruhestand dürfen – mit 60 % ihres letzten Einkommens, in vielen Fällen 150.000 – 170.000 Euro. Das Privileg stammt aus der Zeit, als die Airline noch ein Staatsunternehmen war – und gilt etwa für die meisten Mitbewerber nicht. Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, verwies darauf, dass die Welt sich „inzwischen weitergedreht“ habe. Die Lufthansa sei eine der teuersten Fluggesellschaften der Welt – und stehe unter wachsendem Konkurrenzdruck durch Billig-Airlines. Sie muss regieren und Kosten kürzen.
Ilja Schulz, Präsident der Pilotengewerkschaft Cockpit, gab sich zumindest verhandlungsbereit – warf aber der Lufthansa vor, den Konflikt gezielt zu schüren – um die Politik dazu anzustacheln, den Kleingewerkschaften gesetzlich ans Streikrecht zu gehen. Das allerdings, da war sich die Runde einig, wird nicht so einfach sein. Von Dohnany forderte jedoch mit Blick auf die Auswirkungen der jetzigen Streiks die Einführung einer Zwangsschlichtung in Bereichen der sogenannten „Daseinsvorsorge“ - das heißt Infrastrukturbereichen, die unmittelbare Auswirkung auf das Funktionieren eines Landes haben.