Berlin. . Ab August 2013 gilt Rechtsanspruch auf einen Platz für Kinder unter drei Jahren.Kommunen befürchten eine Klagewelle abgewiesener Eltern. Familienministerin Schröder will „Herdprämie“ schon ab Januar 2013 zahlen.
Die Uhr läuft. Genau vierzehn Monate haben die Kommunen noch, um allen Eltern, die ihre Kinder in die U-3-Betreuung schicken wollen, einen Platz zu schaffen. In vielen Großstädten steht längst fest: Die Zeit wird nicht reichen. Ob die Kitakrise droht, ist hier keine Frage. Die Frage ist: Wie werden die Eltern damit umgehen?
Die kommunalen Spitzenverbände fangen an, Mütter und Väter von unter Dreijährigen auf Schwierigkeiten einzustellen. „Es wird nicht funktionieren“, sagt Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund, „dass jeder einen Platz direkt in der Nähe und mit dem perfekten Betreuungszeitraum bekommt.“ Die Kommunen, so Landsberg, erwarten von den Eltern „ein gewisses Maß an Flexibilität und Verständnis“.
Die große Angst: Dass enttäuschte Eltern scharenweise klagen. Und Recht bekommen. Ab 1. August 2013 gilt ein individueller Rechtsanspruch auf einen bedarfsgerechten Kitaplatz für alle Kinder ab dem ersten Geburtstag. Bedarfsgerecht heißt, das weiß auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU), „dass man berufstätigen Eltern nicht einen Kita-Platz von neun bis zwölf Uhr anbieten kann.“ Landsberg fordert deshalb: „Wir brauchen einen Notfallplan.“ Im Umkehrschluss heißt das: Es gibt noch keinen.
Bedarf von 780 000 Plätzen
Niemand weiß genau, was passiert, falls die erste Mutter erfolgreich klagt, ihre Klage über Online-Netzwerke bekannt macht und eine Welle des Bürgerprotestes lostritt. Der Bergkamener Bürgermeister und Städtebund-Präsident Roland Schäfer vermutet allerdings, dass nur wenige Eltern vor Gericht ziehen werden. Auch Ministerin Schröder erinnert gerne an die Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz im Jahr 1996. Damals habe es auch kaum Klagen gegeben.
In Berlin ist bekannt, dass im Bundesdurchschnitt mittlerweile knapp 40 Prozent der Eltern ihre Kleinkinder zumindest stundenweise in die Krippe geben wollen. In einigen Großstädten sind es sogar 60 Prozent. Der ursprüngliche Bedarf von 750 000 Plätzen ist deshalb längst zu gering kalkuliert. Schröder rechnet heute mit 780 000 Plätzen – und weiß: „Wir müssen eine finanzielle Schüppe drauflegen.“ Damit meint sie ausdrücklich auch die Bundesregierung. Wann allerdings die Finanzspritze kommt, das sagt sie nicht.
Die kommunalen Verbände würden die fehlenden Mittel am liebsten aus dem Topf für das Betreuungsgeld nehmen. Ihr Vorschlag: Die Herdprämie aussetzen, bis der Rechtsanspruch auf einen U 3-Platz sicher, hochwertig und wohnortnah erfüllt werden kann.
Es kommt aber eher umgekehrt: Schröder will laut Gesetzentwurf die Zahlung der Herdprämie schon am 1. Januar 2013 starten. Ein halbes Jahr, bevor der Rechtsanspruch in Kraft tritt. Kritiker ätzen, dass Eltern, die keinen Krippenplatz bekommen, das Betreuungsgeld dann für die Rechtsberatung nutzen könnten.
Die Opposition schäumt: „Dass die Bundesregierung bereit ist, zukünftig 1,2 Milliarden Euro jährlich für das Betreuungsgeld aus dem Fenster zu werfen, aber nur Kleckerbeträge übrig hat, um den Kita-Ausbau voranzutreiben, ist unverantwortlich“, so Katja Dörner, familienpolitische Sprecherin der Grünen. Ministerin Schröder will den Ländern und Kommunen mit einem Zehn-Punkte-Programm Beine machen. Es soll zinsgünstige Kredite geben sowie Hilfen bei der Personalgewinnung.
Zehn Millionen Euro für Tagesmütter
Mit zehn Millionen Euro soll die Festanstellung von Tagesmüttern gefördert werden. Deren Lohn reicht oft nicht zum Leben. Umfragen zufolge würden deshalb mehr als 40 Prozent der heutigen Tagesmütter ihren Job aufgeben, sobald sie eine sichere Beschäftigung in Aussicht hätten. Doch ohne Tagesmütter, das weiß jede größere Kommune, scheitert der Kita-Ausbau auf ganzer Linie.