Leck/Schleswig-Holstein. Deutschland und Dänemark gelten als Vorzeigenachbarn, doch das war nicht immer so. Ein fast vergessenes Kapitel der gemeinsamen Geschichte blättert ein Filmteam aus beiden Ländern jetzt auf - mit jungen Deutschen als Opfern.
Sie sind auf dem Bauch über den Strand gekrochen, haben mit Holzstäbchen im Sand gestochert und sie dann mit den Händen ausgegraben, die Mine. So beschreibt Filmproduzent Malte Grunert die lebensgefährliche Arbeit deutscher Kriegsgefangener in Dänemark nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Es ist ein wenig beleuchtetes Kapitel der Nachkriegsgeschichte, dem sich die deutsch-dänische Koproduktion "Unter dem Sand" widmet. Für sie wird derzeit in Leck in Nordfriesland gedreht.
Der dänische Regisseur Martin Zandvliet hatte vor dem Projekt noch nie von den Ereignissen an der dänischen Westküste gehört. Während des Krieges hatten deutsche Truppen dort in Erwartung eines Angriffs der Alliierten mehr als zwei Millionen Landminen vergraben.
Nach Kriegsende waren es wieder Deutsche, nun Kriegsgefangene, die mit primitivsten Mitteln die Minen zu räumen versuchten. "Ich habe nach Geschichtsbüchern darüber gesucht und nichts gefunden", sagt Zandvliet am Rande der Dreharbeiten. Warum? "Weil du nicht zeigen willst, dass du auch ein Monster bist", sagt der Däne offen.
Fiktionale Geschichte vor realem Hintergrund
Auch in Dänemark habe es "Dämonen" gegeben. Es sei so traurig, dass gerade viele Jugendliche bei der Minensuche umgekommen seien, ehemalige Angehörige des Volkssturms. "Wir hätten das auf eine humanere Art tun können. Du kannst nicht die Kinder bestrafen, du musst den Vater bestrafen."
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Im Mittelpunkt des Films steht ein Gruppe von zwölf Jungen, von denen am Ende noch vier am Leben sein werden. Vor dem realen Hintergrund wird eine fiktionale Geschichte erzählt. Bei der ersten Unterweisung in Minenkunde macht ihnen ein dänischer Hauptmann, gespielt von Mikkel Boe Følsgaard ("Die Königin und der Leibarzt") klar, dass Namen und Geschichten ihn nicht interessieren, dafür sei die Gruppe da.
2015 soll der Film in die Kinos kommen
Gedreht wird auf ehemaligem Bundeswehrgelände in der nordfriesischen Einöde. Heftige Regenschauer und strahlender Sonnenschein wechseln sich an diesem Augusttag über der Graslandschaft ab. Das Filmteam hat zwischen alten Hangars den Eingang zum dänischen Kriegsgefangenenlager errichtet, der rot-weiße Dannebrog flattert im Wind.
Im Lazarett stehen die Eisenbetten mit Strohkissen dicht an dicht. Die Explosionsszenen wurden alle bereits in Dänemark in der Nähe von Esbjerg gedreht. In Leck ist das Team noch bis zum Freitag. Hier habe es "alles, was wir an Motiven brauchten", sagt Produzent Grunert. 2015 soll der Film in die Kinos kommen. Danach zeigt ihn das ZDF, das Koproduzent ist. Neben anderen ist auch Danmarks Radio beteiligt.
Leon Seidel hat bei "Stromberg" mitgespielt
Zu den jungen Schauspielern, die in einer Drehpause mit Kunst-Dreck im Gesicht ein schnelles Mittagessen einnehmen, gehört der 17-jährige Leon Seidel ("Huck Finn", "Stromberg"). Die bislang schwerste Szene war für ihn die, als ihm in seiner Rolle als junger Minenräumer die Arme abgesprengt werden.
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"Manche am Set haben geweint, das fand ich sehr krass." Das sind Szenen, die auch den Schauspielern nahegehen. Dennoch: "Ich persönlich nehme nichts mit nach Hause oder ins Hotelzimmer", sagt der 17-Jährige, der seine roten Haare wie alle im Stil der 40er Jahre kurz geschnitten trägt. Und trotz der Tränen beim Unglücksdreh: "Ich freue mich, die Szene im Kino zu sehen."
"Keine typische Weltkriegsgeschichte"
Für Leons gleichaltrigen Kollegen Louis Hofmann ("Huck Finn", "Soko Köln") ist der Film, auch wenn er vor 70 Jahren spielt, dennoch aktuell, angesichts des Einsatzes von Landminen etwa in Afghanistan. "Und es ist eine Geschichte, die noch nicht erzählt wurde, nicht die typische Weltkriegsgeschichte."
Stereotypen würden in "Unter dem Sand" zerstört. Es sei ein "lange nicht gerne beleuchtetes Thema in Dänemark", sagt auch Grunert. "Tricky" sei es, findet Regisseur Zandvliet, der mit Diskussionen auf dänischer und deutscher Seite rechnet und sie auch erhofft.
Zandvliets Vater stammt aus den Niederlanden, wurde aber in Hamburg geboren. So ist Zandvliet das Nachbarland nicht fremd. Der Film sei über Vergebung, über Hass, der verschwindet, und über Länder. Letztlich, sagt er, seien wir doch alle gleich: "Wir alle wollen einen Job haben und glücklich sein." (dpa)