Düsseldorf. Oliver Pocher riskierte eine dicke Lippe. Er schonte die Werbe-Kunden nicht und auch nicht seinen Sender. Der Krawall-Komiker kann es sich leisten. Allzweckmoderator Johannes B. Kerner soll mit Fußball und Talk für einen guten Marktanteil bei Sat. 1 sorgen.

Die „Sportfreunde Pocher” erreichten mit ihrem Benefiz-Kick auf Schalke für Sat.1 31 Prozent des jungen Publikums – eine Sensation. Kein Wunder, dass Senderchef Guido Bolten seiner Neuerwerbung bei der Präsentation des neuen Programms der Sendergruppe Narrenfreiheit gewährte.

Pochers Auftritt wirkte beinahe programmatisch. Lange wirkte die börsennotierte Sendergruppe ProSiebenSat.1 lendenlahm. Schulden drückten, Marktanteile schwächel-ten – gerade beim Hauptsender Sat.1.

Narrenfreiheit für Pocher

Mit neuem Personal kam auch neuer Schwung in die German Free TV Holding, wie die Truppe offiziell firmiert. Ex-Pharmamanager Thomas Ebeling, der den glücklosen Guillaume de Posch beerbte, ließ das Führungspersonal seiner vier Sender – neben Sat.1 und ProSieben Kabel 1 und N 24 – zur Attacke blasen.

Das gilt vor allem für Sat.1. Der lange als verschnarcht verschriehene Sender erreichte im ersten Halbjahr wieder einen zweistelligen Marktanteil. Sat.1 soll seinen Abstand zu den ersten Drei – ARD, ZDF und RTL – weiter verringern. Fußball, hofft Bolten, macht's möglich. Deshalb verpflichtete er Johannes B. Kerner. Der Allzweck-Moderator wechselte vom ZDF zurück zu dem Sender, bei dem er groß wurde. Allerdings macht Kerner bei dem Sender, der seit kurzem wieder in München residiert, den gleichen Job wie in Mainz: Fußball und Talk.

Oliver Pocher, Neuverpflichtung Nr. 2, presste Sat.1 vom Ersten frei. Er geht im Herbst mit einer eigenen Show an den Start, nachdem er bei der ARD als Junior-Partner von Harald Schmidt zuweilen ins Fettnäppchen stolperte.

Beim Fiktionalen punktete Sat.1 vor allem mit Telenovelas. „Anna und die Liebe” geht in die Verlängerung. Zudem gibt es ein weiteres romantisches Endlos-Märchen. Marie Zielke ist „Eine wieder keine”.

"Die Rettung des Grand Prix ist eine nationale Aufgabe"

Für ein überragendes Informationsangebot, jenseits der Nachrichten, war Sat.1 zuletzt nicht berühmt. Das soll das Star-Duo Stefan Aust und Sabine Christiansen im Vorfeld der Bundestagswahl ändern.

Neues probiert Sat.1 auch bei den Shows. Flach-Talkerin Britt Hagedorn präsentiert mit „Deutschland wird schwanger” Familienfernsehen. Ein Trailer zeigte einen kollektiven Schwangerschaftstest. Lästerte Pocher: „Da weiß man nicht, ist das noch Dokutainment oder schon Comedy.” Stimmt.

Aufs Recht der freien Rede pochte auch Entertainer Stefan Raab. Er kostete seine Rolle als Retter des Eurovision Song Contest genüsslich aus. Zu diesem Zweck hatte er sich gar ein Logo basteln lassen, das die Zusammenarbeit mit der ARD im Stil sozialistischer Verbrüderung ironisierte. Raab augenzwinkernd: „Die Rettung des Grand Prix ist eine nationale Aufgabe.”