Dortmund. Der neue Tatort aus Dortmund ist ein Fall mit politischer Brisanz: Das Ermittler-Team hat es mit Neonazis zu tun. Es soll ein atmosphärisch düsterer Film werden. Im Interview erklärt Regisseurin Nicole Weegmann, weshalb sie sich für menschliche Abgründe interessiert - und erklärt den Titel “Hydra“.

Grau die Wolken, braun das Stahlwerk, düster die Szene. Es sah so aus, als habe Nicole Weegmann genau auf dieses Wetter für den Dreh der Leichenfund-Szene gewartet. Die Grimme-dekorierte Regisseurin hat den kommenden Dortmunder „Tatort“ mit dem Titel „Hydra“ inszeniert. Ein Fall mit politischer Brisanz: Kommissar Faber (Jörg Hartmann) und sein Team haben es mit Neonazis zu tun. Die 48-jährige Film-Frau traf sich, bei Bratkartoffeln und Heringstipp, am Rand der gerade beendeten Dreharbeiten mit Jürgen Overkott.

Die Szene am ehemaligen Stahlwerk Phoenix-West ist ziemlich düster. Was haben Sie dort gedreht?

Nicole Weegmann: Den Fundort der Leiche. Hier ist der eigentliche Tatort. Hier werden Zeugen befragt. Der Tatort wird untersucht. Die Kommissare begehen ihn noch einmal, um weitere Erkenntnisse über den Tathergang zu gewinnen.

Sind Sie froh, dass Sie beim Drehen dieser Szene so schlechtes, düsteres Wetter hatten?

Weegmann: Ja, das macht sicherlich atmosphärisch etwas aus.

Sie haben in der jüngerer Vergangenheit drei Filme gedreht, die mit physischer oder psychischer Gewalt zu haben: „Ihr könnt Euch niemals sicher sein“, „Mobbing“ und jetzt den „Tatort: Hydra“. Fasziniert Sie die dunkle Seite der Macht?

Weegmann: Mich interessieren in der Tat die harten Themen. Mich interessieren menschliche Abgründe und starke Konflikte. Das kann man wohl als Gemeinsamkeit sehen bei den drei Filmen.

Auch interessant

Was genau interessiert Sie?

Weegmann: Die Figuren. Die Psychologie der Figuren, die eine starke Ambivalenz aufzeigen. Schwarz-weiß interessiert mich nicht, mir geht es um die Zwischentöne.

Das Thema Rechtsextremismus stand im Zentrum des ersten „Polizeirufs“ aus Magdeburg. Ist es Ihnen wichtig, eine vergleichbare Geschichte auch einmal in einer westlichen Kulisse zu erzählen?

Weegmann: Ja, zumal das Drehbuch hochspannend ist.

Haben Sie schon mal Erfahrungen mit Rechtsextremisten gemacht?

Weegmann: Nein.

Das Drehbuch liefert den Plot, aber keine Bilder. Wie haben Sie sich selbst auf das Thema vorbereitet?

Weegmann: Ich habe sehr viel Material angeschaut, und ich habe mit einem Vertreter des Verfassungsschutzes gesprochen; er hat das Drehbuch auch auf Richtigkeit und Authenzität hin überprüft. Es ging auch um Aspekte der Rechtsradikalen hier vor Ort; da wurden alle Details recherchiert.

Haben Sie sich Gespräche mit ehemaligen Mitgliedern der Szene geführt?

Weegmann: Nein. Das ist mir diesmal nicht gelungen. Da muss ich mich auf dokumentarisches Material verlassen.

"Mir ist wichtig, Authentizität zu zeigen" 

Welche Farbe soll der Krimi haben?

Weegmann: Mir ist wichtig, Authentizität zu zeigen, sehr genau zu sein bei der Milieu-Schilderung. Rechtsradikale treten heute anders auf, als sie man bisher gemeinhin kannte. Die klassischen Skinheads machen nur noch zehn Prozent aus. Viele andere Rechtextreme kann man (optisch, Red.) kaum noch unterscheiden von Linksradikalen, von Autonomen. Mir ist auch wichtig, die Allgegenwärtigkeit der Szene und ihres Gedankengutes zu zeigen. Es gibt eine große Schnittmenge zu Teilen der übrigen Gesellschaft.

Auch interessant

Ist es für Sie wichtig, dieses gesellschaftliche Problem mit den beiden jüngeren Mitgliedern des „Tatort“-Teams zu verknüpfen?

Weegmann: Wir haben bei den beiden eine Geschichte, die aus der vorhergehenden Folge fortgeführt wird: nämlich die Trennung. Obendrein ist die jüngere Kommissarin türkischer Abstammung, und deshalb hat sich die Verknüpfung in vielerlei Hinsicht angeboten. Dass die Beziehungen der Kommissare sich von Folge zu Folge, jenseits der eigentlichen Krimi-Handlungen, verändern, ist das Hochinteressante am Dortmunder „Tatort“.

Wie haben Sie sich mit der Stadt vertraut gemacht?

Weegmann: Ich habe in Dortmund schon einmal einen Film gedreht: „Rabenkinder“. Das war vor zehn Jahren. Mit dem Film habe ich mein Debüt als Regisseurin gegeben. Ich habe damals lange Zeit nach Motiven gesucht, und deshalb habe ich mir die Stadt sehr genau angesehen. (kleine Pause) Und außerdem hatte ich mal einen Freund aus Dortmund. Insofern kenne ich die Stadt ganz gut.

Ich habe gehört, dass der Titel der „Tatort“-Folge den Namen des Stadtteils tragen sollte, in dem viele Neonazis wohnen. Jetzt heißt sie „Hydra“. Warum?

Weegmann: Das war ein Arbeitstitel. Wir haben ihn geändert, weil man überregional mit dem Titel „Dorstfeld“ nichts anfangen kann. Der Titel hätte eher einen regionalen Bezug gehabt und hätte außerhalb der Stadt eher für Irritationen gesorgt.

„Hydra“ ist ein griechisches Sagenwesen. Wenn man einen Arm abschlägt, wachsen zwei neue nach. Endet der „Tatort“ düster?

Weegmann: Ach, nein. Nicht wirklich. Aber: Es gibt auch kein Happy-Ending. Der „Tatort“ spiegelt die gesellschaftliche Entwicklung und wirft Fragen auf, mit denen sich die Verantwortlichen auseinander setzen sollten.