Dortmund. Während Bundesfamilienministerin Kristina Schröder am Mittwoch ihr Konzept zum Ausbau der Betreuung von Unter-Dreijährigen vorgelegt hat, fürchten viele Städte eine Klagewelle wegen fehlender Kita-Plätze. In westdeutschen Großstädten sei es fast unmöglich, den Rechtsanspruch auf einen Platz bis 2013 umzusetzen.

Die Uhr tickt. Genau vierzehn Monate haben die Kommunen noch, um allen Eltern, die ihre Kinder in die U-3-Betreuung schicken wollen, einen Platz zu schaffen. In vielen Großstädten steht längst fest: Die Zeit wird nicht reichen. Ob die Kitakrise droht, ist hier keine Frage. Die Frage ist: Wie werden die Eltern damit umgehen?

„Wir werden von den Eltern einiges abverlangen.“ Die kommunalen Spitzenverbände fangen an, Mütter und Väter von unter Dreijährigen auf Schwierigkeiten einzustellen. „Es wird nicht funktionieren“, sagt Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund, „dass jeder einen Platz direkt in der Nähe und mit dem perfekten Betreuungszeitraum bekommt.“ Die Kommunen erwarten von den Eltern „ein gewisses Maß an Flexibilität und Verständnis“.

„Herdprämie“ bremst Kita-Ausbau

Die kommunalen Spitzenverbände fordern außerdem, das zum 1. Januar 2013 geplante Betreuungsgeld so lange auszusetzen, bis der Kita-Ausbau gelungen ist. Die Auszahlung der „Herdprämie“ dürfe erst starten, wenn der Rechtsanspruch auf einen U-3-Platz flächendeckend erfüllt werde, hieß es gestern. Dies könne mit den Gelder für das Betreuungsgeld umgesetzt werden. Der Städte- und Gemeindebund rechnet mit einer Klagewelle von Eltern, die leer ausgehen: „Die Klagen werden sich gegen die Kommunen wenden und die Kommunen werden verlieren“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg gestern.

Besonders in westdeutschen Großstädten sei es „fast unmöglich“ dieses Ziel bis zum Sommer 2013 zu erreichen, so Stephan Articus vom Deutschen Städtetag. Das am Mittwoch vorgestellte Aktionsprogramm von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) mit zinsgünstigen Krediten für die Kommunen und Hilfen für die Festanstellung von Tagesmüttern könne „nicht garantieren“, dass der Kita-Ausbau noch rechtzeitig gelinge. Articus: „Es wird Lücken geben.“

Auch Dortmund und Hagen hinken hinterher

In NRW fehlen laut Landesregierung noch mehr als 27.000 Krippenplätze. Städte wie Hagen und Dortmund werden zum Stichtag 1. August 2013 nicht genug Plätze anbieten können. „Wir werden viele Eltern abweisen müssen“, sagt Christian Schmidt, Beigeordneter für Jugend und Soziales in Hagen. Dort klafft eine Lücke von 400, in Dortmund von 815 Plätzen. Kredite hält Schmidt für ein „Geschenk mit roter Schleife, das leicht zur Bombe werden kann.“ Wie verschuldete Kommunen die Darlehen zurückzahlen sollten, sei ungeklärt.

Vor allem die steigenden Betriebskosten durch mehr U3-Plätze stellen viele westfälische Städte vor Probleme – selbst wenn, wie in Unna erwartet, der rechtzeitige Ausbau gelänge.

Klagewelle enttäuschter Eltern befürchtet

Die große Angst: Dass enttäuschte Eltern scharenweise klagen. Landsberg fordert deshalb: „Wir brauchen einen Notfallplan.“ Im Umkehrschluss heißt das: Es gibt noch keinen. Niemand weiß genau, was passiert, falls die erste Mutter erfolgreich klagt, ihre Klage über Online-Netzwerke bekannt macht und eine Welle des Bürgerprotestes lostritt. Der Bergkamener Bürgermeister und Städtebund-Präsident Roland Schäfer vermutet, dass nur wenige Eltern vor Gericht ziehen werden.

In Berlin ist bekannt, dass im Bundesdurchschnitt knapp 40 Prozent der Eltern ihre Kinder zumindest stundenweise in die Krippe geben wollen. In einigen Großstädten sind es 60 Prozent. Der ursprüngliche Bedarf von 750.000 Plätzen ist längst zu gering kalkuliert. Schröder rechnet heute mit 780.000 Plätzen - und weiß: „Wir müssen eine finanzielle Schüppe drauflegen.“ Damit meint sie auch die Bundesregierung.

Die kommunalen Verbände würden die fehlenden Mittel am liebsten aus dem Topf für das Betreuungsgeld nehmen. Ihr Vorschlag: Die Herdprämie aussetzen, bis der Rechtsanspruch auf einen U-3-Platz erfüllt werden kann. Es kommt eher umgekehrt: Schröder will die Zahlung der Herdprämie schon am 1. Januar 2013 starten. Ein halbes Jahr, bevor Rechtsanspruch in Kraft tritt. Kritiker ätzen, dass Eltern, die keinen Krippenplatz bekommen, das Betreuungsgeld dann für die Rechtsberatung nutzen könnten.

Hier leben die meisten Kinder

Platz 10

Dortmund hat einen Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 18 an der Gesamtbevölkerung von 16,0 Prozent.

Platz 9

Oberhausen und Krefeld teilen sich den neunten Platz mit 16,2 Prozent.

Platz 8

Mit 16,3 Prozent erreicht Wuppertal Platz 8.

Platz 7

Bonn schafft es mit 16,5 Prozent.

Platz 6

Duisburg und Wiesbaden haben beide 16,7 Prozent.

Platz 5

Den fünften Platz teilen sich Leverkusen, Gelsenkirchen und Ludwigshafen am Rhein mit 16, 8 Prozent.

Platz 4

Hagen klettert mit 16,9 Prozent auf Platz vier.

Platz 3

Mönchengladbach und Solingen gelangen mit 17 Prozent auf den dritten Platz.

Platz 2

Bielefeld schafft es mit es mit 17,3 Prozent auf den zweiten Platz.

Platz 1

In Hamm leben die meisten Kinder mit einem Anteil von 18 Prozent an der Gesamtbevölkerung .

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