Essen. . Schockierende TV-Bilder von gequälten Legehennen und auf engstem Raum und eingepferchten Schweinen bringen die Bio-Branche in Verruf. Verbraucher sind verunsichert und fragen sich, ob die ökologische Landwirtschaft ihrem Ruf gerecht wird. Experten fordern strengere Regeln.
Schockierende TV-Bilder von gequälten Legehennen und auf engstem Raum eingepferchten Schweinen bringen die Bio-Branche in Verruf. Ein Enthüllungsbericht der ARD über katastrophale Zustände in manchen Bio-Betrieben verunsichert die Verbraucher und wirft kritische Fragen auf: Ist „Bio“ wirklich besser? Werden Tiere auf Bio-Höfen am Ende doch nicht besser versorgt als in der konventionellen Landwirtschaft? Steckt hinterm Bio-Siegel gar Etikettenschwindel?
Der Dachverband der Öko-Lebensmittel-Produzenten (BÖLW) nennt die im Film gezeigten Lebensbedingungen der Tiere „völlig unakzeptabel“. „Es gibt einige wenige Bio-Betriebe, die wirklich schlecht sind Die Bilder sind aber nicht repräsentativ“, beteuert BÖLW-Chef Felix Prinz zu Löwenstein. Gleichwohl will der Verband, dem Organisationen wie Demeter und Bioland angehören, die Regeln für Bio-Erzeuger schnell verschärfen: So sollten die Kontrollen dieser Betriebe bundesweit vereinheitlicht werden. Die Verbraucherzentrale NRW erklärt: „Es gibt keinen Grund, wegen dieser schwarzen Schafe unter den Produzenten auf den Kauf von Bio-Produkten zu verzichten.“
Siegel sichert nur einen Mindeststandard
Der Verbraucherschutz-Verein „foodwatch“ erinnert daran, dass das sechseckige grüne Bio-Siegel der EU lediglich einen „gewissen Bio-Mindeststandard“ garantiere. Viele Experten halten diesen aber nicht für ausreichend.
Ausgerechnet in diese Debatte platzt eine neue Studie, die Kunden weiter verunsichern könnte: Die US-Uni Stanford kommt in einer umfangreichen Analyse zum Ergebnis, dass Bio-Produkte nur unwesentlich gesünder seien. Bei Vitaminen und Nährstoffen unterschieden sich die Lebensmittel kaum. Einzige Vorteile von „Bio“: der verhältnismäßig niedrige Pestizidgehalt und weniger Antibiotika-resistente Bakterien in Hühner- und Schweinefleisch.
Der Beweis, dass Bio aus ernährungswissenschaftlicher Sicht besser ist, steht also aus. Aber eine Studie des renommierten Max-Rubner-Institutes aus Karlsruhe hat ergeben: Bio-Käufer pflegen einen insgesamt gesünderen Lebensstil und achten auf ihre Ernährung.
Fünf Wahrheiten über die Bio-Branche
Eine gackernde Hühnerschar im Sonnenschein, Schweine, gebettet auf Stroh, dazwischen der Bauer mit der Mistgabel. Dieses Bild haben viele im Kopf, wenn sie Bio-Lebensmittel kaufen. Man muss es wohl korrigieren.
Geht es Tieren in Bioställen gut?
Der Verein „Foodwatch“ holt die Verbraucher auf den Boden der Tatsachen zurück: „Nicht jede romantische Vorstellung, die Käufer über die Tierhaltung auf Biohöfen haben, entspricht der Realität.“ Tiere auf Bio-Höfen sind zwar besser untergebracht, als die in konventionellen Betrieben. Sie haben mehr Platz, bekommen in der Regel Bio-Futter vom Acker nebenan und werden nicht mit Medikamenten vollgestopft. Ihre Haltung hat dennoch wenig mit Bauernhof-Romantik zu tun. Aber Schweine in dunklen, verdreckten Ställen auf blankem Beton, Hühner, die sich vor lauter Stress gegenseitig kahl picken, so wie es jetzt Fernsehbilder vermittelten – „das hat mit Bio-Landwirtschaft nichts zu tun“, sagt Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des Bio-Dachverbandes BÖLW.
