Essen. Jeder Zweite in diesen Breiten hat Übergewicht: “Brauchen wir Steuern auf Dickmacher?“, fragte ARD-Talker Günther Jauch - und verhob sich an dem schweren Thema. Dass die Politik keine Konzepte hat, machten Ministerin Aigner (CSU) und SPD-Arzt Karl Lauterbach deutlich. Maite Kelly war den Tränen nah.

Übergewicht und die Folgekrankheiten sind vermutlich das größte Gesundheitsproblem der westlichen Welt in den kommenden Jahrzehnten. Rund jeder zweite Deutsche hat Übergewicht, etwa jeder sechste leidet an krankhafter Fettleibigkeit. „Deutschland XXL – Brauchen wir Steuern auf Dickmacher?“, fragte ARD-Talker Günther Jauch am Sonntagabend. Und die Gäste in seiner Runde machten in nur 60 Minuten deutlich, dass sie keine Konzepte haben, dem Problem zu begegnen.

Eine plakative Frage, nicht wirklich provokativ: Ernährungsministerin Ilse Aigner (CSU) war sich mit dem SPD-Ernährungsexperten Karl Lauterbach – und, wenig überraschend, mit Werner Wolf, Lobbyist der Lebensmittelindustrie - einig, dass eine Steuer auf Fett und Zucker niemanden vom ungesunden Essen abhalten und also keinen Effekt auf die Volksgesundheit haben würde. Darüber, ob man das eingenommene Geld für Präventionsarbeit einsetzen könnte, mochte offenbar niemand nachdenken.

Eindrucksvolle Zahlen, die Jauch da auftischte: 60 Prozent der Männer, 43 der Frauen und 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland haben Übergewicht. Der Anteil der krankhaft Fettleibigen ist in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel angewachsen. Die Behandlung der Folgekrankheiten von Übergewicht kostet viele Milliarden. Damit hatte sich dann leider auch der gehaltvolle Teil der Sendung.

Schlagworte statt Schlagsahne

Zu bester Sendezeit stritten die Politiker über das Für und Wider der Nährstoff-Ampel auf Lebensmittelverpackungen (Favorit des SPD-Manns Lauterbach) und das Für und Wider von Nährstoff-Angaben in Prozent (Favorit der CSU-Frau Aigner). Was der Mann vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, Werner Wolf, von der Nährstoff-Ampel hält, macht er mit Sätzen wie diesem klar: „Wenn Sie sich nur von Äpfeln ernähren, fallen Sie irgendwann auch tot um.“ Schlagworte statt Schlagsahne: „Dick, doof und arm“ heißt das Buch des Soziologen Friedrich Schaub, das sich mit der Korrelation von (Un-)Bildung und Übergewicht befasst – ein Thema, das leider nicht weiter vertieft wurde.

Mit Entertainerin Maite Kelly hat Günther Jauch schon beim RTL-Jahresrückblick vor fünf Wochen übers Dicksein und Abnehmen gesprochen. Das hat ihm offenbar gut gefallen, die 32-Jährige war auch in seiner ARD-Sendung zu Gast und machte schnell deutlich, wie emotional besetzt das Thema für viele Betroffene ist: Als Kelly vom Dicksein erzählte, konnte sie die Tränen kaum zurückhalten. Dass Jauch sie auch erklären ließ, warum Forscher der Uni Kiel ihre Abnehm-Arbeit mit übergewichtigen Schülern als gescheitertes Experiment betrachten, statt die Experten selbst zu fragen, muss man – wie diese magere Stunde am Sonntagabend - als gescheitertes Talk-Show Experiment betrachten.