Dresden/Leipzig. “Richard ist Leipziger“, heißt der Slogan in Wagners Geburtsstadt. Doch auch die Dresdner nehmen den Musiker für sich in Anspruch. Seine musikalische Reifeprüfung legte er auf jeden Fall an der Elbe ab. Im “Wagnerjahr“ gehören Leipzig und Dresden gleichermaßen zur Pilgerroute der weltweiten Fangemeinde.

Der Steckbrief der Dresdner Polizei sagt alles - oder auch nichts. «Wagner ist 37-38 Jahre alt, mittlerer Statur, hat braunes Haar und trägt eine Brille.» So fahndete man im Mai 1849 nach dem Königlichen Kapellmeister Richard Wagner. Ein paar Tage zuvor hatte der Komponist noch auf den Barrikaden der Mairevolution gestanden - als Meldegänger und Beobachtungsposten. «Ob er wirklich Granaten beschafft und versteckt hat, ist umstritten», sagt die Direktorin des Dresdner Stadtmuseums, Erika Eschebach. Richard, der Rebell - das ist nur eine Facette im Leben dieses Mannes, der in diesem Jahr wie kein zweiter in der Musikwelt gefeiert wird.

Ausstellungen in Dresden und Leipzig zeigen Wagner momentan in seiner Beziehung zu beiden Städten. «Wagnerlust & Wagnerlast» heißt es in der Geburtsstadt, «Richard Wagner in Dresden - Mythos und Geschichte» in der Stadt seiner musikalischen Reife. Kaum ein Musikerleben ist so intensiv erforscht wie das Wagners. Für einen Ausstellungsmacher bringe das Vor- und Nachteile, sagt Eschebach. Unlängst hat sie sich die Schau in Leipzig angeschaut und dabei auch jene musikalischen Besserwisser gesehen, die jedes Detail von Wagners Leben zu kennen glauben und sich bei vermeintlichen Ungenauigkeiten wie zum Sängerkrieg auf der Wartburg in Stellung bringen.

"Es wünschten viele, die ihn lieben, er wäre lieber drin geblieben"

Im «Wagnerjahr» gehören Leipzig und Dresden gleichermaßen zur Pilgerroute der weltweiten Fangemeinde. Der originale Autograph von Wagners «Trauermusik» für Carl Maria von Weber ist im Dresdner Stadtmuseum zu sehen und dürfte Wagnerianer zum Kniefall bringen. Aber auch die allzu menschliche Seite des Lebemannes kommt nicht zu kurz. Ein prall gefüllter Weinkeller deutet auf eine weitere Vorliebe von Wagner hin. Und auch Humor ist ihm nicht abzusprechen. 1855 verfasste er zu seinem 42. Geburtstag einen Knittelvers in eigener Sache: «Im wunderschönen Monat Mai, kroch Richard Wagner aus dem Ei. Es wünschten viele, die ihn lieben, er wäre lieber drin geblieben."

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Kindheit und Jugend erlebte Wagner in beiden Städten. Die Laufbahn als Musiker nahm aber erst in Dresden richtig Fahrt auf. Nachdem er «Rienzi» in Paris nicht auf die Bühne bringen konnte, klappte es 1842 an der Elbe. Die gleichfalls hier uraufgeführten Opern «Der fliegende Holländer» (1843) und «Tannhäuser» (1845) mehrten seinen Ruf. Christian Thielemann, weltweit als Wagner-Dirigent geschätzt und als Chef der Staatskapelle Dresden ein Amtsnachfolger Wagners, geht davon aus, dass die Freundschaft mit Weber und die Beethoven-Rezeption den Künstler formten. «Diese Ur-Erlebnisse haben ihn geprägt.» Thielemann glaubt aber, dass das Potenzial von Beginn an vorhanden war.

Leipzig: Einkaufstempel statt Geburtshaus

In Leipzig kann man mit einem interaktiven Stadtplan Spuren des Meisters nachgehen - 25 Punkte sind auf der Karte vermerkt. Im Jahr der Völkerschlacht bei Leipzig erblickte Richard Wagner am 22. Mai 1813 das Licht der Welt. Sein Geburtshaus Am Brühl 3 wurde bereits 1886 abgerissen. Heute erhebt sich hier ein Einkaufstempel.

An den jungen Wagner erinnert die Kulturstiftung Leipzig mit einer Dauerausstellung in der Alten Nikolaischule, die einen Tag vor dessen Geburtstag eröffnet wird. Überliefert ist, dass Wagner ein wohl liederlicher Schüler war, der häufig durch Abwesenheit glänzte. Der Wagner-Verband Leipzig bietet auch Führungen auf dem Spuren des Maestro an. Verbands-Vorsitzender Thomas Krakow registriert ein wachsendes Interesse. Leipzig werde inzwischen stärker mit Wagner assoziiert. Nicht nur aus Deutschland kämen die Wagnerianer. «Zuletzt hatten wir mehrere Gruppen aus den USA, aus San Franzisco, New York und Washington, sowie aus Frankreich», sagt er.

«Richard ist Sachse», wäre wohl der bessere Slogan im Jahr Wagners gewesen, zumal der Komponist den Dialekt der Sachsen gepflegt haben soll. Allerdings endete sein Aufstieg auf den Barrikaden. Nach seiner Flucht in die Schweiz blieb Wagner auf Jahre eine Rückkehr in die Heimat verwehrt. Wagner musste bis zu einer Generalamnestie warten. Bis zu seinem Tod kehrte er nur noch viermal nach Dresden zurück. Dem Dirigenten Ernst von Schuch ist es zu verdanken, dass er während seiner Abwesenheit und auch später anwesend blieb. Bei der 100. Dresdner «Rienzi»-Aufführung 1873 saß Richard Wagner mit im Saal. Das letzte Mal kam er 1881 - Anlass war ein Zahnarztbesuch. (dpa)