Der beliebteste Politiker unserer Tage ist Horst Schlämmer. Warum Komiker Hape Kerkeling den Nagel auf den Kopf tritt, verriet Ex-"Spiegel"-Chef und Polit-Talker Stefan Aust Jürgen Overkott. Aust löchert Politiker vom 23. August an gemeinsam mit Sabine Christiansen für Sat.1.

Der beliebteste Politiker unserer Tage ist Horst Schlämmer. Können wir Politik nur noch als Comedy ertragen?

Stefan Aust: Ich habe mich unheimlich darüber gefreut - vor allem weil er Journalist ist. Normalerweise stehen die Journalisten auf der Beliebtheitsskala ganz weit hinten.

Das Projekt hat Zukunft.

Stefan Aust: Unbedingt. Wissen Sie, dass Joschka Fischer als Parlamentsneuling sehr witzige Reden gehalten hat? So weit ich weiß, sind sie ihm damals von dem Team der "Titanic" geschrieben worden.

Unsere Politik braucht mehr Humor.

Stefan Aust: Ganz eindeutig.

Wie kommt es, dass viele Politiker etwas verschnarcht wirken?

Stefan Aust: Das will ich so nicht sagen. Wir reden oft zu schlecht über Politiker. Die meisten von ihnen sind hart arbeitende und oftmals auch sehr intelligente Leute, die für wenig Geld sehr große Strapazen auf sich nehmen. Sie müssen über jedes Thema immer Bescheid wissen, sie müssen bereit sein, Interviews zu geben. Aber wir müssen auch sehen: Es gibt viele Politiker, die die Ochsentour durch die Ortsvereine gemacht haben. Das prägt natürlich auch.

Ich gebe Ihnen Recht, und dennoch muss ich noch mal dreinschlagen. Die Rhetorik von Horst Schlämmer ist so, dass er sich im selben Satz widerspricht. Wie real ist die Satire?

Stefan Aust: Das finde ich außerordentlich real. Ein geschickter Politiker argumentiert dialektisch. Er sagt etwas und hebt es später wieder auf. Der begnadetste Politiker in diesem Bereich ist im Augenblick Gregor Gysi von den Linken. Er sagt in drei Sätzen fünf verschiedene Dinge, die er miteinander verknüpft, außerordentlich intelligent übrigens. Aber er widerspricht sich ständig.

Horst Schlämmer ist seine eigene Partei und sein eigenes Programm. Kommt es nur noch auf den Kanzler an?

Stefan Aust: Wir haben derzeit eine sehr erfolgreiche Kanzlerin, zumindest in den Umfragen. Aber die Arbeit macht eine sehr gut funktionierende Ministerialbürokratie. Wenn Angela Merkel das Unglück widerfährt, doch nicht gewählt zu werden, bliebe von ihr nicht viel. Sie hat zwar das Land ganz gut durch die Krise geführt, aber Akzente hat sie nicht gesetzt. Wenn ich das vergleiche mit der rot-grünen Koalition, sind zumindest zwei Dinge geblieben. Sie hat sich nicht am Irak-Krieg beteiligt, massivem Druck der Amerikaner zum Trotz, und Hartz IV und die Agenda 2010 durchgesetzt. Die beiden Projekte waren unpopulär, aber grundsätzlich notwendig, auch wenn sie in vielerlei Hinsicht missglückt sind.

Wer nichts macht, macht auch keine Fehler.

Stefan Aust: Schon. Aber wenn Sie die Rolle der Politik in der Zeit vor der Finanzkrise sehen, kann ich nicht erkennen, dass Politiker rechtzeitig vor dem gewarnt haben, was an Casino-Kapitalismus bereits erkennbar war. Ja, es war ja sogar so, dass die Staatsbanken an vorderster Front mitgewirkt haben.

Wechseln wir mal die Perspektive. Das Wahlvolk ist müde geworden. Kürzlich kam das ZDF auf die Idee, Politiker zu casten. Sollten wir die Wahl künftig einer Jury überlassen?

Stefan Aust: Das haben wir ja schon. Die Jury bei der Auswahl der Politiker sind die Parteien. Deren Mitglieder sind zwei Prozent der Bevölkerung.

Und es werden immer weniger.

Stefan Aust: Dazu kommt, von den Parteimitgliedern entscheiden dann wiederum nur zehn Prozent darüber, welcher Politiker in Spitzenpositionen kommt. Die Meinungsbildung ist vom eigentlichen Souverän, dem Wähler, verlagert worden in die Parteien. Eigentlich haben wir eine Parteien-Demokratie. Es kann nicht sein, dass so wenige Menschen eine so große Macht haben.

"Die Sendung mit der Maus"

Welche Rolle spielen Talk-Shows? Kann man Politiker dort grillen?

Stefan Aust: Das glaube ich nicht. Politiker sind schon durch und durch. Sie geben nur selten auf Frage echte Antworten und lassen selten einen Blick in ihr Inneres zu. Andererseits: Die Talkshow bringt uns die Politik ins Wohnzimmer. Und wir können ja auch nicht immer erwarten, dass im Fernsehen eine politische Bombe explodiert.

Warum, bitte, tun Sie sich die Sat.1-Talkshow mit Sabine Christiansen an?

Stefan Aust: Och, ich bin von ihr gefragt worden. Für mich ist es eine aufregende Aufgabe, das in Wahlzeiten zu machen. Ich sehe das sportlich. Andererseits kann man das Fernsehen nicht neu erfinden - aber wir versuchen es immer wieder. (kleine Pause) So, das war jetzt eine dialektische Antwort, wie sie Politiker immer geben.

Ich sehe, Sie können nahtlos ins andere Lager wechseln.

Stefan Aust: Auf keinen Fall. Ich bin sogar froh, dass ich nicht mehr "Spiegel"-Chefredakteur bin. Denn alles, was ich gesagt habe, konnte auch gegen das Blatt verwendet werden. Jetzt stehe ich nur noch für mich allein.

In Ihrer Amtszeit hat der "Spiegel" den Talk von Sabine Christiansen mal als "Sendung mit der Maus" bezeichnet. Stand das nicht zwischen Ihnen?

Stefan Aust: Überhaupt nicht. Man kann sein Blatt nicht nach seinen persönlichen Beziehungen ausrichten. Es kann nicht sein, dass man Leute, die man mag, von Kritik ausnehmen. Und Sabine Christiansen ist professionell genug, das zu wissen.

Bei Sat.1 haben Sie drei schwere Gegner: Anne Will, die Bundesliga und das Sommerwetter. Wie sind Sie gerüstet?

Stefan Aust: Wir haben noch viel mehr Gegner. Alle Sendungen, die überhaupt zu dieser Zeit laufen. Aber dennoch bin ich vor meiner Aufgabe überhaupt nicht bange. Wir werden eine stabile Zuschauerzahl haben.

Stefan Aust ist derzeit auch als Berater der WAZ-Gruppe tätig, zu der DerWesten.de gehört.