Essen. Die Suche nach dem “Superstar“ schwächelt, da setzt RTL zum nächsten großen Coup an. Ab Mai castet Dieter Bohlen gemeinsam mit Michelle Hunziker und Dana Schweiger “DSDS Kids“. Das Kinder-Casting aber ist ebenso überflüssig wie falsch - ein Kommentar.

Jetzt also die Kleinsten. Deutschland ist durchgecastet, die Privatsender haben zig vermeintliche Super- und Popstars gefunden, allüberall sinken die Quoten für Castingshows - und RTL zieht das nächste große Ding aus der Tasche: "DSDS Kids". Ein "Deutschland sucht den Superstar" im Kinderformat, für die Vier- bis 14-Jährigen.

Dieter Bohlen will diesmal nur nett sein. Und man darf ihm das auch durchaus glauben. Dass er die bösen und verletzenden Sprüche für die älteren Casting-Kandidaten aufhebt, hat der RTL-Chefjuror schon wiederholt gezeigt, beim "Supertalent" etwa. Wenn Kinder vor Bohlen stehen, dann wird der ganz weich. Hockt sich auf den Boden, um auf Augenhöhe mit den Kleinen zu plaudern. Schweigt über Patzer. Lobt Kleinigkeiten. Geschenkt.

Bei "DSDS Kids" gibt es eben nicht nur Gewinner

Denn darum geht es nicht, wenn schon vor dem Start von "DSDS Kids" die Kritiker Sturm laufen. Es geht darum, dass das Kinder-Casting überflüssig ist - und falsch. Kindergarten- und Grundschulkinder sollten spielen und sich nicht vor einem Millionenpublikum zur Abstimmung stellen müssen. Da kann RTL noch so oft betonen, dass alle ganz nett sein werden, dass es keine Verlierer, nur Gewinner geben werde. Am Ende gewinnt nur einer die Publikums-Abstimmung. Alle anderen müssen mit der Zurückweisung leben.

RTL mag vorgeben, dass es darum gehe, den Kindern ihre Träume zu erfüllen. Tatsächlich versucht der Sender, sich selbst einen Traum zu erfüllen: Kulleraugen für die Quote.

"DSDS Kids" erfüllt nicht die Träume der Kinder - sondern die der Eltern

Und auch darum ist "DSDS Kids" falsch: Weil es eben meist nicht der Wunsch der Kinder ist, sich im Fernsehen zu produzieren. Sondern die Idee der Eltern. Man kennt das aus dem Sport, wenn die "Eislauf-Muttis" über das Training ihrer Töchter wachen. Man kennt das aus den USA, wo Mütter ihre Töchter im Vorschulalter zu kleinen Lolitas schminken und in hohen Hacken auf Mini-Misswahlen schicken.

Wer solche Eltern hat, verdient Schutz. Schutz vor übermäßigem Ehrgeiz. Aber auch Schutz vor zu viel Lobhudelei. Wer schon in jüngsten Jahren Tag für Tag nur hört, wie pfiffig und knuffig und talentiert er ist, kann kaum ein gesundes Selbstbild entwickeln. Wer zu hoch gehoben wird, kann tief fallen.

Was heute auf der RTL-Bühne passiert, bleibt für immer im Netz

Hinzu kommt: All das, was heute auf einer Fernsehbühne passiert, bleibt für immer im Netz. Als Google-Treffer, als Video bei Youtube. Wer als Steppke Anfang der 90er-Jahre den Michael Jackson in der "Mini Playback Show" gegeben hat, kann das inzwischen getrost vergessen haben. Die Kinder, die heute bei "DSDS Kids" antreten, müssen sich womöglich noch in 20 Jahren beim nächsten Arbeitgeber für ihren Auftritt rechtfertigen.

Am Ende möchte man sich schon jetzt nur schämen. Nicht für die Kinder, die bald auf der RTL-Bühne stehen und wahrscheinlich noch reichlich unbeholfen singen oder tanzen werden. Sondern für ihre Eltern und die Show-Macher.