Essen. Käufer von Bio-Lebensmitteln investieren auch in eine Weltanschauung. Ob ihre Nahrung aber wirklich gesünder ist, kann niemand garantieren. Entsprechend ratlos blieben auch die Zuschauer von Günther Jauch zurück, als der Moderator mit seinen Gästen die Frage „Wie gut ist Öko wirklich?“ diskutierte.

Fernsehen bildet. Das sagen zumindest die, die Fernsehen machen. Günther Jauch zeigt da schon etwas mehr Sinn für Realität. Am Sonntagabend wollte der Moderator nach 60-minütiger Diskussion nicht ausschließen, dass seine Zuschauer auch am Montag wieder „wie lebende Fragezeichen“ vor den Kühlregalen der Supermärkte stehen und grübeln, ob „Bio“ denn nun wirklich besser ist.

Wie gut ist Öko wirklich? Es ist eine müßige Diskussion. Besonders in diesen Tagen. Eine Reportage der ARD verunsicherte gerade erst die Verbraucher mit erschreckenden Bildern aus den Bio-Ställen der Republik. Zudem erregte jüngst eine neue Studie große Aufmerksamkeit: Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass Bio-Lebensmittel nicht wesentlich gesünder sein dürften als „normales“ Essen.

Sarah Wiener klingt bei Günther Jauch wie ein Kind in der Quengelwaren-Zone

Dennoch ist das Geschäft mit den Bio-Artikeln in Deutschland zu einem milliardenschweren Markt geworden. Warum ist das so? Kaufen wir uns gar, wie Jauch vermutet, nur ein gutes Gewissen?

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Von Matthias Korfmann, Birgitta Stauber-Klein

Hört man der Köchin Sarah Wiener zu, die in einem von Jauchs Gästesesseln Platz genommen hat, könnte man diesen Eindruck bekommen. Sie ist die härteste Pro-Bio-Verfechterin in der Runde und klingt zuweilen wie ein "Ich-will-ich-will-ich-will"-Kind in der Quengelwaren-Zone an der Supermarktkasse. Ich will den Klimawandel stoppen, ich will keinen CO-2-Ausstoß, ich will keine belasteten Böden, ich will gesund leben. Fast entsteht der Eindruck, dass die richtige Wahl am Kühlregal über nicht weniger entscheidet, als den sofortigen Eintritt des Weltfriedens.

Heiner Kamps : "Wie soll eine vierköpfige Familie Bio-Lebensmittel bezahlen können?"

Nun kostet ein Bio-Huhn aber ein vielfaches mehr als ein herkömmliches Huhn. Die vom Unternehmer Heiner Kamps eingeworfene Frage „Wie soll eine vierköpfige Familie denn Bio-Lebensmitteln bezahlen können?“ wirkt da nicht abwegig. Wiener lässt den Einwurf des Geschäftsmannes, der früher seine Brötchen mit Brötchen verdiente und heute Geld mit Müllermilch macht, nicht gelten.

"Diese Diskussion ist falsch“, sagt sie. „,Wir sind zu arm für Bio’ – das mag für eine kleine Schicht stimmen. Aber wir, die wir hier sitzen, sind eine Elite – und wer Geld hat, hat die Verantwortung weiter zu denken.“

Für Sarah Wiener hat das Siegel "Bio" kaum Bedeutung

Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Deutschland, bringt schnell und pflichtschuldig in Erinnerung, dass es ja auch vorzügliche Bio-Lebensmittel beim Discounter gäbe.

Gutes müsse also gar nicht teuer sein und „Bio“ sei – obgleich immer noch eine wirtschaftliche Nische - absolut massentauglich. Kann das sein? Ist denn wirklich noch ausreichend „Bio“ drin, wenn auf gefühlt jedem zweiten Produkt im Supermarkt irgendein Bio-Siegel prangt? Die Köchin Wiener beobachtet hier gar eine „Abwärtsspirale der Qualität“. Das bloße Siegel „Bio“, sagt sie bei "Günther Jauch", sei nur eine „Trade Mark“ und habe mit der Vision einer nachhaltigen Landwirtschaft nichts zu tun.

Klare Regeln sollen helfen: Es gibt ein EU-Siegel, das deutsche Bio-Siegel, Siegel von Bio-Verbänden und diverse Siegel, die der Handel auf die Produkte druckt. „Der Kunde kommt damit zurecht“, sagt Genth überzeugt über das Wirrwarr. Schließlich kauft der Verbraucher die Sachen ja.

Lebensmittelchemiker bei "Günther Jauch": "Tiere werden auf Bio-Höfen gequält"

Und das gefällt dem Lebensmittelchemiker Udo Pollmer offenbar auch nicht so wirklich. „Tiere werden auf Bio-Höfen gequält“ – mit diesem Slogan stellt ihn die Jauch-Redaktion schon zu Beginn der Sendung vor. Falsche Vorstellungen von Romantik seien es, die den irritierten Konsumenten zum Kauf von Bio-Produkten verleiten. Die Lebensbedingungen von Tieren auf Bio-Bauernhöfen seien alles andere als ideal. „Tausende Tiere auf einem Haufen – das kann nicht funktionieren.“

Bio-Landwirt Graf von Bassewitz lässt ARD-Reporter nicht in seine Hühnerställe

Oder doch? Heinrich Graf von Bassewitz ist Bio-Landwirt. Das ARD-Kamerateam hat er während der Dreharbeiten für die Sendung auf sein Gelände gelassen. Transparenz, das möchte er zeigen, ist ihm und seiner Branche wichtig.

Trotzdem lässt er die Reporter nicht in seine Hühnerställe. Aus hygienischen Gründen sei es nicht möglich, die Innenräume zu filmen. Mit Kritik geht der blaublütige Hühnerzüchter gelassen um. Hört man ihm zu, entsteht der Eindruck – wie so oft in der Sendung – „Bio“ ist schon gut, aber das Non-Plus-Ultra ist es eben auch nicht.

Zuschauer Hans (74) schickt eine Mail ins Studio. Er frage sich, schreibt er, wie er denn so alt werden konnte, obwohl er in seinem Leben nie Bio-Produkte gegessen habe. Die Frage bleibt unbeantwortet. Hans wird auch einer derjenigen sein, die am Montag im Supermarkt nicht wissen, ob Bio denn nun wirklich besser ist.