Bayreuth. .
Nach einem langen und erfüllten Leben ist Wolfgang Wagner, der Patriarch und Erneuerer der Bayreuther Festspiele, im Alter von 90 Jahren gestorben.
Sein Tod im Alter von 90 Jahren kam, nach schwerer Krankheit, nicht überraschend. Er beschloss ein langes und erfülltes Leben, in dem Wolfgang Wagner, ehemaliger Leiter der Bayreuther Festspiele, bis zuletzt alles erreichen konnte, was er sich vorgestellt hat.
Zusammen mit seinem Bruder Wieland ließ er 1951 die Bayreuther Festspiele aus den materiellen und vor allem moralischen Trümmern des Dritten Reichs auferstehen. Angesichts üblen Reputation Bayreuths ein schier aussichtsloses Unterfangen. Ohne Wolfgangs Macherqualitäten hätte selbst sein zwei Jahre älterer Bruder Wieland mit seiner erheblich größeren künstlerischen Potenz bei der Realisierung der wahnwitzigen Vision auf verlorenem Posten gestanden. Und es spricht für Wolfgang, dass er 1966 das Flaggschiff deutscher Festspieltradition auch über die Krise, die durch Wielands frühen Tod entstand, hat retten können.
Elite für ein Taschengeld
Fast 60 Jahre nach der Wiedereröffnung setzte er, nach jahrelangen Querelen, als Wunschnachfolgerin seine Tochter aus zweiter Ehe Katharina durch. Dabei versöhnte er sich noch mit der verbannten Tochter aus erster Ehe, Eva Wagner-Pasquier.
Anders als seine Großmutter Cosima, die Bayreuth zu einer musealen Kultstätte ihres Gatten stilisierte, erneuerte Wolfgang Wagner den ursprünglichen „Werkstattcharakter“ Bayreuths. Auch wenn seine Regie-Arbeiten nie internationale Maßstäbe erreichten, holte er doch mit klug kalkulierter Risikobereitschaft Regisseure ersten Ranges auf den Grünen Hügel: Patrice Chéreau für den „Jahrhundert-Ring“, Götz Friedrich für einen skandalösen „Tannhäuser“; auch Heiner Müller und Christoph Schlingensief glänzten mit hochwertigen Produktionen. Von der Dirigenten- und Sänger-Elite, die für ein Taschengeld in und über dem „mystischen Abgrund“ schwitzte, ganz zu schweigen. Dass sich Ansprüche und Zeitpläne bedeutender Sänger nicht immer mit den Vorstellungen des Festspielleiters vereinbaren ließen, wollte Wolfgang Wagner nicht wahrhaben, so dass es auch zu bösen und unwiderruflichen Zerwürfnissen kam.
Zu seiner Überlebens-Strategie gehörte die Fähigkeit, die Vergangenheit gefiltert wahrzunehmen. Deshalb ist die Kritik an seiner 1994 erschienenen Autobiografie „Lebens-Akte“, in der er die braunen Kindheitsjahre auf Adolfs Schoß nur bruchstückhaft skizziert, zwar berechtigt, aber verfehlt. Etwas Anderes ist von Wolfgang Wagner nie zu erwarten gewesen. „Hier gilt’s der Kunst“. Der Wahlspruch, mit dem die Neu-Bayreuther Festspiele 1951 eingeläutet wurden, bestimmte Wolfgangs Handeln und Denken bis zum Schlüsseljahr 2008, das eine neue Ära der Festspiele nach 57-jähriger Herrschaft unter Wolfgang Wagner einläutete.