Garantiert das grüne Bio-Siegel den Verbrauchern Qualität?
Was in normalen Supermärkten und Discountern als „Bio“ verkauft wird, trägt das grüne Siegel der Europäischen Union. Nach Einschätzung von „Foodwatch“ ist diese Kennzeichnung ein Beleg dafür, dass die EU-Mindeststandards für Bio-Produkte eingehalten werden. Wo „Bio“ draufsteht, zum Beispiel auf der Milch im Discounter, ist auch „Bio“ drin.
Klemens Hinßen vom Thönes-Natur-Verbund in Wachtendonk, ein Fleischerzeuger, hält das normale Bio-Siegel für unzureichend. Wenn er Höfe in seinen Verbund aufnimmt, dann untersuchen Ärzte die Tiere auf geschwollene Gelenke, was auf zu wenig Auslauf und Stroh schließen lasse. Er gibt auch Tipps, wie die richtige Beleuchtung im Stall Stress bei Hühnern verhindern kann. Entscheidend neben Auslauf und Versorgung sei, sagt er, dass sich Menschen auf den Höfen um die Tiere kümmerten. Dann könnten auch 1000 Schweine auf einem Hof leben. Doch dieser Aufwand kostet – nicht zuletzt Personal. Und das schlägt sich auf die Preise nieder. Die „Bio“-Regeln in Organisationen wie Demeter und Bioland sind strenger als die der EU. Sie lassen zum Beispiel nur Bio-Tierfutter zu und nicht Anteile von konventionellem Futter.
Muss „Bio“ teuer sein?
Nein. Nicht einmal die Fürsprecher der ökologischen Landwirtschaft behaupten, dass sich die Bio-Qualität allein am Preis ablesen ließe. Wenn Aldi den Liter Bio-Milch für 89 Cent verkauft und nicht für 1,19 Euro wie der Bio-Laden nebenan, dann ist es dennoch vollwertige Bio-Milch. „Die Discounter bestellen große Mengen dieser Lebensmittel und nutzen sie auch, um damit das Image des Unternehmens zu verbessern. Sie kalkulieren am Limit“, erklärt Felix Prinz zu Löwenstein. Der Bio-Lobbyist Löwenstein findet diese Angebote für die breite Masse im Grunde nicht schlecht: „Es ist ja keine Alternative, Bio wieder in die kleine Nische zurückzuführen.“
Bio-Fleischermeister Bernd Burchhardt aus Essen verkauft ein Kilo Bio-Hackfleisch für 12 Euro. Im Aldi-Markt kostet diese Ware 7,48 Euro. Ein klarer Preis-Vorteil für den Discounter. Laut Burchhardt geht es nicht so sehr um den Preis, sondern um Transparenz. „Niemand wird die Charge Fleisch aus dem Discounter zum Erzeuger zurückverfolgen können. Wir wissen hingegen genau, welches Stück Fleisch von welchem Bauernhof stammt.“
Sind Bio-Produkte gesünder?
Das hat noch keiner nachweisen können. Die Fürsprecher der Bio-Landwirtschaft beteuern, dass es ihnen letztlich darum geht, was der grüne NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel gern „Bewahrung der Schöpfung“ nennt. „Wir müssen die Landwirtschaft umstellen, um die Gewässer, das Klima, die Böden zu schützen. Wenn Bio auch gesünder sein sollte, dann ist das sozusagen ein Begleitnutzen“, sagt Löwenstein.
Reichen die Kontrollen?
Den Bildern von leidenden Tieren zum Trotz: Bio-Betriebe werden strenger kontrolliert als konventionelle. Mindestens einmal im Jahr, auch ohne Ankündigung. Darum kümmern sich 24 vom Staat zugelassene private Kontrollstellen.