Neuer Kölner Tatort "Ohnmacht" ist eine düstere Ballade
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Köln. . Wie viel Glauben schenkt man den Aussagen eines Täters, der einen selbst ohnmächtig geschlagen hat? Diese Frage muss sich Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) in der neuen “Tatort“-Folge “Ohnmacht“ stellen. Eine düstere Ballade vom Bösen, die starke Emotionen weckt.
Was unterscheidet den Künstler vom Handwerker? Dass gerade bei Standards seine Klasse unübersehbar ist. Beispiel: Gewalt in der U-Bahn. Ein derart starkes Angstthema in der Gesellschaft, dass es im „Tatort“ mehrfach behandelt wurde. Und dennoch ist der Kölner „Tatort: Ohnmacht“ (Sonntag, ARD, 20.15 Uhr) ein Film, der das Publikum vom ersten Bild an bannt.
Die düstere Ballade vom Bösen nimmt ein Motiv auf, das die Kölner zuletzt ignorierten: die Wurstbude auf der Deutzer Seite, dem Dom gegenüber. Der Krimi beginnt und endet damit, die Klammer signalisiert eine in sich abgeschlossene Episode. Doch Drehbuch-Autor Andreas Knaup und Regisseur Thomas Jauch spielen damit, dass ein Bruch gibt zwischen Form und Inhalt.
Am Ende soll nachwirken, was am Anfang Aufmerksamkeit der Zuschauer erregt hat – und die Aufmerksamkeit von Kommissar Ballauf (Klaus J. Behrendt). Er hat mit seinem Kollegen und Kumpel Schenk (Dietmar Bär) ein Feierabendbier gezischt, als er in einer nahen U-Bahn-Station Zeuge eines Angriffs von zwei Jugendlichen auf ein in etwa gleichaltriges Opfer wird; der Musikstudent wird später sterben. Ballauf versucht zu schlichten – und gerät schließlich unter die Räder einer einfahrenden U-Bahn.
Aus Opfern werden Täter gemacht
Damit fängt für ihn der Alptraum aber überhaupt erst an. Körperlich kommt Ballauf glimpflich davon, dafür setzen ihm die jungen Verdächtigen zu. Der Hauptverdächtige (Robert Alexander Baer), seine Freundin (Stephanie Japp) und ein weiterer Kumpel (Sven Gielnik) kommen aus bester Familie.
Die Büros der Tatort-Kommissare
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Sie treten so cool wie frech auf, kennen juristische Tricks und machen aus Opfern Täter: Das gilt für den toten Student wie für Ballauf. So steht nicht so sehr die Frage im Raum, ob die Täter überführt werden können, sondern mehr, wie.
Der Krimi weckt starke Emotionen. Zugleich diskutiert er den Unterschied zwischen Recht und Rache, fairem Verfahren und Selbstjustiz – und zwar ohne zum staubigen Jura-Seminar zu verkommen. Im Gegenteil: Staatsanwalt Prinz (Christian Tasches letzte Rolle) legt eine Gala-Vorstellung hin. Er beachtet die Paragrafen und nutzt dennoch vorhandene Freiräume.
Moderne Version des James-Dean-Dramas
Zugleich will der „Tatort“ klären, was die Gewaltorgie ausgelöst hat. In Schenks und Ballaufs Gesprächen mit den Eltern der Verdächtigen offenbart sich die Hilfslosigkeit einer Generation in Erziehungsfragen – und in Beziehungsfragen. Überdies wirft der Krimi die Frage auf, ob es auch so etwas wie das Böse gibt. „Tatort“ als moderne Version des James-Dean-Dramas „Denn sie wissen nicht, was sie tun“.
TatortZur Auflösung des Falls trägt maßgeblich die neue Assistentin des Fahnder-Duos bei. Lucie Heinze gibt eine talentierte Nervensäge, die sich, im Gegensatz zu Kolleginnen an den „Tatorten“ Kiel und Stuttgart, wirklich mit dem Netz auskennt. Auch hier ein Standard mit dem gewissen Extra. Klasse.
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