Essen. Am Abend der Landtagswahl in Schleswig-Holstein haben sich Spitzenpolitiker aller Parteien bei Günther Jauch zum politischen Talk getroffen. Die Gespräche wurden allerdings von einem Zwischenfall überschattet: Ein Zuschauer stürmte vor die laufenden Kameras. Jauch jedoch bewies Souveränität und ließ den Mann später wieder ins Studio bringen.
Nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, deren Ergebnis massiv darauf hindeutet, dass es zukünftig sowohl für Schwarz-Gelb als auch für Rot-Grün keine stabilen Mehrheiten ohne eine dritte koalierende Kraft geben wird, hat Günther Jauch am Sonntagabend zum Thema „Wahlschlacht, die Erste – Piraten entern, Liberale im Aufwind?" getalkt.
In der Runde saßen unter anderem Christian Lindner und Norbert Röttgen, die Spitzenkandidaten von FDP und CDU in Nordrhein-Westfalen. Für die Grünen trat Renate Künast in den Ring, für die Linke Gregor Gysi und Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit gab sich für die SPD die Ehre. Nur ein Gesicht war in dieser durchaus hochkarätig besetzten Elefantenrunde wohl für die meisten Zuschauer noch gänzlich unbekannt: Johannes Ponader, der neue politische Geschäftsführer der Piratenpartei.
Ponader twittert und bekommt Hartz IV
Ponader, der von Jauch als erster vorgestellt wurde, bestätigte sogleich das Image des stets im Onlinemodus lebenden Piraten, denn Ponader – so Jauch - lege Wert darauf, während der Sendung twittern zu dürfen. Ponader wolle dies jedoch nicht als Unhöflichkeit verstanden wissen, klärte dieser die etwas verdutzt dreinschauenden Spitzenpolitiker um ihn herum auf. Er wolle lediglich den Kontakt zur Basis auch während der Sendung sicherstellen und während der Sendung mitbekommen, „was draußen los ist".
Und so inszenierte der Weisband-Nachfolger auch sogleich seine Andersartigkeit, indem er sich mit seinem Smartphone im Anschlag pseudo-lässig in seinen Stuhl fläzte. In einem Einspieler gab der 34-Jährige dann außerdem bekannt, dass „wir mehr Gesellschaftskünstler brauchen" und dass er herausfinden wolle, wie das Leben funktioniere - aha.
Daraufhin gestand der sich als Gesellschaftskünstler bezeichnende Ponader nach mehrmaligem Nachfragen Jauchs, dass ein Gesellschaftskünstler auch von Sozialleistungen lebe. Politische Relevanz erfährt dies, wenn man die Forderungen der Piraten nach einem bedingungslosen Grundeinkommen betrachtet. Es wirft die Frage auf, ob hier Politik direkt für die eigene Lobby gemacht werden soll.
„Er bleibt in Berlin, er sagt´s nur nicht“
Ansonsten bot die erste halbe Stunde des Jauch-Talks nicht viel Neues. Lindner lobte Kubicki für das FDP-Ergebnis in Schleswig-Holstein von über acht Prozent und wiederholte sein Wahlkampf-Mantra vom Schuldenabbau. Der Staat müsse sich von der Abhängigkeit der Finanzmärkte befreien, sagte er. Wowereit und Röttgen wurden sich schnell einig, dass die Piraten eine Protestpartei seien, Künast befand, dass man neben Transparenz auch Inhalte brauche und Gysi – naja, der saß halt irgendwie auch noch da.
Zwei wirklich gute Momente konnte Jauch noch generieren, als Ponader zum einen versuchte, mit dem Gerücht aufzuräumen, die Piraten hätten keine Inhalte und auf das 76 Seiten umfassende NRW-Parteiprogramm verwies. Die Programme der anderen hätten deutlich weniger Seiten, das von der FDP habe sogar nur fünf. Darauf Jauch: „War in der Schule schon so. Nicht der, der das meiste geschrieben hat, kriegt auch die beste Note.“
Zum anderen frotzelte Jauch über den bis dahin farblos wirkenden Röttgen und dessen Schweigen zu seinen Zukunftsplänen bei einer Wahlniederlage am kommenden Sonntag in NRW. „Er bleibt in Berlin, er sagt´s nur nicht“, spottete der Gastgeber, woraufhin Röttgen den verzweifelten Versuch unternahm, sich einigermaßen glaubhaft zu echauffieren, dass Sachfragen im Wahlkampf zu wenig berücksichtigt würden. Man müsse doch auch mal über die Sache reden und nicht nur über „Firlefanz“, gab Röttgen zu Protokoll.
Störenfried – Jauch bleibt souverän
Für den größten Aufreger sorgte allerdings der lautstarke Auftritt eines jungen Mannes im Publikum. Wie aus dem Nichts stürmte dieser vor die laufenden Kameras und skandierte etwas, das durch den Fernseher allerdings nicht zu verstehen war. Eingefangen von Sicherheitsleute wurde der Störenfried dann aus dem Studio geschleift. Jauch jedoch bewies in dem kurzzeitigen Trubel Souveränität und ließ den Mann wieder ins Studio bringen. Seine Begründung: „Hier wird keiner wie in der Ukraine aus der Sendung rausgehauen."
Später ermahnte Jauch den jungen Mann dann aber doch noch in höflichem Tonfall, dass dieser nicht einfach Themen „mit Gewalt in die Sendung drücken“ könne. Die Vermutung Klaus Wowereits, dass es dem Störer um den umstrittenen Neubau für die Schauspielschule Ernst Busch gegangen sei, bildete sodann den Abschluss einer mäßig unterhaltsamen Runde, dessen große Namen mehr versprachen als die Sendung letztlich zu halten vermochte.
Ein Nachspiel wird es übrigens nicht geben: „Wir planen keine Anzeige oder Ähnliches gegen den jungen Mann“, erklärte ein ARD-Sprecher. Auch das Sicherheitspersonal stehe nicht in der Kritik. Die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma hätten vorschriftsmäßig gehandelt.