Berlin. Sabine Christiansen talkt wieder - nunmehr mit Ex-"Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust. Titel der Sendung: „Ihre Wahl! Die Sat-1-Arena!“ Das Resümee zum Start: Er war schwach. Sie noch schwächer. Die Show letztlich überflüssig. Dabei hatte die Konstellation der Gäste durchaus Potenzial.

Wenn die Hauptaufgabe von Fernsehen heutzutage darin bestehen sollte, die Wahrscheinlichkeit des Abschaltens zu reduzieren und die des Dranbleibens tüchtig zu maximieren, dann hat der Sender Sat 1 seit Sonntagabend ein hausgemachtes Problem mehr.

Das neue, auf fünf Folgen befristete Format „Ihre Wahl! Die Sat-1-Arena!“, moderiert von der ehedem in der ARD alles in Grund und Boden quasselnden Sabine Christiansen und Ex-„Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust, wollte nämlich so gern sonntags ab 22.15 Uhr ein neuer Fels im allgemeinen Laberstrom sein. Zu mehr als zu überflüssigem Treibgut hat es aber dann doch nicht gereicht.

Knisternde Konstellation

Dabei war die Premieren-Besetzung so übel gar nicht. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), von Beruf Shooting-Star und Umfragenliebling, war geladen. Erst allein im Stehen. Später, nach der Werbepause, im Sitzen gemeinsam an einem gläsernen Tisch mit Oskar Lafontaine von der Linkspartei.

Eigentlich eine knisternde Konstellation. Wäre das Ausmaß erwartbarer Statements auf unerwartet tumbe Fragen nicht so erschütternd groß gewesen. Kleine Auswahl: Kann ein wohlhabender Baron aus Bayern die Sorgen der kleinen Leute verstehen? Kommt das dicke Ende nach der Wahl? Haben Sie die Krise überhaupt für möglich gehalten? Leben wir noch in einer gerechten Welt? Gnade! Ein Fall für die Fragenpolizei.

Bevor man sich auch nur ansatzweise einen Eindruck hätte verschaffen können, ob der gewohnt souverän und geschliffen parlierende Guttenberg wirklich stringentes Argumentieren, die Fähigkeit zur Analyse und politische Gestaltungskompetenz unter Zeitdruck vereinen kann, grätschte vor allem die von ihrem Comeback restlos begeisterte Moderatorin mit allerlei Unsinn dazwischen.

Direkte Zuschauerbeteiligung nervte

Und wenn es nicht gerade Christiansen war, die den Griff nach der Fernbedienung so verlockend erscheinen ließ, dann war es das Sendekonzept selbst. Denn was der Gute-Laune-Kanal, der gelegentlich leider nur von „emotion“ und nicht so sehr von Grips „gepowert“ wird, unter direkter Zuschauerbeteiligung versteht, muss schon als eine reichlich perfide Art der geistigen Körperverletzung bilanziert werden. Die Option jedenfalls, live in die einstündige Sendung per SMS, E-Mail, Twitter oder Webcam hineinzuplärren, war der Flop des Fernsehjahres.

Nicht nur, dass ein regelmäßig eingeblendetes Laufband mit den jüngsten SMS-Dumpfheiten nervte und davon abhielt, dem immer wieder durch Frau Christiansen unterbrochenen Redefluss der Diskutanten zu folgen. Nein, auch die Substanz der Eingaben vieler „Menschen da draußen“ machte bisweilen sprachlos. Und dies nicht allein, weil die deutsche Sprache offensichtlich auch auf 140 Zeichen jede Menge böse Fallen bereithält und dann eben kein Moderator mal schnell „in die Presche“ springen kann. Stellvertretend für die Qualität der Publikumsbeiträge sei nur diese Eingabe überliefert: „Politiker sind Luftblasen im Schafspelz“.

Erinnerung an schlechte alte Zeiten

Spätestens als Oskar Lafontaine seine verbale Nebelmaschine anwarf und die bekannte Variation von markigen Unverbindlichkeiten a la „Leistung muss sich wieder lohnen“ vom Stapel ließ, fühlte man sich in die 447 Mal übers Land gegangene ARD-Reihe „Sabine Christiansen“ zurückversetzt. Auch da wurde sehr viel kurz durcheinandergeredet, sich empört und einander nach Herzenslust ins Wort gefallen. Auch da kam man, wenn der Gastgeberin danach war, im Nu vom Thema ab. Auch da durfte so ziemlich jeder loswerden, was ihm so auf dem Herzen lag. Und sei es auch nur stickig heiße Luft.

Sabine Christiansen, etwas fülliger geworden um die Nasenspitze, was ihr ausgesprochen gut steht, weil es die aufgesetzte Strenge im Gesicht mildert, hakt immer noch lieber an den falschen und nicht an den richtigen Stellen nach. So war es auch in dem einzigen halbwegs interessanten Moment der Sendung, als eine kundig wirkende Unternehmerin den Herrn zu Guttenberg mit Tacheles-Fragen daraufhin sezierte, was er denn nun wirklich für die nach Krediten lechzenden Mittelständler tut. Die Antwort hätte man gerne in voller Länge vernommen. Pustekuchen.

Christiansen ließ einmal mehr zu dem großartig netten wie überflüssigen „Prinzen“-Sänger Sebastian Krumbiegel nach Leipzig schalten. Diesmal mit der sensationellen Fragestellung: Was hat die Politik eigentlich noch mit der Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun?

Aust reißt es nicht heraus

Sich an dieser Stelle nach Stefan Aust zu erkundigen, dem ehemaligen „Spiegel“-Chef und notorischem Dranbleiber und Konfliktmoderierer, liegt nahe. Wer von ihm, der schon frischer und schlagfertiger war, belebende Impulse erwartet hatte, von investigativer Befragung war ja sowieso nie die Rede, sah sich bald gekniffen. Aust, ohnehin kein Fernsehgesicht, weil immer latent schlafmützig und blässlich, ließ sich ein ums andere Mal von seiner eigenen Plauderei einlullen, wenn er nicht gerade kreuzbrav vorher ausgedachte Fragen vom Blatt ablas.

Selbst, dass der alte Schlawiner Oskar Lafontaine dank süffiger Drei-Sätze-Argumentationen billig Beifall-Weltmeister in der Sendung werden konnte, (vor Guttenberg!), mochte Aust nicht verhindern. „To big to fail“, heißt es im angloamerikanischen Wirtschaftskauderwelsch, wenn man beschreiben will, dass Groß-Konzerne letztlich nie Pleite gehen. Kleine Menschen können dagegen sehr wohl mal versagen.