Mainz. . Die Tragödie des Wagner-Clans wird in einem Eventfilm des ZDF opulent inszeniert. Doch was die Optik verspricht, löst der 110-minütige Walkürenritt durch die Geschichte einer kaputten Familie kaum ein. Stattdessen heißt es: „Dallas“ trifft Pilcher.

Venedig bei Nacht, ein Palazzo mit barocker Pracht, Kinder, die wie Märchenwesen durch die Gänge huschen, Schreie, die verröcheln. Die Kinder, zwei Mädchen, ein Junge, öffnen eine Doppeltür und sehen ihren Vater leblos dahingestreckt, über ihm ihre Mutter, den Gatten beschwörend, dem Tod zu entrinnen, am Leben zu bleiben.

Schließlich stellt sich Cosima Wagner (Iris Berben) der traurigen Wahrheit, dass Richard Wagner (Justus von Dohnányi) sein Leben ausgehaucht hat, um sogleich ihre Kinder auf sein Erbe einzuschwören. Seinem Tod folgt die künstlerische Heiligsprechung. Mehr Pathos geht nimmer.

Wer wird der Herr des Rings?

Zugleich ist Wagners Ende der Anfang einer Familien-Saga. „Der Wagner-Clan“ (Sonntag, ZDF, 20.15 Uhr) will das Leben einer Künstler-Sippe zur großen Oper überhöhen. Doch stattdessen schnurrt die Geschichte einer zerrütteten Familie zusammen zu einer billigen Operette: Sex, Lügen und Nibelungen.

Die üppigen Schauwerte überdecken kaum, dass Kai Hafemeister (Drehbuch) und Christiane Balthasar (Regie) den Stoff verpilchern. Ganz gleich, ob es sich um Psychologie oder Zeitgeschichte handelt: Mehr als Holzschnitt hat der 110-minütige Walkürenritt nicht zu bieten. Der Opern-Dynastie aus Bayreuth unterscheiden sich kaum von den Ölprinzen aus „Dallas“: Beide unterhalten einen Intrigantenstadl. Das Wagner-Drama treibt die Frage: Wer wird Herr des Rings?

Der Kampf um Wagners Saga-Land

Dabei hatte es der Berben-Clan (Oliver Berben produzierte den Streifen mit seiner Mutter in der Hauptrolle) so gut gemeint. Sie wollten den umstrittenen Kult-Komponisten im Nachklapp zu seinem 200. Geburtstag eben nicht beweihräuchern.

Deshalb deuten die Berbens die Geschichte des Opern-Patriarchen um in die Mär einer tragisch scheiternden Matriarchin. Sie zahlt für den Kampf um die Alleinherrschaft in Wagners Saga-Land einen hohen Preis. Ihre Familie zerbricht am Doppeldruck von innen und von außen. Doch die Inszenierung hält dem hehren Anspruch nicht stand.

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Siegfried liebt den schönen Dorian

Kann wenigstens das Ensemble den Film davor retten, von bleiernem Bombast erdrückt zu werden? Jein. Iris Berben gibt die schwarze Witwe, die, mit hängenden Mundwinkeln, über Jahrzehnte hinweg am Leben leidet; sie ist erstaunlicherweise in allen dargestellten Lebensphasen glaubwürdig.

Cosima Wagners Kinder können’s ihr nicht recht machen, Tochter Isolde (Petra Schmidt-Schaller) nicht und erst recht nicht der designierte Thronfolger Siegfried (Lars Eidinger). Er liebt den schönen Dorian (Vladimir Burlakov), aber wird, den Konventionen der Zeit entsprechend, in eine Vernunftehe gedrängt.

Eidinger wieder einmal grandios, Ferch wirkt zu Adlon-haft

Eidinger spielt wieder einmal grandios mit der sexuellen Identität. Sein Siegfried ist ein weichlicher Mann, der gegen seinen Familien-Klüngel – wenn auch erfolglos – mit sanftem Spott rebelliert.

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Und eine wichtige Rolle für den Zerfall der Wagner-Dynastie spielt Cosimas Tochter Eva. Eva Löbau gibt sie als Zukurzgekommene, die mit ihrem zynischen Mann Houston Chamberlain (Heino Ferch) eine unheilige Allianz eingeht. Der Schriftsteller ist, als praktizierender Intrigant und bekennender Judenhasser, der Schurke im Stück. Chamberlain knüpft folgerichtig Bande zwischen der Wagner-Sippe und den Nazis; Hitler erscheint schließlich als Schattenmann. Allerdings versprüht Heino Ferch eher Adlon-hafte Grandezza denn durchtriebene Bosheit.

Schönen Gruß aus Walhallywood

Und Justus von Dohnányi als Wagner? Der Schauspieler verniedlicht den Clan-Chef zum zuletzt leicht tattrigen Schürzenjäger. Opa statt Oper. Dohnányi macht vergessen, dass der National-Nostalgiker nicht nur teutonische, sondern auch antisemitische Töne anschlug. Zudem gerät aus dem Blick-feld, dass er ein Egomane war.

Ach ja, die Musik. Wenn ein Film so dick aufträgt, muss auch die Musik fett sein. Der Soundtrack ergänzt die Bilder unheilvoll. Schönen Gruß aus Walhallywood!