Berlin. . Spartengewerkschaften wie GDL und Cockpit sind sehr klein, dafür aber umso mächtiger. Die Bundesregierung will sie nun per Tarifeinheits-Gesetz in die Schranken weisen, riskiert damit aber eine Kollision mit dem Grundgesetz. Und selbst Groß-Gewerkschaften sehen sich in der Zwickmühle.
Mit aller Härte kämpfen derzeit Lokführer und Piloten um Einflussbereiche oder Privilegien. Dass ihre Gewerkschaften nur wenige Mitglieder zählen (GDL: 34.000, Cockpit: 8000), spielt dabei keine Rolle. Weil sie an den Schalthebeln ihrer Unternehmen sitzen, ist die Macht beider Berufsgruppen enorm groß. Die Regierung will sie nun beschränken.
Die Kleingewerkschaften sind zwar Ausnahmen in der Tariflandschaft, aber ungemein kampfstark. Die mitgliederstärkste ist der Marburger Bund, in dem sich rund 110.000 Krankenhausärzte organisiert haben. Zu den ganz kleinen gehören der Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie (VAA) sowie die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), die Tarife für die Fluglotsen aushandelt. Ebenfalls im Luftverkehr tätig ist die Unabhängige Flugbegleiter-Organisation (UFO) als Vertretung des Kabinenpersonals. Alle Gewerkschaften eint ihre Schlagkraft. Es gibt in Deutschland über hundert Gewerkschaften, doch nicht alle sind tariffähig, dürfen also streiken.
Nahles will Gesetzentwurf im November vorlegen
Über Jahrzehnte war die Existenz der Spartengewerkschaften unproblematisch, weil sie meist die Tarifabschlüsse der Branchengewerkschaften übernahmen. Das hat sich geändert, spätestens nachdem der Bundesgerichtshof 2010 mehrere Tarifverträge in einem Betrieb für rechtens erklärte. Der Marburger Bund kämpft seit 2005 nur noch für seine Klientel, die GDL seit 2007. Arbeitgeber und Großgewerkschaften kritisieren die Alleingänge der Kleinen. Die einen wollen keine konkurrierenden Tarifverträge, die anderen müssen die Interessen aller Beschäftigten berücksichtigen und sich zugunsten weniger kampfstarker Teile der Belegschaft zurückhalten.
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Nach den spektakulären Streiks von Piloten und Lokführern will die Bundesregierung nun die Tarifeinheit per Gesetz wiederherstellen. Im November will Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) den Gesetzentwurf vorlegen. Die Eckpunkte sind bekannt. In jedem Betrieb soll nur ein Tarifvertrag für jede Berufsgruppe gelten. Diese Vereinbarung soll die jeweils mitgliederstärkste Gewerkschaft treffen dürfen. Damit würde den Spartengewerkschaften ihre wichtigste Waffe genommen, das Streikrecht. „Ein Aufruf zu Arbeitskampfmaßnahmen wäre dann grob rechtswidrig“, befürchtet der Chef des Marburger Bundes, Rudolf Henke.
Verdi-Chef lehnt Eingriff ins Streikrecht ab
Doch viele Experten bezweifeln, dass die Koalition damit durchkommt, denn das Grundgesetz schützt die Rechte tariffähiger Gewerkschaften unabhängig von ihrer Größe. Da sich weder neue Berufsgewerkschaften gegründet haben noch die Zahl der Ausstände stark gestiegen ist, halten Fachleute Einschnitte in deren Recht für unbegründet. „Alle Berufsgewerkschaften zusammen waren seit 2010 in weniger als 30 Tarifkonflikte involviert“, sagt Heiner Dribbusch, Tarifexperte der Böckler-Stiftung, dagegen „allein Verdi in 600“. Auch deshalb wird der Gesetzestext mit Skepsis erwartet.
Henke spricht von einem drohenden „Tarifkommando“, GDL-Chef Claus Weselsky von einem „Tarifdiktat“, wenn die Koalition ihnen eine Großgewerkschaft vor die Nase setzt. Beide wollen in diesem Falle das Bundesverfassungsgericht anrufen. Doch auch die Großgewerkschaften, so sehr sie sich über die Kleinen ärgern, lehnen Eingriffe ins Streikrecht ab. So kritisierte Verdi-Chef Frank Bsirske jüngst zwar die Vorgehensweise der GDL, stellte aber gleichzeitig klar: „Verdi lehnt jeden gesetzlichen Eingriff ins Streikrecht ab.“